Aus der Geschichte des Bundesstaates Sergipe

Zuletzt bearbeitet: 11. Dezember 2020

Eroberung
Die Eroberung und Kolonisierung von Sergipe fallen in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts. Das Gebiet war zur damaligen Zeit Ziel französischer Schiffe, deren Mannschaften mit den dortigen Indianern verschiedene Objekte gegen Brasilholz, Baumwolle und Pfeffer tauschten. Auch die Portugiesen – auf dem Weg nach oder zurück von Bahia – gingen viele Male in der Mündungsbucht des „Rio Real“ vor Anker, und es gefiel ihnen gar nicht, wenn sie dort auf jene Eindringlinge trafen.

Die endgültige Eroberung der Gebiete im Norden Bahias, durch die der „Rio Real“ fliesst, geschah durch die Initiative eines lokalen Grossgrundbesitzers mit Namen Garcia d’Ávila, der in Begleitung der Jesuiten Gaspar Lourenço und João Solônio, im Jahr 1575, versuchte, die Indianer jener Region entweder zu bekehren oder zu vertreiben. Jedoch waren seine Söldner dieser Aufgabe zahlenmässig nicht gewachsen – und so kam ihm der Gouverneur des Nordens, Luís de Brito, mit einer starken Truppe zu Hilfe – sie töteten den widerspenstigen Häuptling „Surubi“ und verschleppten die meisten Indianer als Sklaven.

Der „Rio Real“ wurde später die Südgrenze des neuen Territoriums, das, einige Jahre später, vom tapferen Capitão Cristóvão de Barros bis zum „Rio São Francisco“ im Norden endgültig erobert wurde – das heisst, vorher galt es den Widerstand der ortsansässigen Indianer und der eingedrungenen Franzosen zu brechen:

Man schrieb das Jahr 1589, als Cristóvão de Barros seine Truppen für diesen Feldzug organisierte. Seinem Leutnant Antônio Fernandes übertrug er das Kommando des Spähtrupps, Sebastião Faría bekam das Kommando über die Nachhut – Álvaro Rodrigues und Rodrigo Martins hatten 1.000 alliierte Indianer und 150 Kolonisten zu befehligen, letzteren kam die Aufgabe zu, auf dem Marsch durch den nördlichen „Sertão“ von Bahia noch mehr Indianer unter den Alliierten zu rekrutieren und sie bekamen zirka 3.000 Eingeborene zusammen, die sich dem Eroberungsfeldzug der weissen Besatzer anschlossen.

Am 23. Dezember 1589 – bereits tief im Innern des Territoriums von Sergipe – stellten sich die „Wilden“, unter ihrem Kriegshäuptling „Mbapeva“ oder „Baepeba“, den Invasoren und ihrer Artillerie entgegen: 20.000 Bogenschützen, verteilt auf drei Flügel, welche die zahlenmässig weit unterlegene Truppe von Cristóvão de Barros im Tal des „Rio Vaza-Barris“ in die Zange nahmen.

Die Portugiesen und ihre Alliierten verteidigten ihre Stellungen am Flussufer, und es gelang ihnen, besonders durch den strategischen Vorteil ihrer Artillerie, den Angreifern den Zugang zum Wasser abzuschneiden. „Baepeba“ begriff, dass er seine Stellung nicht mehr lange würde halten können und simulierte seinen Rückzug, indem er zwei seiner Flügel abzog, während er mit dem dritten, im Hintergrund auf eine Chance lauerte. Aber Cristóvão, ein erfahrener Indianerkämpfer, verfolgte nicht, wie erwartet, mit seiner gesamten Truppe die Abziehenden, sondern schickte lediglich 60 Mann seiner Kavallerie hinter ihnen her, die, so wird berichtet, fürchterlich unter den fliehenden „Wilden“ aufgeräumt haben sollen.

Am 1. Januar 1590 überrascht der Indianerhäuptling „Baepeba“ die Portugiesen und ihre Alliierten mit einem erneuten Angriff – auf offener Ebene und mit allem, was er noch hat, denn viele seiner Gefolgsleute waren ihm, infolge des misslungenen Angriffs am „Rio Vaza-Barris“, davongelaufen. Cristóvão und seine Soldaten schlagen sich tapfer und zwingen die „Wilden“ erneut zum Rückzug. Diesmal bleiben sie dicht an ihnen dran, töten zirka 1.600 von ihnen im Nahkampf und machen 4.000 Gefangene – die andern fliehen in die Weite des „Sertão“.

