London 2012

Zuletzt bearbeitet: 29. Oktober 2013

Die Olympischen Sommerspiele 2012 (offiziell Spiele der XXX. Olympiade genannt) fanden vom 27. Juli bis 12. August 2012 in London statt. Die britische Hauptstadt ist damit die erste Metropole, die zum dritten Mal Gastgeber der Olympischen Sommerspiele sein durfte; bereits 1908 und 1948 wurden diese hier ausgetragen. 16 Tage lang kämpften rund 11.500 Sportler aus aller Welt in 303 Wettkämpfen um Gold, Silber und Bronze. Brasilien war mit 259 Athleten – 136 Männer und 123 Frauen – in London 2012 vertreten, die in insgesamt 32 Disziplinen an den Start gingen.

posters-2012 London 2012
Anzahl Länder: 204
Olympische-Disziplinen: 303
Total Athleten: ~11.500
Frauen: ~6.000
Männer: ~5.500
RANGLISTE GLD SLV BRZ
usa USA 46 29 29
china China 38 27 22
grossbritanien Grossbritanien 29 17 19
brasilien 22° Brasilien 3 5 9

Die Olympiade 2012 aus brasilianischer Sicht

Am Ende langte es für einen einzigen dünnen Platz: das Ergebnis von vor vier Jahren leicht verbessert, kletterte Brasilien im offiziellen IOC-Medaillenspiegel von Rang 23 (2008) auf Rang 22 (2012). 17-mal standen Athleten aus dem größten Land Südamerikas auf einem Podium, dreimal Gold, fünfmal Silber und neunmal Bronze konnten gewonnen werden.

Hatten wir vor vier Jahren an gleicher Stelle noch geschrieben, dass es für Brasilien die erfolgreichsten Sommerspiele aller Zeiten waren, so müssen wir dies für London 2012 erneut so bestätigen. Auch wenn nun ein bitterer Nachgeschmack bleibt. Der Erfolg wurde nämlich nicht nur teuer erkauft sondern von denjenigen realisiert, denen man es im Vorfeld gar nicht zugetraut hat. Viele Leistungsträger und potentiellen Medaillenanwärter versagten hingegen.

Und dabei sprechen wir nicht von den Athleten oder Mannschaften, die vielleicht unglücklich ein Finale verloren haben, im letzten Moment noch vom Podium geschubst wurden oder denen Zentimeter bis zum Erfolg gefehlt haben. Nein, wir sprechen von zahlreichen Protagonisten, deren Aktionen ganz besonders medial verfolgt wurden und die schlichtweg versagt haben. Die nicht einmal normale Trainingsleistungen im Wettkampf wiederholten konnten, geschweige denn annähernd Resultate aus ihrer eigenen Olympiaqualifikation erreichten.

Die Schande der Leichtathleten

Wenn man über die 259 Athleten aus 32 Modalitäten blickt, springt einem die Leichtathletik ins Auge. Was dort Brasilien abgeliefert hat, war mehr als traurig. Nicht eine Medaille konnte errungen werden, lediglich die Marathonläufer erzielten einen Achtungserfolg, der besonderer Erwähnung bedarf. Drei Brasilianer schafften es unter die Top 15, einer belegte sogar einen hervorragenden fünften Platz: der 35-jährige Marilson dos Santos, dem nur drei Minuten zu Gold und weniger als 90 Sekunden für das Podium fehlten.

Doch Ausnahmen bestätigen gewöhnlich die Regel. Zwei Namen definieren in London 2012 des brasilianische Leichtathletik-Debakel: Fabiana Murer und Maureen Maggi. Die eine im Stabhochsprung, die andere im Weitsprung. Murer schaffte in der Qualifikation erst im zweiten Anlauf 4,50 Meter, zu wenig um in einem olympischen Finale um Edelmetall zu kämpfen. Die amtierende Weltmeisterin (4,85m) schob typisch brasilianisch hinterher dem Wind die Schuld in die Schuhe. Und Maggi sprang gerade einmal 6,37 Meter weit. Die Olympiasiegerin von 2008 (7,04m) hatte noch im vergangenen Jahr bei den panamerikanischen Spielen mit 6,94 Meter Gold geholt. Auch für sie war im Olympiastadion von London nach der Qualifikation Schluss.

