DIE ZWEITGRÖSSTE VEGETATIONS-FORMATION BRASILIENS
Die ausgedehnte Zentralregion Brasiliens setzt sich aus einem Mosaik recht heterogener Vegetationsformen, Böden, Klimata und Topografie zusammen. Der „Cerrado“ stellt die zweitgrösste vegetative Formation Brasiliens dar – nur übertroffen vom Amazonas-Regenwald. Er erstreckt sich auf 2 Millionen Quadratkilometern über 10 Bundesstaaten oder 23,1% des brasilianischen Territoriums. Der Cerrado ist eine tropische Savannenlandschaft, in der die Gras- und Krautvegetation mit mehr als 420 Baum- und Buscharten koexistiert. Der Boden, alt und tief, sauer und von geringer Fruchtbarkeit, enthält grosse Mengen an Eisen und Aluminium.
Typisch für dieses Ökosystem sind seine unterschiedlichen Landschaften, in der im wesentlichen fünf unterschiedliche Biotope vorherrschen: der so genannte „Cerradão“ – mit hohen Bäumen, mit grösserer Vegetationsdichte und unterschiedlicher Komposition) – der herkömmliche „Cerrado“ Zentralbrasiliens – mit niedrigen, verkrüppelten und vereinzelten Bäumen – der „Campo Cerrado“, der Campo Sujo“ und der „Campo Limpo“ – mit einem progressiven Rückgang der Baumbestandsdichte. Entlang der Flüsse gibt es Waldbestände, die als Galeriewälder oder „Matas Ciliares“ bezeichnet werden. Die Heterogenität umfasst auch viele Gruppen von Säugetieren und Wirbellosen, ausserdem eine signifikante Vielfalt von Mikroorganismen, wie zum Beispiel Pilze in Lebensgemeinschaft mit regionalen Pflanzen.
Die Tatsache, dass der Cerrado von drei der grössten hydrografischen Becken Südamerikas (Tocantins, São Francisco und Prata) durchquert wird, begünstigt seinen Schutz und die Erhaltung einer überraschenden Biodiversität. Man schätzt, dass die Flora der Region mindestens 10.000 unterschiedliche Arten aufzuweisen hat – viele davon finden zur Produktion von Gerbstoffen, Fasern, Ölen, Kunsthandwerk und als Heil- und Lebensmittel Verwendung.
Und die Fauna präsentiert 759 Vogelarten, die sich im Cerrado reproduzieren, 180 Reptilienarten, 195 Säugetiere – davon 30 Arten von Fledermäusen, die man in diesem Gebiet registriert hat! Die Zahl der Insekten ist noch gewaltiger: Allein im Regierungsdistrikt von Brasília fand man 90 verschiedene Termitenarten, 1.000 Schmetterlingsarten und 500 unterschiedliche Bienen und Wespen.
Der Cerrado hat ein tropisches Klima mit einer ausgeprägten jährlichen Trockenperiode. Seine Topografie wechselt zwischen eben und leicht gewellt, was die mechanisierte Landwirtschaft und die Bewässerung begünstigt. Studien weisen darauf hin, dass lediglich noch 20% des Cerrado ihre native Vegetation in einem relativ intakten Zustand erhalten konnten.
Bedrohungen – Die expandierende Landwirtschaft
Nach dem Atlantischen Regenwald gehört der Cerrado zu jenen brasilianischen Ökosystemen, welche mit der humanen Besetzung die meisten Veränderungen haben hinnehmen müssen. Einer der schwersten ambientalen Schocks in dieser Region wurde durch Goldsucher verursacht, sie verseuchten die Flüsse mit Quecksilber und verursachten zahllose Staus derselben. Die von ihnen verursachte Erosion war gewaltig, und in verschiedenen Fällen machte sie sogar die Extraktion des Goldes am Unterlauf derselben Flüsse unmöglich. In den letzten Jahren haben sich jedoch ausbreitende Landwirtschaft und Viehzucht zu den grössten Risikofaktoren für den Cerrado entwickelt.
