Verpackungen aller Art und Grössen, sowie alle Arten von Werbematerial kann man wieder aus “Müll“ verwerten und in erstaunlich kreative Produkte verwandeln, wie Handtaschen, Brieftaschen, Necessaires, Hefte und Bilderrahmen – die Möglichkeiten sind endlos, man muss nur Ideen haben.
Und die scheinen den Kunsthandwerkern der “Oficina Toque de Mão“ (Handarbeitswerkstatt) so schnell nicht auszugehen – und diese Ideen stehen sozusagen im Gegensatz zum Verhalten der Wegwerfgesellschaft. Vom “Recycling“ haben wir alle schon mal gehört – aber wissen Sie, was “up-cycling“ ist? Darunter versteht man die Wiederverwendung von Materialien, deren Dekompostierung schwierig oder gar unmöglich ist – eine Wiederverwendung ohne chemische Behandlung. Darauf hat sich die Gruppe “Toque de Mão“ spezialisiert, die vom “Institut Marquês de Salamanca“ in Santa Teresa unterstützt wird. Mônica Ribeiro, Psychologin und Koordinatorin der Werkstatt seit sechs Jahren, berichtet: “Die Gruppe besteht aus sechs Frauen aus minderbemittelten Kommunen dieses Stadtteils, die simple Materialien von hoher Dauerhaftigkeit, die in den Müll wandern würden, in Taschen, Mappen, Laptop-Cases und viele andere Dinge des täglichen Bedarfs verwandeln“.
Die Werbebanner, deren Daten abgelaufen sind, kommen in grossen Rollen an, sie werden zerschnitten und erwachen zu neuem Leben. Kein noch so kleines Stückchen wird weggeworfen. Die hässlichsten Teile – mit ausgebleichten Farben oder zerdrückt – werden für das Futter benutzt, und die intakten Teile als superkreative Aufdrucke verarbeitet. In der Werkstatt arbeitet man auch mit Wiederbenutzung von Pappe und Stoffstücken. “Wir legen vor allem Wert auf Bedruckungen, die mit Rio de Janeiro zutun haben – die sind ein Hit bei den Ausländern. Aber der grösste Teil unserer Arbeit betrifft die Werbegeschenke, die wir für grosse Unternehmen anfertigen“, erzählt die Kunsthandwerkerin Ver Lúcia Amorim, 48 Jahre alt.
Für Mônica ist es eine befriedigende Arbeit, die weit mehr ist als nur Selbsterhaltung. Wie sie erzählt, ist es eine dankbare Aufgabe, beobachten zu können, wie das Selbstwertgefühl der Frauen sich wieder neu aufbaut. “Heute fühle ich mich als Künstlerin“, sagt Alcidéia Estevão, Kunsthandwerkerin. Vilma Souze, 53 Jahre alt, feiert den Erhalt ihres Führerscheins. Und diese neue Art von Kunsthandwerk ist dabei, jede einzelnen Lebensgeschichte dieser Künstlerinnen neu zu gestalten – ihre Kunst, Müll in Mode zu verwandeln, hat auch die Aufmerksamkeit der Geschäftsleute geweckt, denen die Initiative der “Oficina Toque de Mão“ gefiel, und die anfingen, ihre Produkte zu vertreiben. So zum Beispiel das Designer-Geschäft “Mutações Consumo Sustentável“, im Stadtteil Humaitá. “Das sind exklusive Produkte mit Qualität, und jedes einzelne hat eine Geschichte. Man muss dem Wert beimessen“, hebt Mariana Sivieri Arruda hervor, Partnerin von “Mutações“ an der Seite von Julia Merquior.
Eine andere interessante Initiative des “Up-cycling“ ist die der “TerraCycle“. Das Unternehmen agiert seit einem Jahr in Brasilien und organisiert Sammel-Programme, die sowohl individuell als auch gesponsert von Unternehmen wie Kraft Foods, Nestlé und Pepsi Cola durchgeführt werden. Verpackungen von Schokolade, Salzgebäck und Säften werden, anstatt in einer Müllhalde zu landen, eingesammelt und neu verarbeitet – zum Beispiel in Wanduhren, Bilderrahmen, Taschen und sogar als Fussbälle. Seit dem Jahr 2001 wurden 18.700.200 Verpackungen gesammelt und verarbeitet – verkauft wurden 350.000 neu gestaltete Gebrauchsgegenstände. Die werden geschaffen von Näherinnen-Kooperativen, GNOs und Unternehmen, die sich dafür einsetzen. Man kann die Ergebnisse im E-Commerce von Walmart, Gift Express und Greenvana kaufen.
Um bei dem Projekt mitzuwirken, braucht man sich nur auf der Site “TerraCycle Brasil“ zu registrieren und eine Gruppe zu gründen, die sich auf das Sammeln irgendeinen Typs von Verpackung konzentriert – den so genannten “gesponserten Müll“. Jedwede Person kann mitmachen, die Arbeitskollegen, Schüler, Studenten, Familie und Freunde zum Mitmachen in ihrem Team einlädt. GNOs, Unternehmen und Institutionen sind ebenfalls willkommen. “Wir bezahlen 2 Centavos (1 Cent) pro eingesammelte Verpackung, und wir tragen auch die Kosten via Postversand. Die Gesamtsumme aus der Sammlung wird an eine gemeinnützige Organisation ohne finanzielle Interessen überwiesen, die von jeder Gruppe bei Registrierung ausgesucht werden kann“, erklärt Guilherme Brammer, Präsident der Organisation in Brasilien.
Heute sind es mehr als 1.900 Gruppen, die sich bei Terra Cycle eingeschrieben haben, mit zirka 142.403 Personen aus allen Teilen Brasiliens. Bisher haben sie ein Gesamt von zirka 30.000 Reais zusammengebracht, die an unterschiedliche Institutionen verteilt wurden. Rio de Janeiro kann auf 120 Sammelbrigaden rechnen, mit 5.245 Personen, und einer Beteiligung, die 18.720 Verpackungen übersteigt. “Es gelingt uns zu zeigen, dass es ein bewussteres Konsumverhalten gibt, und die Menschen fangen an, sich dafür zu interessieren. Auch die nationale Politik der soliden Abfälle zwingt die Unternehmen, gegenüber der Gesellschaft Lösungen für den von ihnen produzierten Müll zu präsentieren. Deshalb sind unsere Erwartungen eines Wachstums bis 2013 sehr gross“, erklärt Brammer. Wie der Poet Edson Marques in seinem Buch bereits bemerkte: “Ändere Dich, aber beginne langsam, denn die Richtung ist wichtiger als die Geschwindigkeit“!