Kolonisierung
Nachdem die wilden Indianer endgültig geschlagen waren, kümmerte sich Cristóvão de Barros nunmehr darum, das von ihm eroberte Gebiet in die „Capitania de Sergipe“ des portugiesischen Königreichs zu verwandeln – unter der Vormundschaft von Bahia. Also errichtete er ein Fort an der Mündung des „Rio Sergipe“ und, in dessen unmittelbarer Nähe, gründete er eine Siedlung, der er den Namen „São Cristóvão“ gab – zu Ehren seines persönlichen Schutzpatrons. Er selbst, Herr dieser von ihm eroberten Ländereien, vergab nun an seine Kameraden und Kampfgenossen – besonders an die, welche sich im Kampf hervorgetan haben – verschiedene „Sesmarias“ (geschenkte Grundstücke) zum Dank für ihre Treue und Tapferkeit. Seinem Sohn, Antônio Cardoso de Barros, überschrieb er das eroberte Territorium „vom Rio Sergipe bis zum Rio São Francisco“.
Nach der Verteilung der eroberten Ländereien, und nachdem er seinem Leutnant Rodrigo Martins aufgetragen hat, die geschlagenen Indianer in Schach zu halten, kehrt De Barros nach Bahia zurück – als Capitão verbleibt sein persönlicher Freund Tomé da Rocha in Sergipe.

Die langsame Besiedelung der Region beginnt mit der Viehzucht, und dieser Wirtschaftszweig lässt sich bald so ausserordentlich gut an, dass in kurzer Zeit die „Capitanias“ Pernambuco und Bahia mit Fleisch aus Sergipe beliefert werden können! Die kleine Stadt „São Cristóvão“ entwickelt sich und wird Hauptstadt – erst der „Capitania“ und später der „Provinz“ – bis sie diesen Status im Jahr 1855 an die bis dato Siedlung „Santo Antônio de Aracaju“ verliert – von nun an „Hauptstadt Aracaju“. Heute ist die Stadt „São Cristóvão“ ein historisches Monument und das historische Fundament der Besiedelung und Kultivierung des Bundesstaates Sergipe.

Sergipe: „Der Name, so schreibt der Historiker Francisco Adolfo de Varnhagen,“ stammt von einem Fluss, der nach einem mächtigen Indianerhäuptling „Cirizipe“ oder „Cerigipe“ benannt wurde„. Etymologisch bedeutet er in etwa „Zange (gy-pe = Schneidwerkzeug) des Siri“ (Krebsart). Nach dem bemerkenswerten Tupinologen „Teodoro Sampaio“ bedeutet Sergipe: Fluss der Krebse.

Die Holländer
Mitten in den wirtschaftlichen Aufschwung der folgenden Jahrzehnte durch Landwirtschaft und Viehzucht, platzt die Nachricht der Invasion Pernambucos durch die Holländer, und eine Ahnung befällt die Bewohner von Sergipe, dass sie ebenfalls auf dieser Invasionsliste stehen könnten. Und so geschieht es: auch Sergipe wird von den Invasoren von 1630 zur Kasse gebeten.

Am 31. März 1637 zieht sich der General Bagnuolo, auf seiner Flucht vor den die Capitania von Alagoas bedrängenden Holländern, nach „São Cristóvão“ in Sergipe zurück. Hier versucht er dann, dem Andrängen der Überzahl der „Flamengos“ standzuhalten – von Bahia kommt keine Hilfe, denn dort ist man nicht mehr am Schicksal Sergipes interessiert. Dem General erscheint eine kampflose Übergabe am vernünftigsten – er zieht sich zurück und überlässt am 17. November 1637 der holländischen Übermacht „São Cristóvão“.

Zwei Jahre später übernimmt der „Conde da Torre“ die brasilianische Zentralregierung. Als seine erste Amtshandlung – am 31. Juli 1639 – beauftragt er die Herren Henrique Dias, Felipe Camarão, João Lopes Barbalho, João Magalhães und Dom João de Sousa die „Capitania von Sergipe“ zu besetzen. Am 1. August verjagen sie die Holländer aus der Hauptstadt und 1640, ein knappes Jahr später, sind sie wieder die Herren in der „Capitania Sergipe“. Eine Tatsache, mit der sich Moritz von Nassau nicht so einfach abfinden will: also überfällt er erneut die Hauptstadt „São Cristóvão“ und erobert sie zurück – und erst im September 1645, mit der allgemeinen Vertreibung der Holländer aus ganz Brasilien, ist auch Sergipe wieder in portugiesischer Hand.

Emanzipation
Es folgt eine unruhige Zeit, besonders für die Administration der kleinen „Capitania“ – einen „Capitão-Mor“ und einen „Ouvidor“ (wörtlich: Anhörer – eine Art untergebener Richter), welche in allen wesentlichen Fragen der „Capitania von Bahia“ unterstellt waren.

