Oder wenn Erinnerungen verschwinden sollen
Weltweit erfreuen sich Fans des brasilianischen Idols Pelé an alten Aufnahmen des Superstars im Internet. Doch die nun digital veröffentlichten Zelluloidschnipsel stammen aus einem Dokumentarfilm und müssen nun von den Videoportalen entfernt werden.
Edson Arantes do Nascimento, wie Pelé mit bürgerlichem Namen heisst, ist zu Lebzeiten bereits eine Legende. Er gilt als der beste Fussballspieler aller Zeiten. Nicht zuletzt deshalb gibt es unzählige Fotos und Filmaufnahmen von ihm, viele davon inzwischen digitalisiert. Und diese haben inzwischen auch das Internet erreicht. Kurze Videoclips seines Könnens begeistern mittlerweile weltweit die Fans vor den Monitoren. Doch diese einzigartigen Aufnahmen sollen nun aus dem Netz verschwinden.
Alles begann im Jahre 2004. Eine Hommage an den Ballkünstler sollte im Kino für Furore sorgen und Geld in die Taschen der Verantwortlichen spülen. Doch Pelé Eterno, so der Titel in dem südamerikanischen Land, floppte an den Kinokassen. Nur rund 200.000 Besucher wollten sich knapp zwei Stunden lang von der Ballfertigkeit des dreimaligen Weltmeisters bezaubern lassen. Pelé begründet noch heute den kommerziellen Misserfolg damit, dass der Film bereits kurz nach dem Start an fast jeder Strassenecke Brasiliens als Raubkopie erhältlich gewesen wäre. Die später veröffentlichte DVD entwickelte sich erwartungsgemäss ebenfalls zum Ladenhüter.
Dabei ist der Film, den der Brasilianer Aníbal Massaini realisiert hat, nicht unbedingt schlecht. Wahre Pelé-Fans kommen mit Sicherheit voll auf ihre Kosten, sind doch fast 300 Tore des Weltfussballers des 20. Jahrhunderts dort zu bewundern. Doch das autobiografische Werk hat noch mehr zu bieten. Neben Archivmaterial, Interviews mit Gegenspielern und Mannschaftskameraden zeigt die Dokumentation auch die nicht-sportlichen Aktivitäten der Legende, die in Brasilien auch O Rei, der König genannt wird.
Obwohl die Dokumentation bei den Filmfestspielen in Cannes aufgeführt wurde und obwohl Pelé sogar in Begleitung von Brasiliens Kulturminister Gilberto Gil Ende 2005 den Film bei der offiziellen Deutschlandpremiere in Leipzig vorstellte, der Erfolg wollte sich nicht einstellen. Bis zum Beginn der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland, wo er im Rahmen verschiedener Veranstaltungen aufgeführt wurde, konnte sich der Verleih nicht dazu entschliessen, den Film deutsch untertiteln zu lassen und zeigte ihn mit englischen Untertiteln. Selbst in Brasilien ist die DVD derzeit nur in ausgesuchten Online-Shops erhältlich. Und auch in den USA, so ergaben die Recherchen, ist nur die Originalausgabe ohne englische Untertitel erhältlich. Zudem steht die offizielle Internetpräsenz des Filmes zum Verkauf, und die Produktionsfirma verfügt ebenso wenig wie der Verleih über eine eigene Webseite. Es scheint, als sei der Film in Vergessenheit geraten.
Damals, nach ein paar Wochen in brasilianischen Kinos und einigen wenigen Vorstellungen im Ausland schienen die dreijährigen Recherchen und aufwändigen Aufarbeitungen von altem Filmmaterial zu einem finanziellen Desaster zu werden. Alles sah nach schlechtem Marketing aus, wäre da nicht die ständige Präsenz des Idols gewesen. Zur Fussball-Weltmeisterschaft konnte Pelé sogar nochmals indirekt Werbung für seinen Film machen. Als „Opfer“ von Raubkopierern, Idol der Jugend und als „fairer Fussballspieler“ war er natürlich prädestiniert, eine Kampagne gegen die Filmdiebe zu unterstützen. In TV- und Kinospots, produziert von der amerikanianischen Filmwirtschaft, der Motion Picture Association of America, Inc. (MPAA) forderte er die Zuschauer auf, „ein Tor gegen Raubkopierer zu schiessen“. Dass in den dazugehörigen Pressemitteilungen der Diebstahl seines eigenen Filmes erwähnt wurde, versteht sich von selbst. Doch Pelé Eterno selbst wurde dadurch auch nicht erfolgreicher.
Während also nun der Film in Archiven verstaubt und lediglich in einigen DVD-Sammlungen echter Pelé-Fans auftaucht, haben Internetnutzer kurze Ausschnitte der Dokumentation auf die heute im Netz weit verbreiteten Videoportale hochgeladen. Und diese kurzen Clips stossen – anders als die Dokumentation – auf grosses Interesse. So können Anhänger des Ausnahmefussballers das ein oder andere Tor bewundern und sogar dabei mit anderen Nutzern darüber diskutieren. Die Veröffentlichung verstösst natürlich gegen das Urheberrecht und ist auch den Betreibern der Portale wohlbekannt.
Doch wie viele andere Clips auch, beispielsweise mitgeschnittene TV-Programme, werden sie nicht automatisch gelöscht. Denn wo kein Kläger, da kein Richter. Und so werden die ein- bis zweiminütigen Schnipsel öfter aufgerufen und angesehen als sich der komplette Kinofilm oder die DVD je verkauft haben.
Den Machern von Pelé Eterno hat dies natürlich nicht gefallen. Offiziell war es Regisseur Aníbal Massaini, der auf dem Videoportal YouTube rund 100 Ausschnitte seines Werkes fand. Er verklagte daraufhin über seine Produktionsfirma und gleichzeitige Inhaberin der Vertriebsrechte Anima Produções Audiovisuais Ltda. den Betreiber der Seite, den Suchmaschinenriesen Google.
Ein Gericht in São Paulo gab der Klägerin nun Recht. Die Inhaber von YouTube müssen die besagten Videos von ihren Seiten löschen, ansonsten droht eine Geldstrafe von rund 350 Euro je Filmschnipsel. Im Prozess liess sich Massaini interessanterweise von Rechtsanwalt Rubens Decoussau Tilikian vertreten. Dieser sorgte Anfang dieses Jahres weltweit für Aufregung, da er ebenfalls bei einem Gericht in São Paulo durchsetzen konnte, YouTube für brasilianische Nutzer sperren zu lassen. Vorausgegangen war die dortige Veröffentlichung eines Paparazzi-Videos, welches pikante Szenen des brasilianischen Models Daniella Cicarelli mit ihrem Freund an einem spanischen Strand zeigte.
Knapp drei Jahre ist die Dokumentation Pelé Eterno, welche international unter dem Namen Pelé Forever vertrieben wird, nun auf dem Markt. An Brasiliens Strassenecken ist sie schon lange nicht mehr zu finden. Und auch im Kino wird man auf eine Aufführung vergeblich warten müssen. Und an einigen Stellen im Internet wird die Legende nun sogar entfernt. Die Tore des besten Fussballers aller Zeiten jedoch wird man auch weiterhin auf anderen Seiten oder auf anderen Portalen bewundern können. Es sind dieselben Szenen, die gleichen Treffer. Und es ist diese geniale Spielweise, die Pelé auf Ewig Unsterblichkeit verleiht. Es sind geschützte Werke und doch im gleichen Atemzug auch geschichtliche Dokumente. Denn einen solchen Spieler wird es nie wieder geben. Und darüber sollte man klagen, über nichts anderes!