Die Liste lässt sich durchaus weiterführen, z.B. mit der 4 x 100m Staffel der Frauen. Kam man in Peking mit 43,14 Sekunden noch auf Rang 4, verbesserte man sich in London zwar auf 42,91 Sekunden, belegte am Ende jedoch Rang 7. Brasilien konnte hier also eindeutig nicht an der weltweiten Entwicklung des „immer schnelleren Laufens“ partizipieren. Gleiches war den Männern zu beobachten. Hatten diese vor vier Jahren mit 38,24 Sekunden ebenfalls Rang 4 erreicht, schied man in der britischen Hauptstadt mit 38,35 Sekunden nach dem Vorlauf aus.

Natürlich kann man jetzt sagen, dass Brasilien 2008 ohnehin nur eine Medaille in der Leichtathletik gewonnen hat und damit der Verlust eben jener bei den Spielen in London zu verschmerzen ist. Doch dies widerspricht eben den Leistungen der Athleten im olympischen Zyklus, den Resultaten bei den Qualifikationswettkämpfen und der Förderung, die sie speziell für London 2012 erhielten.

Kosten und Nutzen von Brasilien Olympiatraum 2012

Noch nie war eine Olympiade für Brasilien teurer als die in der britischen Hauptstadt. Umgerechnet 4,5 Millionen Euro hat das Nationale Olympische Komitee ausgegeben: in ganz Europa wurden Trainingslager zur Akklimatisierung abgehalten, zudem wurde in London ein eigenes Trainingszentrum eingerichtet, damit sich alle Athleten perfekt auf ihre Wettkämpfe vorbereiten konnten. Alleine das Zentrum hat 1,3 Millionen Euro verschlungen. Bezahlt wurde alles hauptsächlich durch Gelder der Nationalen Sportförderung. In den vergangenen drei Jahren hat das NOK über 130 Millionen Euro ausgeschüttet bekommen, doppelt so viel wie in den Jahren vor Peking 2008.

Und doch war die Delegation mit 259 Männern und Frauen um 18 Athleten kleiner als vor vier Jahren. Unstrittig ist, dass diese zwei Bronzemedaillen mehr gewinnen konnten als die 277 brasilianischen Sportler vier Jahre zuvor. Ein Betriebswirt würde jetzt jedoch einwerfen, dass jedes zusätzliche Edelmetall in Hinblick auf die immens gestiegene Sporthilfe rund 30 Millionen Euro gekostet hat. Aber darf man die sportlichen Leistungen und finanziellen Aufwendungen überhaupt miteinander verrechnen?

Aber kommen wir einmal zu den positiven Dingen. Brasilien hat die gelbe Trainingskleidung nicht umsonst angeschafft. Denn die war nur für Sportler und Mannschaften gedacht, die es auf das Podium schaffen. Oder Funktionäre. Das Fußvolk ohne Edelmetall oder besonderen Aufgabenbereich musste sich in Standard-Grün kleiden. Deutlich was dies übrigens bei der Abschlussfeier zu sehen. Hinzu kam ein extra Gewand für die Eröffnungszeremonie mit schwarzer Jacke und gelben und grünen Hosen oder Röcken. Modisch schick kamen sie daher. Zumindest Kleidungstechnisch kann man dem „Time Brasil“ – der Mannschaft Brasiliens – keinen Vorwurf machen.

Kampfsportarten legen vor

Auch wenn es am Ende nur 17 Medaillen wurden – es sind doch einige bemerkenswerte darunter. Und da lohnt es sich zunächst, auf den ersten Wettkampftag zu blicken. Gleich zu Beginn sorgte Sarah Menezes für Aufregung, als sie völlig überraschend Gold im Judo (48kg) gewann. Nur wenig später legte Felipe Kitadai bei den Männern (60kg) nach und sicherte dem brasilianischen Judoverband gleich zu Beginn der Spiele das zweite Edelmetall. Ein paar Tage später ging dann Mayra Aguiar (78kg) mit Bronze wieder für die Frauen in Führung, bevor am Folgetag Rafael Silva (100kg) ebenfalls den 3. Platz erkämpfte und so zumindest quantitativ das Medaillenverhältnis der Geschlechter innerhalb der Judoka wieder herstellte.

