Der ehrenwerte Herr Ruschi hatte schon recht: es wird zu wenig getan in punkto Naturschutz – Espirito Santo hat in seinem Inland zwar eine traumhafte Landschaft, aber die offiziell geschützten Biosphären sind relativ gering und klein. Den einzigen Nationalpark im Bundesstaat, „Parque Nacional de Caparaó“, der noch zur Hälfte zum Nachbarstaat Minas Gerais gehört, haben wir im Text über jenen Bundesstaat bereits beschrieben. Übrig bleiben, in Espirito Santo selbst, der „Parque Estadual da Pedra Azul“ und der „Parque Estadual da Cachoeira da Fumaça“, zwei bundesstaatliche Naturparks, von denen der letztere nur bedingt zu empfehlen ist (siehe Text), und die beiden biologischen Reserven „Sooretama“ und „Corrego de Veado“ – die aber von normalen Besuchern nicht betreten werden dürfen – wir erklären ihnen dann in unserem Text, warum.
PARQUE ESTADUAL DA PEDRA AZUL
Dieser bundesstaatliche Park, gegründet 1991, befindet sich im Verwaltungsdistrikt von „Domingos Martins“ (von der noch die Rede sein wird), 86 km von der Hauptstadt Vitória, zu erreichen über die Bundesstrasse BR-262, asphaltiert und in gutem Zustand.
Schon während der Anfahrt kann man von der Strasse aus die tiefblauen Silhouetten des „Pedra do Lagarto“, mit 1.882 Metern Höhe, erkennen und des „Pedra Azul“, mit 1822 Metern – Granit und Gneis-Riesen inmitten einer landschaftlich sehr reizvollen Hügellandschaft mit superber Vegetation. Das Klima in der Gegend ist wegen der Höhenlage angenehm frisch, mit Temperaturen, die im Sommer bei 24º C liegen und im Winter bis auf 0º C fallen können.
Diese Bergregion erregte, in der Mitte des 19. Jahrhunderts, die Aufmerksamkeit der einwandernden Europäer – vornehmlich der Deutschen und der Italiener – die sich hier niederliessen und die Kultur der ganzen Gegend massgebend beeinflusst haben. Ihr typischer Baustil ist an den Häuschen überall sichtbar, die Vorhänge mit Spitzenrändern an den Fenstern, die Blumen auf den Balkonen und Verandas, die von Blumen überquellenden Gärten – und überall immergrüne Natur, die von den Bewohnern selbst – heute die Nachfahren jener Emigranten – peinlich geschützt wird.
Von der Nähe gesehen, könnte man den „Pedra Azul“ (Blauer Felsen) durchaus auch „Pedra Dourada“ (Goldener Felsen) oder „Pedra Laranja“ (Orangener Felsen) nennen, den seine Farbe wechselt stetig mit den verschiedenen Einfallswinkeln des Lichts und dem Feuchtigkeitsgrad der „Liquen“ (Pilz-Algen Symbiose), die ihn bedecken.
Die lokale Flora besteht unter anderen auch aus „Vegetação Rupestre“ – Arten, die sich auf steinigem Boden und auf den Felsen selbst entwickeln und aus Waldabschnitten, die sich durch den hohen Durchschnitt an Niederschlag – mehr als 1.500 mm pro Jahr – in diesem Gebiet gut gehalten haben. In ihnen finden sich verschiedene Orchideen-Arten, Bromelien, „Ingás“, „Cássias“, „Ipês“, „Canjeranas“ und einige Spezies der „Canela“.
Die lokale Fauna ist relativ vielgestaltig für die begrenzte Fläche. Es kommen vor: „Macaco-prego“ (Cebus apella), „Tatu-canastra“ (Priodontes giganteus), „Jaguatirica“ (Leopardus pardalis), „Tucanos“, „Veado-campeiro“, „Sabiá“ und einige Seltenheiten, wie „Onça-pintada“ (Panthera onca) und „Barbado“.
Wanderwege
„Trilha do Lagarto“ – man läuft nur knapp 500 Meter, das macht man leicht in zirka 15 Minuten. Von 250 Metern Höhe kann man dann den Berg „Caparaó“ bewundern.
Trilha das Piscinas
Um die neun Natur-Pools zu erreichen, die von eiskalten Quellen in das Felsengestein gegraben wurden, muss man ein bisschen mehr Anstrengung aufbringen: auf einem Weg von insgesamt 1.200 Metern, muss man sich, unter anderem, an einem Seil, im Winkel von 45 Grad, über 95 Meter in die Höhe hangeln – viel Spass!
