Agenor de Oliveira

Zuletzt bearbeitet: 2. Januar 2013

agenor-de-oliveira-kleinIn seinen Händen ist sogar Bafafá raffiniert.
Die Sendung “Revista Viva” beendete das Jahr 2007 mit einprägsamen Live-Interviews. Clemens Maria Pohlmann empfing Mitglieder von  “Ombre di Luci“, („den falschen Italiener aus Osnabrück“), die den Traum ausdrückten, eines Tages in Brasilien Konzerte zu geben, und Tânia Gabrielli-Pohlmann interviewte Agenor de Oliveira, geprägt in seiner Geschichte und in seinem eigenen Erleben der Wurzel des Sambas – also der “samba de raiz.“ Dieses Interview kann der Leser vom Boletim “A Casa dos Taurinos“ nun lesen.

Interview: Tânia Gabrielli-Pohlmann ©
Deutsche Version: Tânia Gabrielli-Pohlmann, Clemens Maria Pohlmann ©
Link: Agenor de Oliveira
Fotos Copyright by: Agenor de Oliveira

Tânia Gabrielli-Pohlmann
Viele Leser des Boletims und Zuhörer unserer Sendungen schreiben mir und erzählen, dass sie Interesse hätten, die erwähnten Künstler ein bisschen tiefer zu spüren, damit sie auch ihre Kunst begreifen können. Daher habe ich mich dafür entschieden, diese Künstler in “Revista Viva“ zu interviewen. Das ist keine einfache Aufgabe, da sie ständig auf Tourneen sind oder im Studio bei Aufnahmen zu einer neuen CD oder im Fall von Schriftstellern, beim Schreiben eines neuen Buches. Aber immer, wenn es passt, auch des Zeitunterschiedes zwischen Brasilien und Deutschland wegen, bringe ich gerne live Interviews für Sie, besonders im Radio. Also, live soll es sein.  Zuerst, weil ich die Zeit nicht hätte, jedes Interview vorzuproduzieren, und zweitens weil ich denke, Live-Interviews immer lebendiger und echter sind.

Heute habe ich einen wichtigen Namen des Sambas zu Gast: den Komponisten und Sänger Agenor de Oliveira, der uns heute Vieles über seine Karriere erzählen wird, aber auch über den Samba, der so “ansteckend“ ist, auch wenn man ihn nicht so häufig hört. Guten Abend, Agenor, und vielen Dank, dass du uns dieses Interviews gibst.

Agenor de Oliveira
Tânia, ich freue mich sehr, mit dir und mit deinen Zuhörern (auch durch das Internet) zu reden. Es ist mir nicht nur eine grosse Freude, es ist mir auch eine Ehre mit dir und mit deinem Publikum zu reden.

Tânia Gabrielli-Pohlmann
Es ist eine beidseitige Ehre, weil ich zugeben muss, ich habe einen immensen Respekt für deine Arbeit. Ich zittere hier… nicht jeden Tag habe man einen Meister auf der anderen Seite des Apparates. Also, wir begannen diese zweite Stunde der Sendung Revista Viva mit dem Lied “Carioca da Gema”, aus deiner CD “Bafafá”. Hier haben wir schon zwei Redewendungen in unserer Sprache, die wir in Deutsch etwa erklären müssen: Also, Carioca da Gema bedeutet grundsätzlich jemand, der in der Stadt Rio de Janeiro geboren wurde, oder etwas, was ursprünglich aus der Stadt Rio de Janeiro ist.  Aber, was bedeutet für dich, ein Carioca da Gema zu SEIN?

Agenor de Oliveira
Lass uns langsam antworten. Dieser Samba wurde komponiert für einen der berühmtesten Karneval-Blöcke von Rio de Janeiro, namens “Simpatia é quase amor”. Das wird auch schwierig, in Deutsch zu erklären (also: “Sympathie ist fast Liebe”). Aber Carioca da Gema… Was heisst für mich,  Carioca da Gema zu sein? Es heisst immer gute Laune zu haben, Samba mögen, zum Strand gerne zu gehen, ein kaltes Fassbierchen zu trinken, und bewusst zu sein, dass man in einer wunderschönen Stadt lebt, trotzt aller Schwierigkeiten. Ich bin geboren und aufgewachsen in der Vorstadt Rios, mit sehr einfachen Menschen. Ich glaube, der Carioca da Gema derjenige ist: ein einfacher Mensch, der zusammen mit einer täglichen Kunst lebt, mit der Kunst der Landschaft, mit der Kunst der Töne, die man an jeder hiesigen Ecke hört. Und diesen Samba habe ich als Hommage an Rio de Janeiro, und als Hommage allen Cariocas, weil Carioca nicht nur derjenige ist, der in Rio de Janeiro geboren ist; Carioca ist derjenige, der auch Rio lebt, der die brasilianischen Kontext liebt, diesen Kontext, welche wir irgendwie in einer so intensiven Arte und Weise hier darstellen.

