Brasiliens Schwimmlegende Maria Lenk mit 92 Jahren verstorben
“Mein Vater war Turner und Wassersportler. Im Alter von 10 Jahren war ich durch verschiedene Kinderkrankheiten der damaligen Zeit ziemlich zerbrechlich geworden. Um mir zu helfen, dass ich kräftig werde, hat er mir das Schwimmen im Rio Tietê beigebracht. Zu dieser Zeit gab es ja noch keine Schwimmbäder.“
So beschreibt Maria Lenk in einem ihrer letzten Interviews im November 2006 den Beginn ihrer unglaublichen Leidenschaft zum Schwimmsport. Und diese Leidenschaft sollte sie bis an ihr Lebensende nicht mehr loslassen. Über 80 Jahre war das Wasser ihr Leben, ihre Berufung. Nun hat Brasilien diese grosse Sportlerin verloren. Maria Lenk starb am 16. April 2007 im Alter von 92 Jahren in einem Krankenhaus Rio de Janeiro an einem Herzinfarkt. Sie hatte zuvor ihr tägliches Schwimmpensum wegen Atemschwierigkeiten unterbrechen müssen und war später in die Klinik gebracht worden.
Wenn man von Maria Emma Hulda Lenk Ziegler spricht, geht es manchmal weniger um Rekorde, weniger um den letztendlichen Erfolg. Natürlich hat sie oft gewonnen, hat Massstäbe gesetzt. Doch für sie war das Schwimmen die Herausforderung. Und der Kontakt mit dem nassen Element ein Lebenselixier. Hätte man ihr diesen Sport genommen, sie wäre niemals so alt geworden.
Maria Lenk wurde am 15. Januar 1915 in São Paulo als Kind deutscher Einwanderer geboren. Nachdem sie mit 10 Jahren Schwimmen lernte, trainierte sie bald darauf in einen Schwimmverein. Diese erkannten zwar das grosse Potential der Schwimmerin, doch Anfang der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts tickten die Uhren ein wenig anders. So hatte sie durchaus die Chance, an den Olympischen Spielen in Los Angeles im Jahr 1932 teilzunehmen, doch die letztendliche Entscheidung lag bei den Eltern der damals 17-jährigen. Doch diese hatten ein Herz für ihre schwimmbegeisterte Tochter und so machte sie sich als erste südamerikanische Frau auf den Weg zu einer Olympiade. Auch vier Jahre später nahm sie im Land ihrer Vorfahren in Berlin 1936 an ihrer zweiten Olympiade teil.
1939 gelang ihr ein Doppel-Weltrekord über 100m und 200m Brust. An einer weiteren Olympiade konnte sie aufgrund des 2. Weltkriegs dann jedoch nicht mehr teilnehmen. 1942 beendete sie frustriert ihre Laufbahn. “Der Krieg hat alle meine Medaillenträume und die vieler anderer Sportler zu Grabe getragen“ hatte Lenk einmal in einem Interview erklärt.
Erst in den siebziger Jahren nahm sie dann wieder an Wettkämpfen teil. Doch schon in den Jahrzehnten zuvor schwamm die durchtrainierte Frau täglich ihre Bahnen. Und zeigte dabei so manch jüngerem seine Grenzen auf. Bis vor wenigen Jahren stand sie dann wieder regelmässig ganz oben auf der Siegertreppe. Drei Weltrekorde in der Altersgruppe 90-94, zuvor weitere drei in der Kategorie 85-89 verzeichnen die Ergebnislisten. Insgesamt 54 Medaillen hat sie gewonnen, davon 37 in Gold.
Im letzten Jahr trumpfte sich im amerikanischen San Francisco noch einmal so richtig auf. Sie gewann im Alter von 91 Jahren die Vorläufe über 400m und 800m Freistil sowie über 100m und 200m Brust. Im Finale belegte sie den 2. Platz im 200m Brustschwimmen und markierte neue Weltrekorde über 100m Brust und 800m Freistil.
Doch auch das Meer vor ihrer Haustür in Rio de Janeiro hatte es ihr angetan. Der „Praia do Leblon“, der Strandabschnitt neben dem berühmten Stand von Ipanema, war ein beliebtes Ziel für häufige Spaziergänge und auch für so manches Bad.
Bereits 1988 wurde sie in die “International Swimming Hall of Fame“ aufgenommen, vielleicht die grösste Auszeichnung, die man der deutschstämmigen Brasilianerin machen konnte. Sie ist bis heute die erste und einzige Südamerikanerin, der diese Ehre zuteil wurde.
Der brasilianische Staatspräsident Luiz Inácio Lula da Silva hat sich zum Tod von Maria Lenk betroffen geäussert. Mit der “aussergewöhnlichen Schwimmerin Maria Lenk“ habe Brasilien “eines seiner grössten Sportidole verloren“. Auch der brasilianische Schwimmverband reagierte umgehend. Die “Troféu Brasil de Natação“, die brasilianische Schwimmtrophäe, heisst ab sofort “Troféu Maria Lenk“. Die brasilianischen Meisterschaften finden jährlich statt, das nächste Mal im Mai 2007 in Rio de Janeiro, wobei sich auch noch die letzten Teilnehmer für die pan-amerikanischen Spiele in diesem Jahr qualifizieren können. Die neue Sportanlage, die dort erstmalig zum Einsatz kommt und extra für die Spiele im Juli errichtet worden ist, trägt seit Januar ebenfalls ihren Namen.
Auf Wunsch ihrer Angehörigen wurde der Leichnam verbrannt. Die Asche wurde zum Teil am Strand von Leblon verstreut, zum Teil auf einem Familiensitz im Hinterland von Rio de Janeiro, wo die Ausnahmesportlerin gerne die Wochenenden verbrachte.
Maria Lenk lebte mit dem Wasser. Es schenkte ihr Kraft und Ausdauer. Bis zum allerletzten Tag ihres Lebens trainierte sie täglich mindestens eine Stunde und zog dabei unzählige Bahnen. Ob in Rio de Janeiro, auf Reisen oder bei den vielen Besuchen bei ihren Kindern in den Vereinigten Staaten. Die Welt, nicht nur Brasilien allein, hat eine grosse Sportlerin verloren. Maria Lenk wurde 92 Jahre alt.