Die zwei grössten Bedrohungen der Biodiversität im Cerrado gehen von den folgenden zwei wirtschaftlichen Aktivitäten aus:
Der intensiven Korn-Monokultur und der extensiven Viehzucht mit geringer Technologie. Die Anwendung von Techniken intensiver Bodennutzung hat, schon vor Jahren, zu einem Versiegen der lokalen Ressourcen geführt. Der unkontrollierte Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Kunstdünger hat den Boden und das Wasser ebenfalls verseucht. Die wenigen noch vorhandenen Abschnitte mit unveräderter nativer Vegetation des Cerrado müssen als vordringlich betrachtet werden, um sie als Schutzgebiete zu erhalten, besonders auch deshalb, weil erst 0,85% dieses Ökosystems überhaupt in Schutzgebiete verwandelt worden sind.
Das Problem des Cerrado beschränkt sich allerdings nicht nur auf jene geringe Anzahl von Schutzgebieten oder die illegale Jagd – sie allein wären bereits Grund genug zur Sorge. Das grössere Problem hat seine Wurzeln in der laschen Landwirtschaftspolitik, der unkontrollierten Mineralienförderung und im rasanten Wachstum der Bevölkerung. Historisch gesehen, haben sich die Ausbreitung von Landwirtschaft und Viehzucht, sowie die Mineralienförderung als ausbeuterische Modelle erwiesen. Die Besetzung der Region ist wünschenswert, wenn sie auf rationale Art und Weise geschieht.
Die Zerstörung und Fragmentierung von Biotopen sind die grösste Bedrohung für die Integrierung dieses Ökosystems: 60% des gesamten Gebietes sind von Landwirtschaft und Viehzucht vereinnahmt und 6% für die Sojaproduktion. De facto wurden zirka 80% des Cerrado bereits durch den Menschen verändert – wegen der landwirtschaftlichen und urbanen Expansion, sowie dem Strassenbau – etwa 40% haben teilweise ihre originalen Charakteristika bewahrt, andere 40% haben diese vollständig eingebüsst. Lediglich 15% entsprechen noch Arealen, in denen sich die native Vegetation noch in gutem Zustand befindet.
Kuriositäten des Cerrado
- Die vom Cerrado beanspruchte Fläche entspricht der von Spanien, Frankreich, Deutschland, Italien und England zusammengenommen!
- Die Zahl der Insekten im Cerrado-Gebiet ist überwältigend: Allein im Gebiet des Regierungsdistrikts Brasília gibt es 90 Termitenarten, 1.000 Arten von Schmetterlingen und 500 unterschiedliche Arten von Wespen und Bienen.
- Im Unterschied zu Amazonien, dem Atlantischen Regenwald oder dem Pantanal, hat der Cerrado in der brasilianischen Verfassung nicht den Status „Nationales Erbe“ erhalten, und das macht die Erhaltung seiner Biodiversität zu einer noch schwierigeren Aufgabe.
- Zirka 80% der in Brasilien verbrauchten Holzkohle stammt von den Bäumen des Cerrado.
- Der Cerrado ist eine besondere Region: Er vereint eine reiche Biodiversität mit einem relativ trockenen Eindruck, welcher durch den nährstoffarmen, sauren Boden entsteht und durch seine einzigen beiden Jahreszyklen: Trocken- und Regenperiode.
- Obwohl er ein erst wenig studiertes Ökosystem ist, weiss man, dass der Cerrado zu den Regionen mit der grössten Biodiversität des Planeten gehört – mit einem signifikanten Grad von Endemismus (Arten, die nur in diesem Ökosystem existieren).
- Von den 837 Vogelarten, die man im Cerrado registriert hat, reproduzieren sich 759 in derselben Region – der Rest sind Zugvögel.
- Man bezeichnet den Cerrado auch als „Wiege der Gewässer“, denn er bringt Quellen bedeutender hydrografischer Becken Südamerikas hervor: des Rio Prata, verschiedener Amazonaszuflüsse und des São Francisco.
- Die Besetzung des Cerrado begann im 18. Jahrhundert mit der Suche nach Bodenschätzen und entwickelte sich schnell zu einem intensiven Ausbeutungszyklus.
Sehenswertes im Ökosystem Cerrado
- Chapada Diamantina (BA)
- Chapada dos Veadeiros (GO)
- Emas Nationalpark (GO)
- Jalapão/ (TO)
- Serra da Canastra (MG)