Tânia Gabrielli-Pohlmann
Deine Erklärung über Carioca, Agenor, führt mich zur Vermutung, dass es ein paar Millionen Cariocas weltweit gibt, weil hier mindestens von   Rio mit sehr viel Liebe gesprochen wird. Aber dein Kontakt mit dem Samba besteht schon seit sehr langer Zeit,  nicht wahr, da du ein Kind eines Musikers und einer Sängerin bist, und auch von der Zeit, in welcher du in Jacarepaguá wohntest, ein  Stadtteil, wo sich die Komponisten der Sambaschulen Portela, União de Jacarepaguá und Império Serrano trafen. War es dieser informelle  Kontakt mit dem Samba, das dich dazu geführt hat, Samba zu komponieren, oder kam die Feststellung deines musikalischen Talentes später?

Agenor de Oliveira
agenor-de-oliveira1Ja… , das stimmt,  nicht nur nahe den Samba-Schulen. Ich wohnte sehr nah den Samba-Schulen, deren Hallen, aber ich wohnte auch ganz ganz nah von Fussballplätzen und in Brasilien, wenn du Fussball zusammen mit Samba-Schule führst, ergibt sich Komponist. Mein erster Kontakt mit der Musik war als ich neun, zehn Jahre alt war, als mir mein Vater eine Gitarre geschenkt hat. Ich bin, also ich war Linkshänder, aber heute bin ich beidhändig auch deswegen. Mein Vater hat mir eine Gitarre gegeben, und auf der Gitarre waren die Saiten für Rechtshänder eingespannt und ich, als Linkshänder, versuchte die Gitarre umgekehrt zu spielen, aber mein Vater sagte zu mir: “ich werde die Saiten nicht anders aufziehen. Sieh zu, dass du zurecht kommst”. Dann habe ich als Autodidakt angefangen, Gitarre zu spielen, als ich neun bis zehn Jahre alt war und als fünfzehn-, sechszehnjähriger wurde ich ein Mitglied in Musikgruppen. Damals hatten wir die sogenannten Ballgruppen, die sogar sehr von ausländischer Musik beeinflusst waren. Es waren Ballgruppen, in welchen man nicht nur brasilianische Musik spielte, sondern ein bisschen von allem spielte. Daher war meine Schule sehr vielfältig, im Sinn von Musik Kenntnis.

Aber zu Hause war das Erste, was ich lernte: Samba. Das erste Lied, welches ich gelernt habe, war “Três Apitos”, von Noel Rosa. Dieses Lied hat meine Mutter immer so schön gesungen und, obwohl ich es noch nicht richtig begreifen konnte, da ich noch zu klein war, war ich von der Melodie und den Worten, welche die Melodie begleiteten, einfach fasziniert. Daher habe ich meine Mutter gebeten, mir dieses Stück beizubringen und seit dem habe ich der Samba nie wieder verlassen. Ab meinem 16-ten Lebensjahr fing ich an, zu komponieren. Es waren Kompositionen, die strukturell sehr fragil waren, aber ich präsentierte sie schon mit meiner Gruppe, zu welcher noch ein Bass-, ein Schlagzeug-, ein E-Gitarre- und ein Klavierspieler gehörten. Ich spielte Gitarre und sang, aber nicht nur berühmte Lieder, sondern auch meine eigenen Kompositionen. Aber sicherlich wurde ich sehr davon beeinflusst: Die Nahe zu den Sambaschulen, deren Hallen, die ich schon sehr früh und häufig besuchte, und da man auch noch Fussballspiele schauen ging, und danach immer eine Batucada stattfand, was immer zu einer grossen Party wurde, wie es hier in Rio üblich ist. Wenigstens war es früher sehr üblich in der Vorstadt, als ich ein Kind war. Es war immer sehr schön…

Tânia Gabrielli-Pohlmann
Agenor, du gehörtest zur Gruppe Komponisten der Samba-Schulen “Portela“, “União de Jacarepaguá“ und “Império Serrano“. Kann man die Emotion beschreiben, an unseren Karneval in einer so besonderen Arte und Weise teilzunehmen? Machst du diese Arbeit noch?

