Krahô

Zuletzt bearbeitet: 3. Dezember 2020

In den zwei Jahrhunderten ihres Kontakts mit den Weissen hat das Indiovolk der Krahô viele Wendungen und Umkehrungen in ihrem Leben erfahren müssen: einmal Verbündete der Fazendeiros – ein anderes Mal von ihnen massakriert (1940); in den 50er Jahren folgten sie einem Propheten, der versprochen hatte, sie in Zivilisierte zu verwandeln, und 1986 klammerten sie sich an einen Anspruch, der das genaue Gegenteil bewirken sollte – ihre Bestätigung als eingeborene Ethnie:

Krahô

Andere Namen: Mehim, Mãkrare, Quenpokrare
Sprache: Timbira Oriental aus der Jê-Familie
Population: 2.463 (2010)
Region: Nordosten des Bundesstaates Tocantins
INHALTSVERZEICHNIS
Name, Sprache
Lebensraum
Bevölkerung
Geschichte des Erstkontakts
Politische und gesellschaftliche Organisation
Kunst und Kunsthandwerk
Kosmologie, Mythen, Riten und Schamanen
Zeitgenössische Aspekte

[ Reunião do Núcleo Agrário do PT ]  Recebemos o CIMI - Conselho Indigenista Missionário e representantes Krahô Takaiora do nosso Tocantins
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nach obenName

Im Jahr 1930, als sie von dem Ethnologen Curt Nimuendajú danach gefragt wurden, übersetzten sie ihren Namen als “Fell” (hô) vom “Aguti” (Cra). Drei Jahrzehnte später widersprachen Personen derselben Ethnie dieser Interpretierung und behaupteten, dass “Krahô” ihnen von irgendwelchen Zivilisierten angehängt worden sei. Die gebräuchliche Art, den Namen dieses Volkes wie “Krahô” zu schreiben, stammt von einer inkorrekten Interpretation der Schrift von Nimuendajú. Aber sie manifestierte sich auch in den ethnologischen Texten, ist präsent in den Eigennamen der Eingeborenen zum Gebrauch in der regionalen Gesellschaft und wird sogar in Titeln der von den Indianern selbst publizierten Büchern benutzt – deshalb benutzen auch wir sie im nachfolgenden Text. Ironischerweise wird die Form „Craô“, die auch der tatsächlichen Aussprache eher entspricht und sich ausserdem besser in die offizielle brasilianische Orthografie einpasst, auch von den Krahô selbst vorzugsweise benutzt, wenn sie in ihrer Sprache schreiben.

Sie nennen sich selbst “Mehim”, ein Terminus, der wahrscheinlich in der Vergangenheit auch auf alle anderen Völker angewendet wurde, die ihre Sprache sprachen und aus der gleichen Kultur stammten. Dieser Völkergruppe haben die Wissenschaftler den Namen “Timbira” gegeben. Heute benutzen die Krahô den Namen “Mehim”, um die Mitglieder jedweder anderer Indianerstämme zu bezeichnen. Im Gegensatz zu dieser Erweiterung gab es eine Einengung des gegenteiligen Terminus: “Cupe(n)” als Bezeichnung für “Nicht-Timbira” wurde zur Bezeichnung für “Zivilisierter”. Jene Krahô, die weiter südlich leben, nennen sich selbst “Mãkrare” (mã = Nandu-Strauss, kra = Sohn, re = Diminuitiv, „Söhne des Nandu“) – eine Bezeichnung, die sich in “Mãcamekrá” verändern kann – und so wird sie auch in Texten aus dem 19. Jahrhundert dargestellt, als „Macamecrans“. Die Bezeichnung, welche Curt Nimuendajú als Name der nördlichen Timbira hörte, war “Quenpokrare” (quen = Stein, po = flach, „Söhne des flachen Steins“) – aber der ist nicht so alt, als dass er in den Texten des 19. Jahrhunderts festgehalten worden wäre, und er scheint ebenfalls nicht bis zur heutigen Zeit beibehalten worden zu sein.

nach obenSprache

Die Sprache der Krahô ist dieselbe wie die der anderen Timbira-Stämme, welche östlich des Rio Tocantins leben. Aus dieser Sprache wird der abweichendste Dialekt von den Apinayé gesprochen, den einzigen Timbira, die auf der westlichen Seite desselben Flusses leben. Die Timbira-Sprache gehört zur linguistischen Familie Jê, die wiederum im Stamm Macro-jê eingegliedert ist. Innerhalb dieser Familie liegt die Sprache der Kayapó der Timbira am nächsten.

Die Kinder lernen als erstes ihre Timbira-Sprache, aber die jungen Burschen beherrschen sehr schnell das Portugiesisch, denn sie sind diejenigen des männlichen Geschlechts, die sich am besten mit der regionalen Bevölkerung verstehen und die am meisten herumreisen. Vor vierzig Jahren gab es nur wenige erwachsene Frauen, welche Portugiesisch beherrschten, inzwischen wächst die Zahl der Frauen aber, die diese Sprache sprechen.

