Das exklusive brasilianisches Biom Caatinga ist noch wenig erforscht und den Brasilianern selbst unbekannt. Fast die Hälfte seiner Fläche ist bereits entwaldet worden.
Obwohl es das einzige, exklusiv brasilianische Biom ist und wegen seiner Biodiversifikation zu den bedeutendsten halbtrockenen Gebieten unseres Planeten gehört, ist die so genannte “Caatinga“ immer noch wenig erforscht und wird zunehmend zerstört. Der “Nationaltag der Caatinga“ (am 28. April) ist eingerichtet worden, um über die Notwendigkeit nachzudenken, dieses Naturerbe zu erhalten. Es sind nur noch wenige Restflächen der originalen Caatinga erhalten, und viele der Spezies, die sich in ihnen verbergen, sind vom Aussterben bedroht.
Die Caatinga vereinnahmt zirka 10% des brasilianischen Territoriums, etwa 845.000 km2. Das Gebiet erstreckt sich auf 10 Bundesstaaten: Maranhão, Piauí, Ceará, Rio Grande do Norte, Paraíba, Pernambuco, Sergipe, Alagoas, Bahia und den Norden von Minas Gerais.
Nach Professor Tabarelli von der “Universidade Federal de Pernambuco“ (UFPE) und Consultor der “Stiftungsgruppe Botanik und Naturschutz“, werden Reichtum und Schönheit des Bioms immer noch von der Nation ignoriert. “Die Caatinga ist das hässliche Entlein der brasilianischen Ökosysteme. Es ist der brasilianischen Bevölkerung kaum bekannt und, darüber hinaus, haftet an ihm auch noch das Stigma, eine in allen Aspekten arme Region zu sein“, bemerkt er.
Dieses Biom ist typisch für halbtrockene Gebiete – widerstandsfähig gegen Trockenperioden und reich an natürlichen Ressourcen. Nach Daten der UFPE befindet es sich in einer der bevölkerungsreichsten halbtrockenen Regionen der Erde und einer der wirtschaftlich bedürftigsten Gebiete des Landes, mit annähernd 28 Millionen Einwohnern. Vor dieser Situation des Elends und durch eine fehlende sozialpolitische Initiative, sieht sich die Bevölkerung gezwungen, auf die natürlichen Ressourcen ihres Umfeldes zurückzugreifen, in unkontrollierter und naturschädigender Art und Weise. Diese irrationale Form der Ausbeutung hat zu profunden ambientalen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen geführt.
“Heute ist fast die Hälfte der Caatinga-Region abgeholzt. Daraus erwachsen uns zwei schwerwiegende Konsequenzen: Der Prozess einer Verwüstung des Bioms wird beschleunigt und, mit der Degradierung des Bodens und der Flora, entsteht eine signifikante Zunahme des Ausstosses von Kohlendioxyd in die Atmosphäre“, bestätigt ein Biologe und Exekutiv-Sekretär der “Associação Caatinga“.
Das Ökosystem präsentiert eine Vegetation vom Typ Savanne, dazwischen niedrige Bäume und Büsche, sowie die verschiedenen Kakteenarten – typisch für trockene Gebiete. Nach Ansicht des Biologen könnte diese Region Gewinn abwerfen, wenn man sie schützen würde. “Hier gibt es, zum Beispiel, eine enorme Anzahl medizinisch interessanter Pflanzenarten mit Substanzen, die viele unserer Krankheiten heilen könnten. Und ausser dem therapeutischen Potenzial ist die Caatinga die Region einer grossen kulturellen Produktion, mit Folklore und Literatur. Zahlreiche Autoren und Akteure wurden und werden noch inspiriert von der Caatinga. Obwohl sie also eine reiche Wissensquelle darstellt, wird sie kaum studiert und wenig beachtet“.
Daten von Professor Tabarelli geben an, dass inzwischen bereits 43% der originalen Decke der Caatinga verloren gegangen sind, und lediglich 1,3% ihrer Fläche unter Naturschutz stehen. Daten des “Instituts Chico Mendes zur Erhaltung der Biodiversifikation“ (ICMBio) deuten an, dass 40% der Region bisher noch nicht studiert worden sind.