Trilha da Pedra Azul
Dieser Weg ist 945 Meter lang. Der Wanderer kommt in direkten Kontakt mit einem Felsen von 500 Metern Höhe, der bereits von Profi-Kletterern auf seine Tauglichkeit für eine entsprechende Kletter-Partie untersucht wird. Und wenn man Hunger bekommen hat, dann kann man einen typischen „Café Colonial“ im Parkgebiet bekommen – einen Imbiss nach altdeutscher Art, mit Tee, Kaffee, Kakao und Dutzenden von Salzgebäck, Kuchen, Torten und anderen Leckereien, so reichlich, dass man nicht einmal die Hälfte aufessen kann.
PARQUE ESTADUAL DA CACHOEIRA DA FUMAÇA
Der Park wurde am 24. August 1984 gegründet, und der Regierung des Bundesstaates Espirito Santo fiel damals die Aufgabe zu, eine Fläche von 27 Hektar, die praktisch nur aus Weideland bestand, zu enteignen, denn innerhalb dieses Weidelandes befand sich ein Wasserfall des „Rio Braço Norte Direito“, den der Volksmund „Cachoeira da Fumaça“ getauft hatte – „Rauchender Wasserfall“. Er lockt mit seiner szenischen Imponenz jährlich Tausende von Touristen an.
Das Parkgelände befindet sich im Distrikt (Município) von „Alegre“ – etwa 15 km vom Ort gleichen Namens entfernt und rund 225 km von der Hauptstadt Vitória. Seine Originalvegetation war vom Typ „Floresta Estacional Semidecidual“, die im Lauf der Zeit von Kulturpflanzen und Fruchtbäumen, sowie Weideflächen verdrängt wurde. Man hat hier versucht, mit Neupflanzungen den Originalzustand wiederherzustellen und obwohl die insgesamt geringe Fläche nur eine sehr reduzierte Fauna erwarten lässt, hat man die Rückkehr von Vögeln, wie des „Seriema“, verschiedener Kolibri-Arten, der „Rolinhas“, des „Gavião“, des „Jurutí“ und anderer beobachtet.
Der Rio Braço Norte Direito versorgt verschiedene urbane Zentren mit seinem Wasser – er ist ein Nebenfluss des Rio Itapemirim – sein 140 Meter hoher „rauchender Wasserfall“ hat sich inzwischen zu einer der ersten Attraktionen von Espirito Santo entwickelt. Durch seine Lage in der Nähe der ES-185, einer Landstrasse die viele Besucher des Nationalparks von Caparaó hier durchführt, wird der Wasserfall zum obligatorischen Zwischenaufenthalt von Touristen aus dem ganzen Land, die an Wochenenden, Ferientagen und während der Sommerferien rund um den Wasserfall campieren oder ein Picknick veranstalten (es gibt einen Camping-Platz). Aus Gründen des Fehlens eines entsprechenden Verwaltungssitzes innerhalb des Parks, übernimmt ein Büro im Ort „Alegre“ dessen Funktion, kann aber durch die Entfernung von rund 40 km nicht seiner Aufsichtspflicht natürlich nicht nachkommen.
Die Umgebung des Parks wird von kleineren Kaffeekulturen und Milchviehhaltung vereinnahmt – mit kleinen landwirtschaftlichen Modulen von nicht mehr als 25 Hektar pro Besitzer. Trotzdem leidet das Schutzgebiet unter illegalen Rodungen durch Feuerlegung und die Anwendung von Pestiziden in der Landwirtschaft nebendran. Darüber hinaus gibt es, nach Auskunft der Parkverwaltung, im direkt an den Park grenzenden „Distrikt von „Ibitirama“ verschiedene Abwasserausstösse, welche zeitweise die öffentliche Benutzung des Wasserfalls verbieten, wegen des hohen Gehalts von Coli-Bakterien“.
Nun, Sie haben es sicher schon gemerkt, dieses „Naturschutzgebiet“ können und wollen wir Ihnen nicht empfehlen! Und wenn Sie daran vorbeikommen, dann schauen Sie sich den imponenten Wasserfall von weitem an – Sie müssen ja nicht darin baden, denn dafür gibt es wirklich genug saubere Wasserfälle in Brasilien, und wir sagen Ihnen gerne, wo und welche!
Eine Parkverwaltung, die es in 19 Jahren nach der offiziellen Parkgründung nicht geschafft hat, solche Missstände abzustellen ist eine Schande für das ganze Land! Aber sollte man die Schuldigen nicht eher unter den laschen Politikern des Bundesstaates suchen, die sich zu wenig um ihren Umweltauftrag kümmern? Und wie, frage ich mich, sieht es mit jener Versorgung der Anliegerstädte durch den Rio Braço Norte Direito aus – ist ihren Bürgern egal, dass sie mit Coli-Bakterien aus „Ibitirama“ verseucht werden? Wäre schön, wenn wir darauf mal eine Antwort bekämen – wäre noch viel schöner, wenn diesbezüglich etwas geschähe!