Erst am 8. Juli 1820 bekommt die kleine „Capitania“ einen selbständigen Status und ihren ersten Gouverneur, Oberstleutnant Carlos César Burlamaqui. Gewisse politische Elemente in Bahia wollten sich nicht damit abfinden, Sergipe diese Emanzipation zuzugestehen, und es gelang ihnen, Sergipe noch zwei Jahre lang in der politischen Abhängigkeit von Bahia zu halten. Aber die „Sergipanos“ reagierten und, unterstützt von General Labatut, gelang es ihnen endlich, jene oppositionellen Parteimitglieder mundtot zu machen und ihren Versuch erneuter Annektierung zu vereiteln.

Am 3. März 1823 erhält Sergipe erneut seine Autonomie – bereits als neue „Provinz“ des neugeschaffenen Imperiums (brasilianische Unabhängigkeit von Portugal am 07. September 1822), mit seinem ersten Präsidenten, dem Brigadegeneral Manuel Fernandes da Silveira, der am 25. November 1823 nominiert, und am 5. März des folgenden Jahres sein Amt antritt.  

Die Provinz
Es wechseln die neuen Präsidenten der Provinz, ohne erwähnenswerte Ereignisse, bis zur Administration des Dr. Inácio Joaquim Barbosa, welcher sich entschliesst, die Hauptstadt von „São Cristóvão“ nach „Aracaju“ zu verlegen – was bei den Bürgern der alten Metropole eine tiefe Verstimmung und Missbilligung auslöste. Jedoch der Präsident lässt sich dadurch nicht beirren und beschliesst während einer Versammlung seiner Kammer in Aracaju das Gesetz vom 17. März 1855, welches eben jene Verlegung der Hauptstadt zum Gegenstand hat – und zieht um.

Viele der verstimmten Bürger von „São Cristóvão“ sehen es als ein Gottesgericht an, dass direkt nach dem Umzug in Aracaju eine Fieberwelle grassiert, die fast ein Drittel der Bewohner der neuen Hauptstadt dahinrafft, auch den Präsidenten Barbosa, der in „Estância“ stirbt, wohin er sich zurückgezogen hat, um durch diesen Klima- und Ortswechsel vielleicht gesund zu werden.

Die Republik
Als man am 15. November 1889 in Brasilien die Republik ausrief, bekam Sergipe den Status eines Bundesstaates der Föderation, anfangs regiert von einer provisorischen Junta, die sich aus dem Oberst Vicente Luís de Oliveira Barbosa, dem Professor Baltasar Góis und dem Kapitän und Ingenieur Antônio José de Siqueira Meneses zusammensetzte. Am 13. Dezember desselben Jahres übernahm dann Dr. Felisbelo Firmo de Oliveira Freire die Staatsregierung, von den Volksvertretern vorgeschlagen und von der provisorischen Regierung nominiert. Er wurde bereits am 18. August 1890 abgelöst vom Fregattenkapitän Augusto César da Silva, dem ebenfalls diverse Ablösungen folgten, während dieser diktatorischen Periode.

Am 18. Mai 1892 war die erste staatliche Verfassung erarbeitet und der erste ordentliche Gouverneur gewählt – der Oberingenieur José de Calasans, der allerdings in Anbetracht der politischen Irrungen und Wirrungen, welche das Land erschütterten, nach kurzer Zeit sein Amt niederlegte. Ihm folgten mehrere ordentlich gewählte Gouverneure, aus deren Amtszeit keine erwähnenswerten Ereignisse zu berichten sind – ausgenommen das Jahr 1901, als in Sergipe eine politische Revolte aufflackerte, die aber schnell von der Regierung erstickt wurde. Auch in den folgenden vier Jahren, der Zeit, in der Rodrigues Alves die brasilianische Präsidentschaft innehatte (1902-1906), begann ein neuer Konflikt in Sergipe, den die lokale Polizei vom Zaun gebrochen, und den der Gouverneur Guilherme de Campos mit seinem Rücktritt bezahlen musste.

Der Sieg der Rebellen, als deren Chef der Abgeordnete Fausto Cardoso auftrat, wurde dessen persönlicher Freundschaft mit dem Präsidenten zugeschrieben, welcher jenen Parlamentarier wegen seiner bekannten politischen Eloquenz schätzte. Nachdem er sich ein genaues Bild der Situation gemacht hatte, beschloss der Präsident der Republik jenen abgesetzten Gouverneur Guilherme de Campos mit allen Ehren zu empfangen – was in Sergipe den bewaffneten Aufstand auslöste – gegen die Truppen des Heeres, die den Kopf der Rebellion, jenen Fausto Cardoso, einkreisten und erschossen.

1908
In Aracaju werden die ersten Strassenbahnen mit Pferdeantrieb eingeweiht, sowie die erste Kanalisation von Trinkwasser.

