Curitiba die Hauptstadt des Bundesstaates Paraná musste die Bauarbeiten beschleunigen, um die “Arena da Baixada“, noch rechtzeitig fertigzubekommen – das Stadion, in dem einige Partien des Fussball-Weltmeisterschafts-Turniers 2014 stattfinden werden. Die sozialen Bewegungen der Stadt kritisierten die Investition von Steuergeldern in der “Arena“ und verlangen nun von den Politikern, ihr Augenmerk auf ein Problem zu richten, welches sich während der WM verschlimmern dürfte: die Kinderarbeit.
Nach Auskunft des “Instituto Brasileiro de Geografia e Estatística (IBGE)” ist Paraná der Bundesstaat mit der drittgrössten Anzahl von Kindern und Jugendlichen in dieser Situation. Die Mitarbeiterin des “Fórum Estadual de Erradicação do Trabalho Infantil”, Juliana, erklärt, dass sich diese hohe Zahl aus kulturellen Faktoren erklärt.
“Die Kinderarbeit in den Bundesstaaten des brasilianischen Südens tendiert zu einem höheren Prozentsatz, weil sie von der lokalen Kultur akzeptiert wird. Noch heute gebrauchen die Menschen hier Sprüche wie “besser arbeiten als auf der Strasse herumlungern“ so als ob es nur diese beiden Optionen für Kinder gäbe“.
Im Zentrum von Curitiba sagt eine indigene Kunsthandwerkerin, dass sie niemanden habe, bei dem sie ihre Kinder lassen könnte – eines von 3 und ein anderes von 5 Jahren. Die Kleinen begleiten ihre Mutter während zirka zwölf Stunden beim Verkauf von Kunsthandwerk.
“Ich bringe sie mit, weil es keinen Kindergarten für sie gibt. Im Kindergarten, wo wir wohnen, gibt es nur Platz für Kinder bis zu drei Jahren. Wenn es eine Möglichkeit für beide gäbe, würde ich sie dort lassen und jemanden bitten, sie abzuholen“.
Das Mädchen von fünf Jahren hilft der Mutter – die glaubt, dass ihr Verkauf während der “Copa“ zunehmen wird, und ihre Tochter dabei eine Hilfe sein kann. “Sie kann schon Armbänder machen, hilft beim Verkauf, ist höflich zu den Kunden“, sagt die Mutter.
Um zu verhindern, dass Kindern und Jugendlichen ihre Rechte vorenthalten werden, promoviert die nicht-staatliche NGO “Afro Globo“ kulturelle Aktivitäten als eine Form, den Rassismus und die soziale Ungleichheit zu bekämpfen. Unter den angebotenen Aktivitäten sind auch afro-brasilianische Tanzkurse. Die Lehrerin Yuna Rosa erarbeitet mit ihren Schülern die Aufbereitung von Rhythmen aus afrikanischen Wurzeln.
“Ich liebe es, die Selbstachtung meiner Schüler und Schülerinnen zu stärken, denn die Mehrheit ist schwarz, und wenn sie hierherkommen, geben sie sich als “Morenos“ (Mischlinge) aus, mit künstlich geglätteten Haaren. Ich helfe ihnen zu begreifen, dass es keine Sünde ist, ein Afrikaner zu sein – es gibt welche, die glauben sogar, dass das hässlich ist. Wenn sie dann mehr Selbstbewusstsein bekommen, beginnen sie, sich so zu mögen, wie sie sind – die Mädchen tragen ihr Haar so eingerollt, wie es wächst – machen Zöpfe. Und sie mögen und lieben, was sie sind“.
Thaynara 16 Jahre alt, sagt, dass das Afro-Tanzprojekt das Gefühl für sich selbst verändert hat. “Ich habe viel gelitten wegen meiner Haare, besonders in der Schule. Und jetzt sage ich einfach: ich bin eine Schwarze! Und ich schäme mich nicht mehr meiner Hautfarbe“.
Die Munizipal-Schule Helena Koloy entwickelt Initiativen, die in Curitiba das Recht auf Sport und Freizeit im Gesetz verankern wollen. Das Zentrum für öffentliche Schulung bietet rhythmische Gymnastik für zirka 200 Mädchen zwischen 5 und 11 Jahren. Die Infrastruktur ist nicht ideal, und die Lehrer haben einen Losverkauf ins Leben gerufen, um die Teilnahme der Schülerinnen an Wettkämpfen zu ermöglichen. Die Kurse entstanden, nachdem der Lehrer Robson Marques festgestellt hatte, dass eine Sportart fehlte, mit der sich die Mädchen identifizieren können.
“Allein die Tatsache, dass sie selbst diese Idee hatten, bringt sie nun regelmässig hierher, wo sie beschützt sind und etwas Gesundes tun. Es gefällt ihnen, etwas für ihren Körper zu tun, sich um die richtige Ernährung zu kümmern“.
Die Mädchen träumen davon, bei der Olympia-Auswahl dabei zu sein, und dafür trainieren sie hart – sechs Stunden pro Tag an fünf Tagen der Woche. Wenn dieses Training auf der einen Seite auch Vorteile bringt, so muss man andererseits doch auch vorsichtig sein, damit es den jungen Körper nicht überfordert.
“Bei Kindern in der Entwicklung, kann ein Beharren auf zu häufigen Wiederholungen bestimmter Bewegungen zu Folgeschäden der körperlichen Entwicklung führen. Das Training für Spitzenleistungen bedeutet eine gefährliche Aggression für einen in der Entwicklung befindlichen Kinderkörper, es provoziert Mikro-Schäden, die zu einer Verkümmerung der physischen Entwicklung des Kindes führen können“, erklärt des Lehrer für Leibeserziehung, Tadeu Monteiro.
Maria 9 Jahre alt, ist eine der Schülerinnen in der Gymnastik-Equipe der Schule Helena Kolody. Sie erzählt, dass es vier Monate gedauert hat, bis sie sich dem Training angepasst hatte. “Am Anfang war es ziemlich schmerzhaft, jetzt bin ich daran gewöhnt. Ich sah die Mädchen aus der Equipe und dachte: niemals werde ich das schaffen. Und jetzt hab ich es geschafft“, sagt sie. Heute resümiert Maria ihren grossen Traum in einem Satz: “Ich möchte eine grosse Gymnastikerin werden“.