Paranuss – Die Gesundheits-Nuss

Zuletzt bearbeitet: 31. Oktober 2014

Die Paranuss besitzt soviel Protein wie Rindfleisch, Ei oder Milch – und sie braucht ein Gesetz zu ihrem Schutz.

Paranüsse

ParanüsseSchon vor 11.200 Jahren war die “Castanha-do-Brasil“ – die Brasilnuss (bei uns als Paranuss bezeichnet) ein Lebensmittel erster Güte. Der Beweis dafür findet sich in den wissenschaftlichen Forschungsberichten über die Höhle von “Pedra Pintada“, in Monte Alegre, im Bundesstaat Pará. Wer jedoch zuerst über diese Kerne schrieb, die sich sorgfältig verschlossen innerhalb einer steinharten Baumfrucht befinden, war der Mönch Cristóvão de Lisboa, etwa um 1630. Auch der Pater João Daniel, der 110 Jahre danach in Amazonien lebte, registrierte ebenfalls seine Eindrücke in Bezug auf die Frucht. Die Kirchenmänner stimmten wenigstens in einem Aspekt überein: Ein übermässiger Verzehr führte zu Haarausfall, sowohl auf der Haut als auch auf dem Kopf. Erst später entdeckte man Symptome von Selenose (eine Vergiftung durch übermässige Zufuhr von Selen). Seit dem 20. Jahrhundert gibt es allerdings keine Berichte mehr, die den Konsum von Paranüssen mit Haarausfall assoziieren. Im Gegenteil: Ein moderater Verzehr ist der Gesundheit förderlich.

Die “Castanhia-do-Brasil“ ist eines der selenhaltigsten Nahrungsmittel überhaupt, hat ein Agraringenieur herausgefunden, der bei der “Embrapa Amazônia Oriental“ beschäftigt ist. Das starke Antioxidans schützt die menschlichen Zellen gegen Freie Radikale, die, unter anderem, auch für unsere Alterung verantwortlich sind. Die “Selenose“, die einst verschiedene Wissenschaftler beunruhigten, war nicht nur ein Privileg der Humaniden, sondern betraf auch Affen und andere Tiere, welche diese Kerne in grossen Mengen verzehrten.

Es ist kein Zufall, dass der italienische Forscher Fellipe Botazzi die Paranuss als “pflanzliches Fleisch“ bezeichnete. Der Paranuss-Kern besitzt 12% – 17% Protein – im Mehl aus dem Kern, ohne Fett, sind 46% enthalten. Im Rindfleisch schwankt dieser Gehalt zwischen 26% und 31%. Nach dem Agraringenieur kann man das Protein des Nusskerns mit dem der Kuhmilch vergleichen. Was den Proteinwert betrifft, entsprechen zwei Nusskerne einem Hühnerei. In 100 Gramm der Kerne sind enthalten: 61g Fett, 2,8mg Eisen, 180mg Calcium und 4,2mg Zink. Phosphor, Potassium und Vitamin B gehören ebenfalls zu der Komposition.

Die Paranuss, “die im botanischen Sinn keine Nuss sondern ein Fruchtkern ist“, bemerkt der Forscher, wurde einst von dem Mönch Ciristóvão de Lisboa als “Anhaúba“ bezeichnet. Im 17. Jahrhundert, als man sie erstmals exportierte, nannte man sie “Castanha-do-Maranhão“ nach ihrem bevorzugten Fundort. Später, als ihre Produktion im Bundesstaat Pará die Exporte anführte, taufte man sie um in “Castanha-do-Pará“ (Nuss aus Pará). “Und im 21. Jahrhundert gibt es Bewegungen, die von ausländischen NGOs angeführt werden, welche dafür sind, die Kerne als “Castanha-da-Amazônia“ (Amazonas-Nüsse) zu bezeichnen“, bestätigt der Forscher.

Ein sechzig Meter hoher Baum

Sie stammt ursprünglich aus den Guyanas, aus Venezuela, aus dem Osten von Kolumbien, aus Peru und aus Bolivien – inzwischen hat sich die “Castanheira-do-Brasil“ (Paranuss-Baum), in Gruppen von jeweils 50 bis 100 Exemplaren, auch in den Regenwäldern der Flussufer von Amazonas, Negro, Orinoco, Araguaia und Tocantins ausgebreitet. In Brasilien kommt der Baum in den Bundesstaaten Acre, Amapá, Amazonas, Maranhão, Mato Grosso, Pará und Rondônia vor.