Neben den vier Medaillen im Judo kamen in London zudem noch zwei Bronze- und eine Silbermedaille im Boxen hinzu, so dass gleich sieben der 17 Medaillen dem Kampfsport zuzuschreiben sind. Doch damit nicht genug. Das Edelmetall bei Boxen wurde von einer Frau und zwei Brüdern gewonnen. Auch das ist mehr als ungewöhnlich und verdient besondere Beachtung. Die 30-jährige Adriana Araújo (60kg) nutzte ihre Chance, boxte sich ins Halbfinale und holte Bronze. Im ersten Boxturnier der Frauen bei Olympia beendete sie damit eine 44-jährige Durststrecke für Brasilien. Zuletzt hatte das größte Land Südamerikas 1968 in Mexiko-City olympisches Edelmetall im Boxen erringen können.

Ein paar Tage später standen dann mit Esquiva Falcão (75kg) auch Yamaguchi Falcão (81kg) zwei Brüder im Halbfinale. Der 22-jährige Esquiva gewann und sicherte sich den Einzug ins Finale, wo er dann jedoch unterlag und mit Silber aus dem Ring stieg. Der zwei Jahre ältere Yamaguchi verlor sofort, hatte jedoch Bronze sicher, da im Boxen kein Kampf um Platz 3 ausgefochten wird.

Medaillen auf und im Wasser

Drei Medaillen für Brasilien sind zudem mit dem Wasser verknüpft. In der olympischen Schwimmhalle holte Thiago Pereira über 400 Meter Lagen Silber, der bisher größte Erfolg in seiner Karriere. Über seine eigentliche Paradestrecke 200 Meter Lagen kam er auf Rang 4, schwamm jedoch 1,5 Sekunden schneller als in Peking 2008 (Rang 4) und fast vier Sekunden schneller als in Athen 2004 (Platz 5).

Die zweite Medaille ging an den amtierenden Olympiasieger über 50 Meter Freistil, Cesar Cielo. Dieser konnte jedoch seinen Titel nicht verteidigen und wurde von der Konkurrenz mit Bronze abgespeist. Über 100 Meter Freistil konnte er ebenfalls seinen 3. Platz von Peking nicht verteidigen und rutschte in diesem Wettbewerb sogar auf Rang 6 ab.

Die letzte Medaille wurde nicht im Wasser errungen, sondern darauf. Aber auch hier mussten sich die amtierenden Olympiasieger Robert Scheidt und Bruno Prada im Segeln der 470er-Klasse der Konkurrenz geschlagen geben. Am Ende wurde es nur Bronze, allerdings stellte Scheidt damit den olympischen Medaillenrekord seines Landsmannes Torben Grael ein und kommt nun auch auf fünfmal Edelmetall bei olympischen Segelwettbewerben.

Das Spiel mit dem Ball

Bei weiteren fünf brasilianischen Medaillen war ein Ball mit im Spiel. Allerdings kein Hand-, Basket-, oder Tennisball, sondern vornehmlich der Volleyball. Während die Volleyball-Frauen ihren Titel in einer Neuauflage des Endspiels von 2008 gegen die USA erfolgreich in 3:1 Sätzen verteidigten, scheiterten die Herren abermals im Finale. Damit gab es in der Halle erneut Gold und Silber zu feiern. Wobei bei den Männern wohl keine Feierstimmung aufkam, hatten sie doch ihr Finale gegen Russland nach zwei Matchbällen im dritten Satz noch mit 2:3 verloren.

Ebenfalls das heiss ersehnte Finale vergeigten die Beach-Volleyballer Alison und Emanuel und mussten die Goldmedaille den Deutschen Julius Brink und Jonas Reckermann überlassen. Nach einem schwachen ersten Satz hatten sie zwar im zweiten Durchgang nochmals in Spiel gefunden, am Ende hatte das deutsche Duo jedoch die besseren Nerven und entschied Runde 3 und damit den Titeltriumph klar für sich.

Bei den Frauen war für Juliana und Larissa bereits im Halbfinale Endstation gewesen. In London machten letztendlich die USA den Olympiasieg unter sich aus, Brasilien war mit China dabei nur noch Zaungast. Allerdings konnten sich die Schmetterköniginnen vom Zuckerhut zumindest im Kampf um Platz noch gegen die Asiatinnen durchsetzen damit Bronze holen.

Noch früher beendet war das Turnier für die brasilianischen Fußball-Frauen. Marta und Co. waren bereits im Viertelfinale an Japan gescheitert und mussten den Traum vom Olympiasieg schon früh begraben. Vor vier Jahren in China war man zumindest noch ins Finale gelangt, dort jedoch an den Erzrivalinnen aus den USA gescheitert.