Agenor de Oliveira
Diese Arbeit innerhalb der Samba-Schulen ist sehr wichtig. Das heisst, wenn du zu der Gruppe der Komponisten gehörst, dann musst du den Alltag der Schule erleben. Heute habe ich nicht die Zeit dafür, den Alltag mitzuerleben, aber ich komponiere immer noch, also, weniger Sambas-Enredos (Samba, der das Thema des Jahres darstellt. Von daher, jedes Detail des Umzuges der Samba-Schule wird um den Samba Enredo entwickelt), weil er mehr Zeit und ein effektiveres Engagement erfordert, und leider erlauben mir es meine Termine nicht. Aber ich komponiere immer noch, nicht mehr spezifisch für die Samba-Schulen, aber die Samba-Schulen habe ich als einer meiner Inspirationen. Es ist sehr schön, über die Samba-Schule zu sprechen, die in deinem Herzen ist. Es ist eine Schule ohne formelle Lehrer. Alle Lehrer dort haben das “Diplom des Lebens”. Und dieses Lernen, also, von Menschen zu lernen, die keine Ausbildung gehabt haben, aber die so viel Empfindlichkeit haben und eine besondere Fähigkeit, die Realität zu “lesen” und diese Realität zu Poesie in einer so schönen Arte und Weise zu machen, das ist wesentlich. Und ich fühle mich sehr berührt, mit den Sambaschulen miterleben zu dürfen, mit deren Komponisten und auch weil ich in irgendeiner Art und Weise eine Kompositionsarbeit weiter machen kann, mit den Sambaschulen und deren traditionellen Werten als Referenz für meine Arbeit.

Tânia Gabrielli-Pohlmann
agenor-de-oliveira2Ich habe schon mehrmals hier die Meinungen über die brasilianische Musik von hiesigen Musikern gefragt. Ich habe schon Kommentare gehört wie “Brasilien ist eine Musik Universität”…
Agenor, wir haben ein weiteres Stück aus deiner CD “Bafafá” gehört. Übrigens, wie würdest du DEINEN Bafafá erklären? Also das Wort “bafafá” bedeutet etwas wie ein Durcheinander… Es gibt in Deutsch ein bestimmtes Wort dazu… Clemens, wie heisst es genau?
Clemens Maria Pohlmann: Tobuwahu, wenn ich es richtig verstanden habe…

Tânia Gabrielli-Pohlmann
Genau, Tobuwahu heisst “bafafá”…

Agenor de Oliveira
Ach, ich glaube, dass “bafafá” zu erklären, so schwierig wie “jabuticaba” ist (jabuticada ist eine Frucht). Aber “bafafá” ist eigentlich ein Durcheinander, eine Konfusion. Dieser bafafá, dieser Samba-Choros, der eine Partnerschaft von mir mit Roberto Araújo ist, erzählt eine Geschichte. Eine Geschichte, die ein Durcheinander ist. Aber es ist eine Geschichte, die ich aus einer Beziehung basiert kreiert habe. Aus der Beziehung eines Paares, und ich habe diese so zu sagen turbulent affektive Beziehung eines Paares zu einer turbulenten Beziehung der Instrumente, die ein Musikstück spielen würden, geschaffen. Also, die Geschichte: “es ergab sich bafafá, Konfusion, usw, eine kleine Gitarre hat gezeigt, was in meinem Herzen ist”, das heisst, das Verwenden eines Instrument des Choros, um die sich ergebenen turbulenten Gefühle eines Mannes für seine Geliebte darzustellen. Nur der bafafá entstand nur deswegen, weil dieser Mann nicht “allein” war, also sonst würde keinen bafafá geben. Und genau die Idee der “Anderen”, also der Liebhaberin, oder des “Anderen”, also, des Liebhabers ist das, was den bafafá provoziert, aber um diese Geschichte ein bisschen musikalischer zu machen, habe ich die menschlichen Figuren durch die Instrumente und mit den übrigen Nuancen und wechselhaften Arrangements des Choros ersetzt. Also, die musikalischen Nuancen, die Interferenzen, die verpassten Sätze, als ob das das Leben wäre. Das Leben eines Paares ähnelt sich mit dem Leben der Instrumenten, die ein Musikstück spielen, also ein Musikstück, welches auch durchgequert wird, genau wie in der erzählten Geschichte passiert.

