Orchideen in der Weihnachtsbäckerei

Zuletzt bearbeitet: 20. Dezember 2021

Orchideen in der Weihnachtsbäckerei – Feinschmecker brasilianischer Wild-Vanille auf der Spur. Vanillekipferl sind fester Bestandteil der Weihnachtsbäckerei. Aber woher kommt die Vanille, die in den Kipferln steckt? Wie sieht die Pflanze aus? Nur wenige wissen, dass die Vanille eine Orchidee mit auffälligen gelb-weißen Blüten ist.

Weihnachts Vanille Gebäck – Foto: 5598375 auf Pixabay

In Brasilien wächst sie natürlich in den Wäldern des Landes. 38 Arten der Vanille-Orchidee sind bisher in dem südamerikanischen Land erfasst. Von einigen von ihnen werden die berühmten Vanilleschoten gewonnen. Andere Arten nutzen Einheimische und Indios aber auch als Heilpflanzen bei Husten oder Lungenproblemen.

In keinem anderen Land der Welt gibt es so viele Orchideenarten, wie in Brasilien. Über 3.000 sollen es sein. Die Vielfalt ist enorm. Es gibt Mini-Orchideen, deren Blüten gerade einmal wenige Millimeter messen, und es gibt Giganten, wie die im Amazonas-Regenwald wachsende Warczewiczella amazonica. Deren Blüte kann 20 Zentimeter und mehr messen.

Was die Größe der Blüten betrifft, liegen die Vanille-Orchideen dort irgendwo in der Mitte. Sie nimmt dennoch eine Sonderstellung ein. Statt auf dem Boden oder als Aufsitzerpflanze auf Zweigen und Stämmen zu wachsen, heftet sie sich mit ihren Luftwurzeln am Baumstamm an und erklimmt als Kletterpflanze die Bäume. Je nach Art klettert sie 10, 20, 30 oder noch mehr Meter in die Höhe. Damit sind die Vanille-Orchideen die längsten Orchideen der Welt.

Oben angekommen, beginnen ihre Seitenzweige herabzuhängen. An ihnen bilden sich die Blüten und die in der Parfüm-, Aroma- und Backindustrie so begehrten Samenschoten.

Weltweit zählen etwa 110 Arten zur Gattung Vanilla. Nicht alle davon bilden das typische Vanillearoma in ausreichender Menge, so dass sich eine wirtschaftliche Nutzung rentiert. Tatsächlich werden die Vanilleschoten vor allem von der in Mexiko und Zentralamerika stammenden Art Vanilla planifolia gewonnen. Angebaut wird sie in etlichen tropischen Ländern, allen voran in Madagaskar, dem Hauptproduzenten der weltweit vermarkteten Vanille.

Angebaut wird sie ebenso in Brasilien. Dort vor allem im Bundesstaat Bahia. Brasilien hat sich längst aber auch auf die im eigenen Land natürlich wachsenden Vanille-Arten besonnen. Im Atlas Flora do Brasil sind bisher 38 Orchideenarten der Gattung Vanilla registriert. 20 von ihnen sind endemisch, kommen lediglich in Brasilien natürlich vor. Etwa zehn der brasilianischen Vanille-Arten produzieren aromatische Früchte und haben damit ein wirtschaftliches Potential.

Vanille-Orchidee – Foto: Gabriela Bergmaier Lopes

Studien dazu laufen bereits. Das landwirtschaftliche Forschungsunternehmen Embrapa hat ein eigenes Projekt dazu ins Leben gerufen. Das sieht unter anderem das Aufbereiten von Informationen über die brasilianischen Vanille-Arten vor, das Anlegen einer Samenbank, Studien zur Verbesserung des Anbaus und ebenso die Unterstützung von Kleinbauern.

Vanille in der Bratensoße

Auch die Gastronomie hat die brasilianische Vanille schon entdeckt. Beispiele sind Vanilla pompona und Vanilla bahiana. Bei einer Verköstigung in einem Restaurant in Brasília hat der dänische Chefkoch Simon Lau Cederholm Gerichte mit Zutaten aus dem Cerrado aufgetischt. Eingeladen waren ebenso Forscher der Embrapa.

Sie durften unter anderem aus sieben Vanille-Eissorten ihren Favoriten auswählen. Die meisten Stimmen hat das Eis mit der brasilianischen Vanilla pompona bekommen. Pompona soll zwar weniger süß sein, aber ein fruchtigeres Aroma aufweisen. Die Tester waren jedenfalls begeistert von Pompona.