RESERVAS BIOLÓGICAS
Nach Information der IBAMA (Brasilianisches Institut für Umweltschutz) sind „Reservas Biológicas“ (Bio-Reserven) abgegrenzte Gebiete zur Erhaltung und zum integralen Schutz der Fauna und der Flora, in denen jedwede Nutzung ihrer natürlichen Ressourcen, gleich welcher Art, verboten ist. Dies schliesst auch eine Nutzung des Geländes für rekreative Zwecke aus (Tourismus, zum Beispiel). Trotz alledem werden in besonderen Fällen – zum Beispiel für erzieherische oder wissenschaftliche Zwecke – Sondergenehmigungen von der IBAMA-Behörde erteilt.
RESERVA BIOLÓGICA DE SOORETAMA
Dieses Reservat beschützt einen Restbestand von originalem, unverfälschtem Atlantischen Regenwald, dem am meisten bedrohten Biotop Brasiliens und wahrscheinlich ganz Südamerikas. So besonders aussergewöhnlich ist gerade dieser Waldbestand: in ihm finden sich Bäume, die 50 Meter Höhe und mehr erreichen, mit einem Durchmesser von 10 Metern!
Unter diesen Spezies fallen besonders auf:
Der „Copaíba“ (Copaifera officinalis, Lin.), der „Araribá“ (Centrolobium tomentosum, Benth.), der „Vinhático“ (Platymenia reticulata, Benth.), der „Peroba“ (Apocinaceae), der „Jequitibá“ (Cariniana brasiliensis, Cas.). Die ebenfalls in diesem Gebiet befindliche „Lagoa do Macuco“ ist an ihrem Ufer von Pflanzen gesäumt, die „schwimmende Inseln“ bilden und mit dem Wind auf der Wasseroberfläche hin- und hersegeln.
Dieses Reservat besitzt auch eine sehr vielgestaltige Fauna.
Unter den Säugetieren fallen besonders auf:
Das „Porco-do-mato“ (Pecari tajacu), der „Veado-mateiro“ (Mazama americana), der „Veado-catingueiro“ (Mazama simpliciornis), der „Onça-parda“ (Puma concolor), der „Onça-pintada“ (Panthera onca), die „Jaguatirica“ (Leopardus pardalis), der „Gato-maracajá“ (Felis macrura), der „Macaco-prego“ (Cebus apella), der „Sagui-de-cara-branca“ (Hapalideae), das „Cutia“ (Dasyprocta leporina), das „Paca“ (Cavia paca, Lin.), der „Caxinguelê“ (Sciurus aestuans), das „Capivara“ (Hydrochaeris hydrochaeris), das „Tatu-canastra“ (Priodontes giganteus), das „Preguiça-de-coleira“ (Bradipus tridactylus), der „Tapir“ (Tapirus terrestris).
Und die Vögel:
„Macuco“ (Tinamus solitarius), „Mutum“ (Crax aclateri), „Gavião-de-penacho“ (Falconideae) und „Harpia“ (Trasyaestus harpia).
Unter den Reptilien:
„Jabuti-do-mato“ (Testudo tabulata), „Jacaré-de-papo-amarelo“ (Caiman palpebrosus), „Jiboia“ (Boa constrictor), „Cobra-coral“ (Oxirhopus trigeminus) und noch sehr viel mehr Arten der brasilianischen Fauna.
RESERVA BIOLÓGICA DO CORREGO DO VEADO
Auch dieses zweite Reservat beschützt einen ungewöhnlich dichten und gut erhaltenen Bestand des Atlantischen Regenwaldes mit einer Unzahl von Epiphyten, besonders von seltenen Orchideenarten. Unter den Tieren, welche in diesem Gebiet Zuflucht suchen, sind besonders bedrohte Arten, wie der „Tamanduá-bandeira“ (Myrmecophaga tridactyla). „Preguiça-de-coleira“ (Bradipus tridactylus), „Ariranha“ (Pteronura brasiliensis), „Macuco“ (Tinamus solitarius), Gavião-real“ (Falconideae), „Mutum“ (Crax aclateri), „Jacutinga“ (Pipile jacutinga, Spix). Und Exemplare so seltener Arten wie des „Beija-flor-de-dohrn“ und des „Jacu-verde“, die endemisch sind, haben hier eine letzte Zuflucht gefunden.
Sicher ist es dem Leser anhand der wenigen Auskünfte, die über diese Gebiete vorliegen, klar geworden, warum die verantwortlichen Behörden diese sensiblen Refugien für Fauna und Flora nicht so ohne weiteres auch für den Publikumsverkehr öffnen – für bestimmte endemische Spezies (die nur in diesem Biotop leben können) handelt es sich tatsächlich um ihre letzte Zufluchtsstätte!