Tânia Gabrielli-Pohlmann
Beth Carvalho berichtet über deine CD “Bafafá” in einer sehr kohärenten Art und Weise mit deiner Arbeit. Sie sagt du zeigst es, dass es nicht reicht, einfach zu komponieren. Es sei nötig, die Arrangements sehr gut zu bearbeiten, damit man den geeigneten Weg findet, seine eigene Musik auszudrucken. Du schaffst es, scheinbar gegensätzliche Elemente in deiner Musik zusammenzustellen, das heisst, du stellst die Einfachheit mit der Raffinesse zusammen. Im Bereich Musik, Stimme und Text. Wie ist dein Arbeitsvorgang beim Komponieren?

Agenor de Oliveira
agenor-de-oliveira3Ich habe unterschiedliche Verfahren, dass heisst, wenn ich alleine komponiere, also, wenn ich mich selbst als Partner habe, normalerweise mache ich Musik und Text praktisch gleichzeitig; beides entstehen einfach so. Aber ich kann auch manchmal eine fertige Musik haben, zu welcher ich nach und nach einen Text schreibe, oder einen Text, zu welchem ich eine Melodie konzipiere. Aber ich habe auch Partner. Ich habe einen Partner, zum Beispiel, wie Délcio Carvalho, der ein grosser Dichter ist. Mit Délcio arbeite ich so, dass ich ihm die fertige Melodie gebe und er schreibt den Text dazu und danach mache ich eine Anpassung. Man macht immer eine Anpassung. Mit Paulinho Lemos, ein sehr beliebten Partner, der schon seit Langem in Europa lebt, komponiere ich per Internet. Ich maile ihm den Text und er schickt mir die Melodie, oder mailt er mir eine Melodie und ich schreibe dazu einen Text. Und hier habe ich Nelson Sargento, zum Beispiel. Und mit Nelson ist es einfacher, weil er sowohl Text als auch Musik sehr gut macht, und wir arbeiten eng zusammen. Manchmal ergänze ich einen Teil, den er angefangen hat… Wir haben eine sehr interessante Erfahrung gemacht. Es war ein Samba von Cartola, dessen Teil fertig war und den Nelson in seinem Archiv gefunden hat. Er hat diesen Teil geholt, hat die Melodie ergänzt und dann gab er ihn mir. Dann habe ich den Rest des ersten Teils des Textes und den Rest des zweiten Teils gemacht. Manchmal gibt er mir den zweiten Teil eines Lieds, dann muss ich den ersten Teil machen, was nicht so einfach ist. Aber ich glaube das Verfahren des Komponierens, hat Tom Jobim sehr gut kurz zusammen gefasst, als er sagte: “Du hast zehn Prozent Inspiration und neunzig Prozent Transpiration”! Es ist eine Arbeit, den groben Stein zu bearbeiten, und ihn zu polieren, bis dass er ein Gesicht bekommt, welches dir wenigstens Vergnügen und Zufriedenheit bringt. Du musst immer sehr intensiv in deinem inneren Mikrokosmos arbeiten. Die Sache ist die,  je mehr von dem Schaffensprozess dein Eigenes, je mehr von dem was dich bewegt, desto umfassender und universeller werden sie.

Tânia Gabrielli-Pohlmann
Agenor, im Laufe dieser acht Jahren “Revista Viva”, habe ich die Geschichte Brasiliens, die Geschichte unserer Literatur, unseres Radios, unserer Musik erzählt, und natürlich musste ich einfach die Werk von Noel Rosa erwähnen. Das war mir eine Pflicht. Also, sobald ich angefangen hatte, die Specials über Noel Rosa vorzubereiten, erhielte ich deine CD “Agenor de Oliveira canta Noel Rosa”, eine CD, die ich im Ganzem in einer speziellen Ausgabe von “Brasil com S” danach gespielt habe. Es war mir eine sehr positive Überraschung, die Begegnung mit deiner Interpretation von Noel Rosa zu erleben. Sogar Jazz Elemente hast du dazu hingebracht! Wie kamst du zu dieser Idee, nicht nur ein paar Werke Noels auf eine CD aufzunehmen, sondern noch mit dem Stil, den du ihr gegeben hast? Unter uns, ich liebe deine Interpretation zum Lied “Três Apitos” und gerade, als du über deiner Erinnerung an deine Mutter erzähltest, ich glaube, ich habe dann die Sachen verbunden, also, käme daher diese so aussergewöhnliche Interpretation?

