Als ich 2003 zum ersten Mal in Brasilien gelandet bin, hätte ich nicht gedacht, dass ich das südamerikanische Land einmal meine „zweite Heimat“ nennen werde. Weniger als ein Jahr später flog ich zum zweiten Mal nach Brasilien. Mein Leben in Deutschland hatte mich damals an einen Scheideweg gebracht. Ich stand kurz davor arbeitslos zu werden und für meine Wohnung war Eigenbedarf angemeldet worden. Ich hätte mir eine neue Arbeit und Bleibe suchen müssen. Das, so dachte ich damals, kann ich auch in Brasilien tun oder dort in einer Art Auszeit eine neue, ganz andere Lösung finden.
Brasilien, seine Menschen und seine Vielfalt hatten mich schon beim ersten Besuch in den Bann gezogen.
Da waren die atemberaubenden Wasserfälle in Minas Gerais, die pulsierende Megametropole São Paulo, die Ilha do Mel, eine Insel wie aus einem Piratenfilm mit endlosen menschenleeren Stränden und ohne Straßen und Autos, Rio de Janeiro mit seiner Live-Musik in Cafés und seinen Künstlern, nicht zu vergessen Salvador mit seinen Rhythmen oder Ilheus mit seinen tausenden Fruchtsäften und die Menschen, die mir immer wieder das Gefühl der Zugehörigkeit vermittelten, obwohl ich damals kein Wort von dem verstand, was sie sagten. Ohne mich zu kennen, luden sie mich zu einem mitternächtlichen Weihnachtsfestmahl ein. Andere öffneten mir ihre Wohnungen, nicht nur um dort zu übernachten, sondern auch um ihre Familien kennenzulernen. Es gab Einladungen zu Ausflügen und zu Tanzabenden.
Ich reiste alleine und fühlte mich dennoch aufgehoben und sicher, wie das selten der Fall bei meinen Reisen durch Europa gewesen war.
Der zweite Besuch wurde schnell zu einem Start in ein neues Leben. Ich heiratete einen Brasilianer und zog mit ihm 2008 in den Atlantischen Regenwald, um dort einen Öko-Hof aufzubauen. Als erstes bauten wir uns eine Bleibe, ein „tiny house”, wie es heute heißt, aus Holz. Wir pflanzten Obstbäume, im Regenwald heimische Bäume und Palmen, legten einen Gemüsegarten an und versuchten, uns einzurichten.
Der Strom kam erst 2014 zu uns in den Regenwald. Mit ihm kam auch das Internet, damals noch 2G und ewig langsam. Zu dem Zeitpunkt lernte ich das BrasilienPortal kennen.
In Deutschland hatte ich als Journalistin gearbeitet und so nahm ich mit Strom und Internet im Haus meine journalistische Tätigkeit wieder auf. Es begann eine neue Reise, für die das BrasilienPortal und seine „Macher“ den Ausschlag gaben. Ich begann für das mit so viel Liebe und Wissen aufgebaute Portal zu schreiben.
Ich schrieb aber nicht nur. Manchmal verbrachte ich auch Stunden damit, im BrasilienPortal zu stöbern, das so viele Schätze birgt, wie die Legenden der Ureinwohner Brasiliens, ein enormes Wissenswerk über die indigenen Völker des Landes und ebenso über die Pflanzen- und Tierwelt, die unzähligen Kulturmanifeste und ebenso die persönlichen Geschichten der Reporter.
Das Schreiben für das BrasilienPortal brachte mich aber auch dazu, noch tiefer in das Land einzutauchen. Oft führten und führen mich meine Recherchen zu mir Unbekanntem. Wie ein Kind lerne ich mit ihnen stetig hinzu und so manches Mal fühle ich mich aufgefordert, genauer hinzusehen.
Vögelnester habe ich hier bei uns im Regenwald schon etliche gefunden. Erst die Nachfrage Marcos brachte mich aber dazu, mich ihnen eingehender zu widmen. Eine Reportage über Nester wäre doch einmal eine interessante Sache, schrieb er mir per Mail. Sofort begeisterte ich mich dafür und machte mich an die Recherche. Bei der entdeckte ich, dass Kolibris auch Spinnenfäden in ihre Nester mit einweben.
Ein mit Spinnenfäden gewobenes Nest hatte ich schon mehrmals gesehen und nun mit der von Marco angestoßenen Recherche das Rätsel über diese im Sonnenlicht leicht glänzenden Nester gelöst, die ich unter anderem schon an der Unterseite der Helikonienblätter gefunden habe.
Bei der Reportage über die Vanille ging es mir ähnlich. Dass Vanilleschoten von Orchideen stammen, wußte ich bereits. Als ich bei uns im Regenwald zum ersten Mal eine Orchidee gesehen habe, die sich am Baumstamm entlang hochrankt, haben mir die Einheimischen gleich erklärt, dass dies eine Vanille-Orchidee ist. Erst beim Stöbern für den Artikel über die Vanille-Orchideen habe ich aber herausgefunden, dass Brasilien das Land der Vanille-Orchideen ist und es etliche Vanille-Orchideen beherbergt, die wegen ihres herausragenden Aromas wirtschaftlich genutzt werden, unter anderem auch die Art, die bei uns im Wald wächst.
So bringt mich das BrasilienPortal immer wieder zu neuen Erkenntnissen, zum Staunen und zu Aha-Erlebnissen. Das gilt nicht nur, wenn ich mich auf eine Reise für einen neuen Artikel begebe, sondern auch, für die vielen Berichte und Reportagen meiner Kollegen, die mir immer wieder neue Facetten Brasiliens zeigen.
Ich glaube, ein so umfangreiches Portal, wie das BrasilienPortal, ist eine absolute Seltenheit, vor allem auch deshalb, weil es neben Wissen auch ein Gefühl über Land und Leute vermittelt.
Ich ziehe jedenfalls meinen Hut und gratuliere den „Machern“ und dem BrasilienPortal ganz herzlich zum 20sten Jubiläum.
Gabriela Bergmaier Lopes