Paranussbaum

ParanussbaumDie Spezies wurde erstmals 1807 als Bertholletia excelsa H.B. von keinem geringeren als dem Naturalisten Alexander von Humboldt und dem Botaniker Aimeé Bonpland beschrieben – und sie ist die Einzige der Gattung Bertholetia (Paranussbaum). Ein wahrer Riese unter den Bäumen – er erreicht zwischen 30 und 50 Meter Höhe und erhebt sich weit über die geschlossene Walddecke der Hylea amazonica – einige Baumriesen erreichen sogar 60 Meter. Solche Exemplare werden auf mehr als 80 Jahre geschätzt, und trotzdem produzieren sie immer noch eine grosse Menge an Früchten. Trotz ihres Alters sind sie noch lange nicht in einem “alten Stadium“, wenn man bedenkt, dass Wissenschaftler Bäume entdeckt haben, deren Alter von 500 Jahren nachgewiesen werden konnte.

Der Stamm des Paranussbaums ist zylindrisch, gerade und ohne Verzweigungen. Die reifen Blätter – sie sind dunkelgrün und befinden sich alle in seiner Krone – behält der Baum fast das ganze Jahr über, ihre Anzahl verringert sich lediglich während August und September geringfügig.

Die Blüten präsentieren sich mit einer weisslich-gelben Krone in sechs freien Blütenblättern. Die eigenwillige Form der Blüten, und die aussergewöhnliche Höhe, in der sie sich befinden, erschwert kleinen und mittelgrossen Insekten einen Besuch. Die Bestäubung wird daher fast ausschliesslich von grossen Bienen, wie denen der Gattung Xylocopa (Grosse Holzbiene), Bombus (Hummeln) und der Spezies Euglossa sp (Prachtbienen) bewerkstelligt. Die sind stark genug, um bis zur Baumkrone vorzudringen, die vergitterte Struktur der Blüte zu durchdringen und den Pollen über weite Entfernungen zu transportieren. Die Bertholletia excelsa H.B. (Paranuss) blüht zur Zeit der geringsten Niederschläge.

Während die Blüten sich am besten unter der intensiven Sonnen entwickeln, fallen die reifen Früchte während dem herabströmenden Regen vom Baum. Zwischen 14 und 25 Kerne befinden sich, ineinander verzahnt, in einer kugelförmigen Fruchtschale, die bis zu 1,5 Kilogramm wiegen kann. Diese Kapsel, aussergewöhnlich hart, kann man nur mittels eines Haumessers oder einer Säge öffnen. Die perfekte Verzahnung der Kerne in ihrem Innern löst sich, wenn man eine Art Spindel in ihrem Zentrum entfernt.

Während der Blütezeit, selbst während der Entwicklung neuer Früchte, kann man an diesem Baum Früchte in allen Reifegraden antreffen – während des ganzen Jahres. Mit anderen Worten: Die alten Früchte, die fast reifen, und die Blüten, existieren an einem einzigen Baum neben- und miteinander.

Das Aguti (Dasyprocta leporina), ein in Amazonien beheimatetes Nagetier, gehört zu den wenigen Tieren, denen es gelingt, die harte Schale mit den Zähnen zu öffnen, um an ihre Kerne zu kommen. Das Tier pflegt einen Teil der zahlreichen Kerne zu vergraben, um diesen Vorrat später zu fressen. Es ist eine Tatsache, dass es diese Vorratskammern öfter vergisst, und die keimen dann und werden zu Ablegern. “Von allen Säugetieren neotropischer Verbreitung sind die Agutis am besten befähigt, grosse und besonders harte Früchte zu öffnen, sowie grosse Samenkerne zu verbreiten“, bemerkt die Zoologin und Koordinatorin des Zoos von Campinas (Bundesstaat São Paulo), in einer Studie über die Ökologie dieses Tieres.