Agenor de Oliveira
Ja… Eigentlich hat diese CD ein sehr sinfonisches Gesicht. Es war auch eine Arte Hommage an Noel. Ich wollte zeigen, dass obwohl Noel so kurz gelebt hat (also von 1910 bis 1937), hat er vielleicht die heute noch präsentesten und immer bleibenden Lieder in der brasilianischen Musik komponiert. Heute noch sind sie so aktuell… Und als ich diese CD konzipiert habe, mit Noel immer als eine Referenz in meinem ganzen Leben haltend, wollte ich eine andere Seite von Noel zeigen, dass heisst, die Universalität von Noel. Noel ist nicht nur ein carioca Komponist aus Vila Isaben, er ist nicht nur ein brasilianischer Samba-Komponist. Er hat eine Möglichkeit, sowohl melodisch als auch poetisch, und auf der CD wird die melodische Möglichkeit so durch die orchestralischen Arrangements betont, und die Texten und Gedicht von Noel werden auch dadurch betont. Das zeigt, wie sinfonisch Noel ist. Er muss nicht nur in einer traditionellen Art und Weise gespielt werden, also mit traditionellen Instrumenten wie akustische Gitarre, kleine Gitarre und Pandeiro, usw. Er kann auch von einem grossen Orchester interpretiert werden. Seiner Komponierensprozess hatte schon raffinierte und dissonante Harmonien, also er hat irgendwie schon die Bossa Nova musikalische Welt schon antizipiert, die Bossa Nova, die Jazzelemente so intensiv in die brasilianischen Musik hinzugebracht hat. Daher hat diese CD die Absicht, die universellere Dimension Noels Arbeit zu zeigen.    

Tânia Gabrielli-Pohlmann
Mit Nelson Sargento präsentierst du eine Radio Sendung, namens “Música no Ar”. Erzähle mal: wann, wo und wie kann man euch hören, auch per Internet?

Agenor de Oliveira
Es ist eine sehr tolle Sendung über Musik, also wir spielen sehr viel Musik. Es ist eine einstündige Sendung, immer donnerstags, von 17.00 bis 18.00Uhr (Brasília-Zeit), und per Internet kann man die Sendung >>> hier hören. Wir reden über Musik, wir erzählen Geschichten über Künstler und über Lieder… Nelson ist eine hervorragende Figur mit seinen 83 Jahren, aber wie 22 jähriger aussehend…

Tânia Gabrielli-Pohlmann
Würde er uns ein Interview geben? Er ist die lebendige Geschichte unserer Musik…

Agenor de Oliveira
Ach, ich glaube doch… Ich kann mit ihm sogar reden…

Tânia Gabrielli-Pohlmann
Schööön! Ich bereite zur Zeit auch ein Interview mit Nonato Buzar, und wer weiss, ob Nelson in der Folge kommt? Ich interviewe auch gerne Künstler, die die Geschichte selbst sind…

Agenor de Oliveira
Ja, das ist sehr wichtig. Und Nelson ist ein hervorragender Mensch, ein sehr wichtiger Komponist, ich habe für ihn ihm sehr viel Liebe…

Tânia Gabrielli-Pohlmann
agenor-de-oliveira4Ich auch. Ich sage immer, dass er eine Autorität sei. Mensch, ich werde mich vorbereiten müssen, da ich ihn so bewundere…

Agenor, die Zeit vergeht leider viel zu schnell, aber ich möchte dieses Interview nicht beenden, ohne dir die Frage zu stellen, mit welcher ich jedes meiner Interviews beende, weil es ein Fundament in meinem Leben hat. Ich muss es einfach fragen. Also, welche ist die soziale Rolle des Künstlers, deiner Meinung nach, besonders des brasilianischen Künstlers?