Studien des Biologen Costa zum Beispiel, deuten an, dass bis 2010 die halbtrockenen Regionen es waren, die von der zunehmenden Abholzung am meisten geschädigt wurden, wegen des Wassermangels in diesem Gebiet.
“In diesen Gebieten gibt es von Natur aus bereits eine grosse Wasserverdunstung (hydrisches Defizit) und mit diesem Besorgnis erregenden Szenario wird sich der Wassermangel noch verschlimmern, und das Überleben des Menschen, der Fauna und Flora in diesem Ökosystem wird nur noch komplizierter“.
Im Gegensatz zu dem, was die geringe Bevölkerungszahl anzudeuten scheint, verfügt die Caatinga über eine reichhaltige Fauna an Vögeln (510 Arten), mit Dutzenden von Fischarten (241) und auch diversen Säugetierarten (178). Ein paar Beispiel sind der Teju (Tupinambis tequxim), der Puma (Puma concolor), der Vogel Araripepipra (Antilophia bokermanni), das Bergmeerschweinchen (Kerodon rupestris) und das Gürteltier (Tolypeutes tricinctus). Auch der Spix-Ara (Cyanopsitta spixii) lebte einst in der Caatinga, wurde aber bereits ausgerottet.
In den letzten Jahren wurde das Caatinga-Biom als bedeutende Region endemischer Vögel Südamerikas bezeichnet. Von den dort lebenden 510 Arten sind 23 endemisch – das heisst, sie kommen nur in diesem Lebensraum vor – aber die meisten dieser Spezies sind bereits im Roten Buch der brasilianischen Fauna aufgelistet als von der Ausrottung bedrohte Arten. Unter diesen bedrohten Arten ist der blaue Lear-Ara (Anodorhynchus leari) ein besonders kritischer Fall.
Im Zusammenhang mit den Aktionen für den Erhalt des Bioms weist Professor Tabarelli auf die Notwendigkeit hin, Diskussionen über die Caatinga anzuregen, ihre Charakteristika öffentlichen Organen, Akademien und der Gesellschaft zu erklären, und die Forschung in diesem Ökosystem zu stimulieren. Der Biologe Costa stimmt zu, dass es einer grösseren Verbreitung über das Biom bedarf und sagt, dass bereits eine öffentliche Mobilisierung im Namen der Caatinga-Fauna zu spüren sei.
“Die Bevölkerung hat eine Mobilisierung hinsichtlich der Erhaltung bestimmter Spezies, zusammen mit NGOs und Vereinen gezeigt. Ein Beispiel dafür war die Idee, das Gürteltier zum Maskottchen der WM 2014 zu wählen. Die Aktion war eine Initiative der “Associação Caatinga“, die die volle Unterstützung der Bevölkerung hatte, um Erfolg zu haben. Wir haben eine lebendige Internet-Kampagne im Januar vergangenen Jahres gestartet, in der wir die Notwendigkeit aufzeigten, die Abholzung zu denunzieren und das Biom in seinem Gesamt zu präsentieren. Dank des Echos beim Publikum hat die Fifa die Idee akzeptiert“, berichtet Costa.
Unter anderen Projekten, welche von der “Associação Caatinga“ promoviert werden, um das Biom zu erhalten, befindet sich auch die Kampagne “Caatinga e Cerrado, patrimônio nacional já!” (Caatinga und Cerrado – sofort zum Nationalerbe erklären) – eine entsprechende Petition kann auf der Site unterzeichnet werden!
Costa erinnert daran, dass es keiner grossartigen Aktionen bedarf, um ein Biom “das Brasilien repräsentiert“ zu erhalten. Nicht abholzen, die Arten besser kennenlernen und Organe zu denunzieren, die sich der Verbrechen an der Umwelt schuldig machen, sind bereits Initiativen einer grossen Beteiligung.
Tabarelli fügt hinzu, dass es auch einer gewissen Agilität bedarf, dieses Naturerbe zu bewahren. “Die Caatinga enthält eine reiche Biovielfalt und eine bedeutende Wirtschaftsquelle für die Millionen von Bewohnern der halbtrockenen Region. Was fehlt, sind lediglich mehr Aktionen, damit dieses wertvolle Biom nicht weiter ignoriert und degradiert wird“, sagt er.