Nicht nur die kleinen schwarzen Vanillesamen finden Anhänger. Die Gastrologin Claudia Nasser Brumano verwendet ebenso die Schalen der Schoten, die nach dem Auschaben der Samen übrig bleiben. Die Schalen werden zerkleinert und ergeben letztlich eine Paste, die als Basis für Gelee dient oder für eine Bratensoße. Vanille kann schließlich nicht nur für Süßes benutzt werden, sondern auch für Herzhaftes wie Braten oder Fisch, befindet Nasser.

Herausgefunden hat sie ebenso, dass ähnlich wie beim Wein auch bei der Vanille der Ort des Anbaus eine Rolle zu spielen scheint. Der Geschmack der Vanilla pompona hängt laut ihren Tests nicht nur von der Weise ab, wie die Schoten haltbar gemacht werden, sondern auch davon wo sie wachsen, so die Gastrologin.

Claudia Nasser Brumano sammelt seit Jahren traditionelles Wissen und eigene Erfahrungen mit brasilianischer Vanille. Den Vanillesorten des Cerrados und deren Geschichte hat sie eine umfangreiche Studienarbeit gewidmet.

Herausgefunden hat sie dabei, dass in Goiás noch in vielen Gärten Vanille des Cerrados angepflanzt und genutzt wird. Die Nutzung beschränkt sich dabei nicht nur auf die Nahrung. Vielmehr verwendet die Lokalbevölkerung ebenso einen aus den Schoten gewonnen Sirup oder Tee als Hustensaft oder bei Lungenproblemen.

Noch lebendig ist die überbrachte Nutzung der heimischen Vanille auch im Quilombo Kalunga, in der Nähe von Goiás. Dort wird vor allem Vanilla bahiana, Vanilla pompona und Vanilla mexicana angebaut und auf nahegelegenen Märkten verkauft.

Auch die Slowfood-Bewegung hat die brasilianische Vanille entdeckt. Beim “Ark of Taste“, der in Vergessenheit geratene, traditionelle Nahrungsmittel gewidmet ist, wird Vanilla edwallii als “Cerrado Kalunga Vanilla“ aufgeführt. Wegen ihrer dicken Schoten wird diese auch “baunilha banana“, Bananen-Vanille genannt.

Forscher bescheinigen brasilianischer Vanille Resistenz gegenüber Klimawandel

Die Vanille-Orchideen wachsen aber nicht nur in der brasilianischen Savanne Cerrado. Vielmehr sind sie in beinahe allen Regionen Brasiliens zu finden. Selbst in der Trockensteppe Caatinga haben die Forscher drei Vanille-Arten ausgemacht.

Die meisten Arten klettern jedoch an den Bäumen des Atlantischen Regenwaldes hinauf. Laut Luciano Bianchetti vom Forschungsunternehmen Embrapa beherbergt der Atlantische Regenwald gleich 19 verschiedene Vanille-Arten. Im Amazonas-Regenwald sind es 18.

Vanille-Orchidee1 – Foto: Gabriela Bergmaier Lopes

Eine der Vanille-Orchideen des Atlantischen Regenwaldes ist Vanilla chamissonis. Sie kann 30 Meter und noch höhere Bäume erklimmen. Ihre Früchte sind erst 1946 von Othon Machado im Magazin des Botanischen Gartens Rio de Janeiros beschrieben worden.

“Auf einer Murici haben wir eine beispielhafte Fruchtblüte der betreffenden Vanille gesammelt, die sich sowohl durch ihre Entwicklung als auch durch die Größe der Früchte und auch durch den herrlichen Duft der Blüten auszeichnet“, so der Biologe.

In freier Natur sind die Blüten allerdings nur selten aus der Nähe zu sehen, weil sie sich hoch oben in luftiger Höhe befinden. Bricht ein Zweig unter dem Gewicht der Aufsitzerpflanzen oder weil er morsch ist, kann es aber passieren, dass mit ihm auch ein Blütenstand der Vanille-Orchidee zu Boden kommt. Dann können die bis zu acht Zentimeter großen Vanille-Blüten mit ihrem zart süßen Duft auch vom Spaziergänger ganz aus der Nähe genossen werden.

Auch die Schoten der Vanilla chamissonis sind größer, als die der im Handel üblich erhältlichen dünnen Vanilleschoten. Verschiedene Studien beschäftigen sich bereits damit, wie sie am Besten angebaut werden kann.