Die Truppe von Trainer Mano Menezes rund um Jungstar Neymar hingegen hatte die Chance auf dem Fuss, endlich den letzten fehlenden Titel zu gewinnen. Doch auch bei den Männern zeigte die Seleção Nerven und verlor das Finale gegen Mexiko klar mit 1:2 (0:1). Bereits nach 30 Sekunden Spielzeit hatte Brasilien den ersten Gegentreffer gefangen, erneut war die Abwehr die Achillessehne des Kanariengelben. Die Azteken konnten trotz technischer Mängel und deutlich weniger Ballbesitz nach gut einer Stunde auf 2:0 erhöhen, bevor Brasilien in der Nachspielzeit wenigstens noch der wertlose Anschlusstreffer gelang.

Somit blieb der brasilianischen Olympiaauswahl nur Silber, was jedoch gegenüber 2008 schon eine leichte Steigerung darstellt. Vor vier Jahren war man im Halbfinale von Argentinien mit 3:0 vom Platz gefegt worden, später konnte man sich gegen Belgien zumindest noch die Bronzemedaille sichern.

Sensationen, die Hoffnung machen

Auch den Aha-Effekt gab es aus brasilianischer Sicht bei den Olympischen Spielen in London. Die beiden in dieser Zusammenfassung noch fehlenden Medaillen gehören eindeutig in diese Kategorie. Beginnen wollen wir mit dem letzten Wettkampf nur wenige Stunden vor der Abschlussfeier: der moderne Fünfkampf der Frauen. Hier holte überraschend die Brasilianerin Yane Marques die Bronzemedaille. Nach dem Fechten, Schwimmen, Springreiten und der Kombination aus Crosslauf und Schiessen mit der Luftpistole kam sie sensationell als Dritte ins Ziel und versüsste ihrem ganzen Land den Abschied von Olympia.

Bereits Tage zuvor hatte Kunstturner Arthur Zanetti nach einer grandiosen Vorstellung an den Ringen Gold geholt, die wohl herausragendste Medaille für Brasilien in London 2012. Der 22-jährige hatte schon eine überraschend gute Qualifikation hingelegt, was dann jedoch im Finale geschah, war nur schwer zu fassen. Bei dem Wettbewerb, wo nur ein Durchgang alles entscheidet, wo man sich kein Patzer erlauben kann, räumte er das Feld von hinten auf.

Als letzter der acht Teilnehmer zeigte er keinerlei Nerven, präsentierte sich fehlerfrei und wurde dafür mit 15.900 Punkten und dem Olympiasieg belohnt. Der dreifache Weltmeister und amtierende Olympiasieger Yibing Chen aus China musste sich mit Silber zufrieden geben. Für die brasilianischen Kunstturner war es der Erfolg, auf den sie so lange gewartet hatten. Mit drei Athleten waren sie nach London gereist, auch dies war bereits ein Novum gewesen.

Während der noch sehr junge Sergio Sasaki mit einem hervorragenden 10. Platz im Mehrkampf erstmalig international für Aufsehen sorgte, war Doppelweltmeister Diego Hypolito bei seiner Bodenübung nicht nur sprichwörtlich „voll auf die Fresse“ geflogen. Bei einem Sprung knickte er weg und landete mit dem Gesicht nach vorn auf der Matte. Dies bedeutete das Aus in der Qualifikation und wird vermutlich auch als größter Patzer Brasilien bei den Olympischen Spielen in London 2012 in die Geschichte eingehen.

17 Medaillen konnte Brasilien damit auf sich vereinen, wie bereits erwähnt ist dies der 14. Platz – gerechnet nach der Anzahl des Edelmetalls. Siebenmal Edelmetall im Kampfsport, dreimal im Wasser, fünfmal mit dem Ball und zwei Überraschungsmedaillen. Dazu viele Patzer, Enttäuschungen und Fehltritte. Das NOK sieht die 4,5 Millionen Euro teure Mission natürlich als gelungen an, die Medaillenerwartungen seien erfüllt worden. Nun will man gemeinsam mit den Sportverbänden Pläne zu Verbesserung der Leistungen aufstellen und optimale Trainingsbedingungen schaffen, denn das nächste Ziel haben die Verantwortlichen schon festgelegt: bei der Heim-Olympiade 2016 in Rio de Janeiro will man in Hinblick auf die gewonnenen Medaillen unter die Top 10 der Welt kommen.

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AutorIn: Dietmar Lang · Bildquelle: Valterci Santos, Daniel Ramalho, Washington Alves, Alaor Filho (AGIF/COB)

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