1913
Einweihung des ersten Elektrizitätsnetzes und des entsprechenden städtischen Versorgungsbetriebes in Aracaju.

1926
Die ersten elektrisch betriebenen Strassenbahnen werden gebaut und für den Betrieb in der Hauptstadt Aracaju eingeweiht.

1930
Wieder mal eine Revolution zwischendurch: sie hat ihren Ursprung in São Paulo und Minas Gerais, erfasst aber schliesslich das gesamte Land. Die Bevölkerung ist unzufrieden mit der Präsidentennachfolge.

Unter Führung des Capitão Juarez Távora, Koordinator der Revolution im Nordosten, wechseln die von ihm in Paraíba organisierten revolutionären Kräfte nach Sergipe über, übernehmen die Macht im Bundesstaat und setzen den dortigen Gouverneur ab. Bis ins Jahr 1937 folgt eine sehr unruhige Zeit, in der die Administration von Sergipe von einem unfähigen Politiker an den andern weitergegeben wird.

1947
Am 16. Juli tritt eine neue staatliche Verfassung in Kraft.

1964
Nach dem Sieg der revolutionären Bewegung vom 31. März übernehmen die Militärs die Macht in der Republik. Der Gouverneur von Sergipe, João de Seixas Dória, verliert sein Mandat und wird abgesetzt.

Das Volk
Besonders die Intelligenz des „Sergipano“ ist eine sprichwörtliche. Sein Ehrgefühl, seine Wahrheitsliebe, sein heller Geist, seine Liebenswürdigkeit und sein Wunsch zu siegen sind Tugenden, die ihn auszeichnen. Seine Mentalität beweist sich in beglückenden Antworten, in Sätzen voller Humor, in graziösen, leichten Versen, in interessanten, geistreichen Anekdoten. Ein arbeitsames Volk, ordentlich, patriotisch. Einer von ihnen, Hermes Fontes, sagte einmal: „die Ernte in Sergipe ist eine geistige!“ und fügte hinzu: „São Paulo exportiert Kaffee, Minas Gerais exportiert Milch, Pernambuco exportiert Zucker – und Sergipe exportiert Talent!“ Und an anderer Stelle seiner Rede verglich er die „Sergipanos“ mit den Japanern: „ihre Liebenswürdigkeit und Intelligenz, ihre Vaterlandsliebe und ihren Unternehmungsgeist“ und meinte hinsichtlich ihrem Ehrgefühl: „dem Sergipano wie dem Japaner ist dies eine fast übermenschliche, eine religiöse Eigenschaft!“

Sergipe hat in der Tat viele illustre Persönlichkeiten hervorgebracht, unter ihnen, um nur einige unter den bereits Verstorbenen zu erwähnen: João Ribeiro, Sílvio Romero, Tobias Barreto, Felisbelo und Laudelino Freire, Fausto Cardoso, Martinho Garcez, Manuel Bonfim, Hermes Fontes, Pereira Barreto, Jackson de Figueiredo und Pedro de Calazans.

Fortschritt
Heute ist Sergipe, gemessen an seiner Arbeitskapazität und seinem Unternehmergeist, sowie dem gegenseitigen Verständnis im Volk, einer der offensichtlich progressivsten Bundesstaaten der Föderation. Obwohl die Landwirtschaft immer noch als Hauptträger seiner wirtschaftlichen Entwicklung angesehen werden muss, ist die Industrie dabei, sich als ebenbürtige Alternative zu entwickeln – dank der elektrischen Energie aus dem Wasserkraftwerk in „Paulo Afonso“.

Auch die landwirtschaftliche Produktion hat zugelegt, mit vielen neuen Arbeitsplätzen und neuen Techniken. Die Zuckerrohr-, Baumwoll-, Kokos- und Maniok-Kulturen vergrössern sich aussergewöhnlich schnell, sodass sie in Kürze die Produktionsziffern von Bohnen, Mais, Tabak, Reis und Bananen erreichen werden – neue Möglichkeiten, die sich dem Bundesstaat eröffnen.

Auch auf der Viehzucht beruht, trotz schwindender Expansionsmöglichkeiten, ein wesentliches Wirtschaftswachstum. Die Zucker- und Salz-, sowie die Textil- und die Baumwoll-Industrie – alle in konstanter Aufwärtsentwicklung – garantieren dem kleinen Sergipe eine sorgenfreie Zukunft. Trockenfleisch, Kokosnüsse und Holz spielen ausserdem eine wirtschaftliche Rolle für den Bundesstaat und letztlich kommen noch die relativ neu entdeckten Erdöllager hinzu, deren Kapazität gerade ausgewertet wird.

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