Vanille-Anbau im Regenwald

Vanille-Orchideen wachsen zwar schnell und bilden in der Regel schon nach zwei bis drei Jahren Blüten und Samenschoten. Die Produktion der Vanille ist dennoch nicht einfach. Weil die Blüten nur wenige Stunden offen sind, bevor sie welken, müssen sie für eine rentable Produktion von Hand bestäubt werden. Bis sich dann die Samenkapseln, die Schoten, bilden und reifen vergehen Wochen bis Monate. Bei einigen Arten kann dies bis zu zehn Monate in Anspruch nehmen.

Nach der Ernte schließt sich ein weiterer, aufwendiger Prozess zur Fermentierung und Bindung des Aromas an. Auch der kann mehrere Monate dauern. Die Samenschoten werden in der Sonne getrocknet und dann im Schatten dem Reifungsprozess unterzogen.

Dem schließt sich die Fermentierung an, durch die die Schoten ihre dunkelbraune Farbe erhalten. Mancherorts werden die Schoten vorab ebenso für Sekunden in heisses Wasser getaucht und später in Zuckerlösungen oder Honig eingelegt. Die „cura“, wie der Haltbarmachungsprozess in Brasilien genannt wird, ist in dem südamerikanischen Land von Region zu Region unterschiedlich. Oft wird dabei auf traditionell überliefertes Wissen zurückgeriffen.

Gegenüber den bisher am stärksten kommerziell genutzten Vanille-Arten bieten die brasilianischen Arten einige Vorteile. Die unterschiedlichen Arten sind bereits an das jeweilige Klima der diversen Regionen des Landes angepasst. Damit wachsen sie schneller und gesünder. Sie sind robuster und weniger anfällig für Krankheiten, als ihr berühmter Verwandter aus Mexiko, wie die Forscher herausgefunden haben.

Embrapa-Forscher Luciano Bianchetti bescheinigt Vanilla odorata darüber hinaus eine Resistenz gegenüber Trockenheit und gleichzeitig gegenüber kurzfristigen Überschwemmungen. Auch Vanilla pompona soll den Folgen des Klimawandels besser gewachsen sein. Sie weist zudem einen hohen Gehalt an Vanillin auf.

Die brasilianische Vanille hat aber noch einen Vorteil. Sie muss nicht in Monokulturen angebaut werden, sondern kann auch im Wald, in Gemeinschaft mit anderen Kulturen gezogen werden, ohne dass dafür ein Baum gefällt werden muss. In Brasilien wird das auf die indigenen Völker zurückgehende System der Wald-Landwirtschaft als “Agrofloresta“ bezeichnet.

Vor allem Kleinlandwirte nutzen dieses Mischsystem für den Anbau verschiedener Gemüsesorten im Konsortium mit den Schatten und Mulchschicht spendenden Bäumen. Für sie könnte die Vanille eine zusätzliche Einnahmequelle bieten. Auf dem Weltmarkt entspricht der Preis der Vanille immerhin dem Preis von Silber.

Vanille-Orchideen – Foto: Gabriela Bergmaier Lopes

Auf den Einsatz von Chemie wird bei der Agrofloresta in der Regel verzichtet. Statt künstlichem Dünger sorgen die Bäume mit ihren Blättern für nährstoffreichen Humus. Produziert werden könnte auf diese Weise deshalb Bio-Vanille. Der Anbau heimischer Vanille-Arten im Wald wäre zudem auch ein Beitrag zur Bio-Ökonomie und zum Schutz des Amazonas-Regenwaldes und der Atlantische Regenwaldes, weil der Wald erhalten wird.

Damit die Schoten leichter zu ernten sind, wird die Orchidee dabei an etwa zwei Meter hohen Stämmen gezogen. Im Amazonas-Regenwald gibt es dazu bereits Beispiele.

Aber nicht nur wir Menschen sind von den Vanille-Orchideen begeistert. Ihre Schoten und deren süßlicher Geschmack ziehen ebenso verschiedene Affenarten und Vögel an, die sich mit ihnen eine natürliche Nachspeise gönnen.

Die Blüten wiederum ziehen Bienen und andere Insekten an. Darüber, welche Insekten vor allem für die Bestäubung der Vanille-Arten verantwortlich sind, gibt es bisher jedoch kaum Studien.

Zuversichtlich sind die Forscher indes, was den Anbau der brasilianischen Vanille-Arten angeht. Wer weiß, vielleicht schaffen die brasilianische Cerrado-Vanille, Pompona oder Chamissonis schon in naher Zukunft den Rang einer Bourbon-Vanille und landen in den Vanillekipferln der Weihnachtsbäckerei.

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AutorIn: Gabriela Bergmaier Lopes

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