Trotz der grossen Bedeutung der Paranuss als Nahrungsmittel und ihrem wirtschaftlichen Wert, ist es nicht gelungen, sie vom Sammelprodukt in eine Plantagenfrucht zu verwandeln. Denn ein solcher Baum braucht nach dem Keimen zirka 15 bis 20 Jahre, um seine grösste Produktivität zu erreichen, so erklärt der Forscher. Die privaten Sammelaktionen mit dem “Cambito“ – einem Haken, mit dem man die Früchte vom Boden aufsammelt – verlangt von den Sammler-Kommunen kilometerweite Wanderungen durch den verregneten Wald. Ausserdem braucht man entsprechende Energie, um die schweren Körbe voller Früchte unterwegs zu tragen.

Aus Amazonien

Im Jahr 2012 erreichte Brasilien eine Paranuss-Produktion von 34.467 Tonnen. Bolivien, heute grösster Produzent der Welt, sammelte 39.080 Tonnen. Der Kommerz ist noch weit weg vom Ideal, aber der Markt ist steigerungsfähig. Dafür braucht man Mittel, mit denen man die Bertholletia excelsa H.B. haltbar machen könnte – eine Spezies, die im Jahr 2009 in die Rote Liste der “Internationalen Union für die Erhaltung der Natur“ (IUCN) als “verwundbare Spezies“ aufgenommen wurde.

Während eines Zeitraums von sechzig Jahren hat die Erhaltung jener Baumbestände dazu beigetragen, Tausende von Paranuss-Sammlern am Leben zu erhalten, erinnert der Agraringenieur. “Aber ab dem Ende der 1960er Jahre, basierend auf dem Prinzip, dass die Rinderzucht mehr Gewinn bringe als ein dastehender Wald, begann die Regierung die Viehzucht zu unterstützen“, erklärt der Forscher und er fährt fort: “Um die Entwicklung der Nordregion voranzutreiben, hat man Strassen, wie die “Belém-Brasília“, die PA-150 und die BR-222, die “Transamazônica“ und das Wasserkraftwerk “Tucuruí“ gebaut. Ergebnis: In kurzer Zeit wurde der Wald abgeholzt und musste Weiden und Plantagenflächen weichen.

Im Südosten von Pará wurden 70% der Paranuss-Bäume bis 1997 abgeholzt. Nach dem Zyklus der Viehzucht-Implantation verlegte man die Ausbeutung auf das Gold von “Carajás“. Und es dauerte nicht lange, bis sich die Siedler für weitere wertvolle Güter zu interessieren begannen. Zum Beispiel Edelhölzer, wie “Mogno“ (Mahagoni) und andere Spezies – darunter auch der Paranuss-Baum – standen plötzlich im Mittelpunkt des Interesses und der Ausbeutung.

Paranuss geschlossen

Paranuss geschlossenFür den Forscher “illustriert die Situation im Südosten des Bundesstaates Pará den Konflikt zwischen der Politik, dem grossen Einwanderungsstrom und der Unhaltbarkeit der wirtschaftlichen Aktivitäten“. Die Umkehrung dieses Panoramas, so meint der Forscher, verlangt nach einer Isolierung jener noch intakten Areale mit Paranuss-Bäumen, nach einem Verbot dortiger Niederlassungen, einer Kontrolle von Waldbränden und einem strikten Verbot, solche Paranuss-Bäume zu fällen.

Inzwischen positioniert sich Bolivien als grösster Exporteur, indem es den Kreis seiner Abnehmer ausweitet und seine Industrie technologisch aufrüstet. In Cobija, am Ufer des Rio Acre, steht die modernste Fabrik der Welt zur Verarbeitung des Produkts. Das Land hat bereits den Namen “Castanha-do-Brasil“ offiziell umgeändert in “Castania-da-Amazônia“.

Nach Meinung des Forschers hat Brasilien Chancen, etwa in zwanzig Jahren erneut als Spitzenexporteur der “Castanhia-do-Brasil“ dazustehen. Das hängt von einer Politik ab, welche die Kultivierung dieser Spezies fördert. “In Bolivien gibt es keine Möglichkeiten zur Ausweitung der Sammlertätigkeit mehr, auch nicht in den anderen Produktionsländern – ihre Baumbestände sind bereits überbelastet und zur Ausbreitung fehlt ihnen das Territorium – ganz im Gegensatz zu Brasilien, aber neue Bäume brauchen, wie gesagt, eine lange Entwicklungsphase“.

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