Der Pagode ist ein brasilianisches Musik-Genre, welches ebenfalls in der Stadt Salvador seinen Ursprung hat – er stammt aus dem musikalischen Szenario jener Feiern und Feste in den Hinterhöfen, die in der Vorstadt sehr häufig sind. “Pagode“ ist eine verächtliche und vorurteilige Bezeichnung, die dieses Wort angenommen hat.
Tatsächlich ist Pagode kein bestimmter Musikstil, sondern eine Bezeichnung jener historischen Festlichkeiten, die ehemals in den “Senzalas“ (Sklavenquartieren) der Zuckerrohr- und Kaffeeplantagen stattfanden, und die zum Synonym eines jeglichen Festes wurden, das seine Gäste mit Ausgelassenheit, Getränken und Musik erfreute. Der Beweis, dass der Name überhaupt nichts mit dem Rhythmus zu tun hat, ist die Platte “Pagode de Brasília“, aufgenommen von Tião Carreiro im Jahr 1959, deren “Stil“ nicht im entferntesten an irgendwelche Variationen des Samba erinnert. Den Terminus “Pagode“ begann man als Synonym für Samba zu benutzen, weil gewisse Sambistas (Sambaspieler oder –sänger) ihre Feste damit bezeichneten – ihn jedoch niemals als musikalische Stilrichtung propagierten!
Als Pagode bezeichnet man Feste, Zusammentreffen zur Kultivierung der Freundschaften, mit Musik, gutem Essen und Trinken. Er erscheint als Zelebrierung des Samba in der Mitte des 19. Jahrhunderts und festigt sich in Brasilien im 20. Jahrhundert. Und schon viele Jahre vorher beging man solche Feste in Senzalas der Schwarzen Sklaven und in ihren Quilombos (Flucht-Kommunen der Sklaven). Mit ihrer endgültigen Befreiung (1888), und der Ansiedlung der befreiten Sklaven in Brasilien, konsolidiert sich der Pagode mit der Notwendigkeit einer neu zu konstruierenden Identität eines gerade befreiten Volkes – eines Volkes, das jetzt seinem Körper eine andere Funktion vermitteln möchte, als einzig und allein die, ein Instrument der Schwerarbeit zu sein. Deshalb auch jene strikte Verbindung von Musik und Tanz in der aus Afrika stammenden Kultur.
Damals wurde das Fest der Sklaven in den Senzalas als Pagode bezeichnet. Ende der 70er Jahre, in São Paulo, nannte man die Feste in den Häusern oder den suburbanen Hinterhöfen der Paulistas ebenfalls Pagodes – mit viel Bier und viel Samba und viel Swing. Das Wort Pagode im heutigen Sprachgebrauch stammt von den Festen in Favelas und paulistanischen Hinterhöfen, wo die Teilnehmer, Freunde und Nachbarn, sehr viel Sentimentalismus rausliessen (Freude und Trauer). Allerdings wurde dann der Pagode in Rio de Janeiro noch populärer.
Der Samba als solcher erfuhr unterschiedliche Formatierungen im Verlauf mehrerer Jahrzehnte, darunter “Samba de breque“, “Samba-canção“, “Samba-enredo“, “Samba de partido-alto“, “Samba-puladinho“, “Samba sincopado“, “Samba de gafieira“, “Samba de rancho“, “Sambalanço“, “Samba-Rock“, “Samba de roda“ und “Samba-Reggae“.
Und nach den 70er Jahren dann, begann man den Namen Pagode den von Musikgruppen fabrizierten Sambas anzuhängen – in der Regel bei Kompositionen mit romantischer Thematik oder mit improvisierten Versen. Allerdings hätten diese treffender die Bezeichnung “Samba dolente“ und “Partido-alto“ verdient.
In jener Zeit wurden neuartige Instrumente ins Szenario des Samba integriert, besonders von der Gruppe “Fundo do Quintal“: Das “Repique de mão“, kreiert vom Musiker Ubirany, das “Tantã“ (kreiert von dem Musiker und Komponisten Sereno) und das “Banjo mit Ukulele-Arm“ (kreiert von Almir Guineto). Diese neue Instrumentierung führte zur Idee, dass ein neuer Rhythmus entstanden war.
Im Lauf der Zeit integrierte dieses Genre, manchmal, auch Instrumente wie zum Beispiel das Keyboard (wie bei “Parabéns Pra Você“ der Gruppe “Fundo do Quintal“) und in den 90er Jahren bekam der Pagode auch ein kommerziellerer Touch, beeinflusst von anderen Genres, wie R&B und Soul, Samba-Rock, Funk Carioca und Axé-Music – mit grossem Erfolg und hohen Verkaufsquoten.
Der Einfluss ausländischer Musik war nicht nur in der Instrumentierung offensichtlich, sondern auch bei der Wahl der Bekleidung von Interpreten und in der Choreographie (inspiriert an amerikanischen Gruppen, wie “The Temptations“ oder “The Stylistics“).
Nicht nur Gruppen aus Bahia, sondern auch Paulistaner und Cariocas hatten Erfolg – besonders wenn sie einen romantischeren Stil präsentierten. Heute co-existiert dieser kommerzielle Pagode an der Seite des aus der Wurzel stammenden – und beide haben Erfolg in Brasilien.