Iyara

Zuletzt bearbeitet: 16. Dezember 2012

Die Chronisten des 16. und 17. Jahrhunderts haben diese Geschichte aufgezeichnet. Anfangs war diese Figur maskulin und nannte sich “Ipupiara“ – der Fisch-Mann, der die Fischer zum Grund des Gewässers hinab zog und dort verschlang. Im 18. Jahrhundert wird er auf einmal zur verführerischen Nixe “Uiara“ oder “Iyara“.

Jeder brasilianische Fischer des Süss- oder Salzwassers erzählt die Geschichten von jungen Männern, die der Attraktivität der schönen Iyara erlagen und um ihrer eigenen Unvorsichtigkeit willen ertranken. Hier die ganze Geschichte – gemischt mit europäischen und brasilianischen Elementen:

Das junge Tupi-Mädchen “Iyara“ war weit über die Grenzen ihres Volkes hinaus als aussergewöhnliche Schönheit bekannt – die berühmteste Indianerin aller Stämme, welche entlang des Rio Amazonas lebten. Alle Tiere und Pflanzen liebten sie. Gegenüber ihren männlichen Bewunderern verhielt sie sich allerdings kühl und zurückhaltend.

An einem Sommerabend, die Sonne war gerade untergegangen und Iyara nahm ein Bad im Fluss, als sie von einer Gruppe fremder Männer überrascht wurde. Eine Flucht war nicht möglich, die Männer ergriffen und knebelten sie. Ihr schwanden die Sinne – sie wurde vergewaltigt und dann in den Fluss geworfen. Die Wassergeister verwandelten Iyara in ein Doppelwesen: Ihr Körper oberhalb der Gürtellinie verblieb human, der untere Teil wurde zum Fisch.

Yara verwandelte sich in eine Wassernixe, deren lieblicher Gesang die Männer anlockt – unwiderstehlich. Wenn sie sich dieser wunderschönen Kreatur nähern, sind sie plötzlich wie gelähmt – Iyara umarmt sie und zieht sie hinab auf den Grund des Gewässers, von dem sie niemals wieder zurückkommen.

Sie verlässt ihre Wohnstatt auf dem Grund des Wassers am späten Nachmittag und erscheint ihrem Opfer wie eine Göttin, die plötzlich über dem Wasserspiegel auftaucht: Halb Weib und halb Fisch – mit langen, schwarzen Haaren, in denen rote Blüten schimmern. Manchmal nimmt sie auch eine vollkommene Menschengestalt an, um nach Opfern zu suchen.

Wenn die “Mutter des Wassers“ – so wird sie auch genannt – anfängt zu singen, hypnotisiert sie die Fischer. Einer von ihnen war einst der Indio Tapuia. Während er fischte, erschien ihm plötzlich die Göttin – er widerstand – packte sein Paddel und suchte sein Heil in der Flucht – dann versteckte er sich in seinem Dorf. Aber die Verzauberung seiner Augen und Ohren liessen das Erlebnis nicht vergessen – Tag und Nacht stand das Bild Iyaras vor seinen Augen und ihre betörende Stimme vertrieb seinen Schlaf.

Eines Nachmittags – halbtot vor Sehnsucht – verliess er sein Dorf und lenkte sein Kanu den Fluss hinab. Iyara erwartete ihn bereits und stimmte den Hochzeitsgesang an. Tapuia warf sich in den Fluss und tauchte unter, getragen von den Armen seiner Braut. Einige Leute sagen, dass man in jener Nacht die Hochzeit der Beiden gefeiert habe und sie für immer glücklich vereint gelebt hätten – die andern behaupten, dass bereits in der darauf folgenden Woche die unersättliche Iyara wieder an der Oberfläche erschien, um ihr nächstes Opfer zu holen.

Herkunft: Europäisch, mit indigenen Zusätzen aus Amazonien.

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