Agenor de Oliveira
Tânia, wie du weisst, Brasilien ist ein sehr ungleiches Land. Die Unterschiede sind besonders die den Chancen, die die Menschen haben, deren Fähigkeiten zu zeigen. Und dabei sind die Künstler nicht anders als die Menschen, die in Brasilien leben. Vielleicht sind sie anders… Also, der einzige Unterschied liegt vielleicht daran, weil sie wie Antennen sind. Vielleicht haben sie eine grössere Empfindlichkeit, um diese Unterschiede einzufangen, und daher glaube ich, jeder Künstler – ich fühle mich wenigstens so, in der Pflicht, zu dem Aufbau einer kulturellen Identität in diesem Land beizutragen. Ohne eine kulturelle Identität wächst keine Gesellschaft, stellt sich keine Gesellschaft mit Souveränität auf die Welt. Und die Künstler, nicht nur diejenigen, die das Privilegium der Empfindlichkeit haben, aber auch diejenigen, die direkt Kontakt mit dem Publikum und mit der Empfindlichkeit der Menschen haben, sie alle haben eine noch grössere Verantwortung. Wir haben die Pflicht, nicht nur den jetzigen Augenblick zu fokussieren, sondern auch auf das, was wir noch bauen können, um eine bessere Zukunft diesem Land zu geben. Ich sehe die Kunst Brasiliens als einen grundsätzlichen Faktor, nicht nur für unsere Entwicklung, sondern auch für unser Eingebundensein weltweit. Ich glaube, der Künstler hat diese Rolle noch intensiver als die anderen Menschen. Es ist die Rolle, das “Lesen” der Wünsche und der Lüste und der Realitäten unserer Mitmenschen, und die Übersetzung davon in einer künstlerischen und sehr sensiblen Art und Weise, nicht nur um die Emotion der Menschen zu erreichen, aber auch einen Platz für Wachsamkeit zu markieren,  einen Platz in dem  Sinn, dass die Kreation der Kunst eine wesentliche Rolle spielt, um ein besseres Land zu machen.

Tânia Gabrielli-Pohlmann
Agenor, ich bedanke mich sehr, dass du uns so viel Zeit gewidmet hast… Clemens mag deine Arbeit auch sehr, aber für mich war es eine sehr grosse Ehre, in der Historie meiner Arbeit hier. Es sind Erlebnisse, die mich bereichern, besonders weil ich die Chance habe, den so beliebten Künstlern es zu sagen: “Vielen Dank für alle Schönheiten, die ihr jeden Tag uns schenkt, ohne es zu wissen”.

Agenor de Oliveira
Sehr berührt und erfreut, an einer so  wichtigen Sendung teilnehmen zu dürfen. Einer Sendung, die im Ausland eingebunden ist. Es ist so schön, wenn man die eigene Arbeit übersetzt haben kann, also im tiefsten Sinn des Wortes gemeint, so in dieser so schönen Art und Weise, wie ihr sie habt. Ich bin super berührt und bleibe für euch da. Schon seit lange haben wir Kontakt miteinander und ich hoffe und wünsche, wir bleiben so. Bereiten wir ein neues Treffen vor, und Nelson wird bestimmt dabei sein. Ich bedanke mich bei dir und bei Clemens, und allen Menschen, die uns bisher so viel Liebe gegeben haben. Und meine Musik ist da. Die Musik gehört nicht dem, der sie macht. Die Musik gehört denjenigen, die sie hören. Einen grossen Kuss und vielen Dank!

Kommentar von Zélia Duncan zur CD “É Banto!“ von Agenor de Oliveira
Nach dem Schweifen der Blicke über die Inhalte dieses Albums von Agenor de Olivera, durch die Namen der Mitwirkenden und involvierten Musiker, da bildet sich das Bild von einer guten Musik. Dann sofort die Aufführung und die Töne werden verwirklicht, sie bestätigen sich in meinem  Raum.
Eine Stimme gut vorbereitet und vertraut, lädt ein, und geleitet das Album durch sanfte und kompetente Wege.

agenor-de-oliveira5Eine CD, selbst geschrieben und brasilianisch, inklusive mit seinen Anliegen und seinen Texten ganz in Harmonie, immer mit einer Prise Poesie. Sie sind manchmal ironisch, manchmal romantisch. Spricht vom Samba, wie im Lied Bato Tambor (“ich spiele Trommeln“), also ein unerschöpfliches Thema für denjenigen, der viel davon versteht, wie Agenor. Umgeben von Meistern wie Hamilton de Holanda, Cristóvão Bastos, Luciana Rabelo, Celsinho Silva, Jorginho do Pandeiro, Márcio Bahia offenbart sich Agenor in dieser CD mit Mut und Raffinesse. Eigenschaften, die zusammengefasst zu einer Steigerung des Niveaus führen. Hervorheben möchte ich noch Às Margens Da Vida  der Poesie des Textes wegen und einem stimmigen Duett mit seinem Partner Délcio Carvalho, ein sehr emotionales Stück. Agenor baut seine eigene Geschichte so gut und in einer so weisen Art und Weise, dass es  uns einfach nur übrig bleibt, das alles zu geniessen und an solch’ schönen Arbeit irgendwie teilzunehmen“.
Zélia Duncan

>>> Mehr Infos über Agenor de Oliveira und seine CDs

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