nach obenLebensraum

Die Krahô leben im Nordosten des Bundesstaates Tocantins, im Indianer-Territorium (IT) “Kraolândia” (offiziell eingetragen unter dem Dekret No. 99.062 vom 07. März 1990), mit einer Fläche von 302.533 Hektar, gelegen in den Distrikten Goiatins und Itacajá. Das Gebiet befindet sich zwischen den Flüssen Manoel Alves Grande und Manoel Alves Pequeno, Nebenflüsse des rechten Tocantins-Ufers. Der “Cerrado” ist die vorwiegende Vegetationsart ihres Gebietes, durchquert von schmalen Galeriewals-Streifen, welch die Ufer der Flüsse begleiten. Ein bisschen breiter ist der Wald um den Rio Vermelho herum, an der Nordostgrenze des IT.

nach obenBevölkerung

Anfang des 19. Jahrhunderts wurden die Krahô auf drei bis viertausend Personen geschätzt. Nach der Aufstellung des Missionars Rafael de Taggia ist diese Zahl auf 620 im Jahr 1852 geschrumpft – nach den vielen Toten, welche zwischen 1849 und 1850 durch Epidemien starben. Vielleicht war 1930 ihre Bevölkerung auf dem absoluten Tiefstand, mit 400 Personen, die Nimuendajú damals antraf. Harald Schultz, der sie dann 1948 besuchte, schätzte sie bereits wieder auf 500. Julio Cezar Melatti zählte im Jahr 1962-63 mindestens 564 Personen und mindestens 632 im Jahr 1971 – Zahlen, die auch Angehörige anderer Ethnien einbezogen, welche mit ihnen lebten. Im Jahr 1989 erreichten die Krahô eine Zahl von 1.198 und zehn Jahre später, im Jahr 1999, bestätigten die Indianer dem Forscher Hélder Ferreira de Sousa selbst, dass sie nunmehr eine Mitgliederzahl von 2.000 erreicht hätten.

Die Zahl ihrer Dörfer hat ebenfalls zugenommen. Anfang des 20. Jahrhunderts waren es drei. Als Nimuendajú sie besuchte (1930) hatte sich eines davon in zwei aufgespalten: das eine geleitet von “Secundo” und das andere von “Bernardino”. Julio Cezar Melatti zählte sechs Dörfer im Jahr 1962 – nur eins davon hatte die Häuser nicht in einem Rund aufgestellt: das Dorf “Morro do Boi”, welches damals von den Söhnen des verstorbenen Bernardino geleitet wurde, die Frauen und Nachbarn der regionalen Bevölkerung bei sich eingebürgert hatten. Gegenwärtig existieren 18 bis 20 Dörfer, nach Informationen des schon zitierten Hélder Ferreira de Sousa, der aber nicht alle von ihnen besucht hat. Die Abweichung erklärt sich aus der Tatsache, dass einige Führer der Vereinigung CAPEJ (siehe auf den folgenden Seiten) eine Regel aufgestellt haben, dass eine Kommune mindestens 70 Bewohner haben muss, um als “Dorf” bezeichnet werden zu können – mindestens eine Kommune erreicht diese Zahl aber noch nicht.

In den letzten zwei Jahrhunderten nahmen die Krahô Mitglieder anderer Ethnien auf. So quartierten sich unter ihnen Mitglieder der Põrekamekrá ein – die sie einst (1814) bekämpft hatten – überlebende Kenkateyê des Dorfes “Chinela“, im Süden des Bundesstaates Maranhão, das von Fazendeiros 1913 komplett zerstört wurde – einige Apinayá, die nach 1923 eingewandert sind – und einige Apanyekrá, mit deren Dorf die Krahô seit langer Zeit freundschaftliche Kontakte pflegten. Unter den Nicht-Timbira befinden sich einige Mitglieder der Xerente, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wegen innerer Konflikte bei den Krahô Schutz suchten. Darüber hinaus gibt es Mitglieder, welche väterlicher- oder mütterlicherseits von Weissen oder von Negern abstammen.

nach obenGeschichte des Erstkontakts

Die Krahô traten zum ersten Mal Anfang des 19. Jahrhunderts mit den Weissen in Kontakt, und zwar anlässlich eines Konflikts mit Viehzüchtern, die mit ihren Herden vom Bundesstaat Piauí in Richtung des Südens von Maranhão vorstiessen. Die Indianer lebten damals in der Nähe des Rio Balsas, einem Zufluss des Rio Parnaíba. Und nachdem sie 1809 eine grosse Fazenda angegriffen hatten, wurden sie im Gegenzug von einer Strafexpedition des Manuel José de Assunção in ihrem Dorf überfallen – der nahm mehr als 70 Krahô gefangen und schickte sie als Sklaven in die Hauptstadt São Luís. Ab dieser Zeit verhielten sich die Krahô friedlich gegenüber den Weissen, aber nicht gegenüber allen ihren eingeborenen Nachbarn. Nachdem sie sich den Ufern des Tocantins genähert hatten, halfen sie dem Gründer von “São Pedro de Alcântara” (heute Carolina, in Maranhão), zusammen mit Fazendeiros, benachbarte Indianerstämme zu bekämpfen und in die Sklaverei abzuschieben, sie wurden weiter im Norden verkauft. Dann aber mussten die Viehzüchter feststellen, dass nunmehr die Krahô sich an ihren Herden vergriffen – sie hatten den Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben. Sie wandten sich an den Kapuziner-Missionar Rafael de Taggia, dem es gelang, die Kraho nach Pedro Afonso, an der Mündung des Rio do Sono mit dem Rio Tocantins umzusiedeln – das war 1848. Dort waren sie Nachbarn der Xerente-Indianer, bis sie gegen Ende des 19. Jahrhunderts noch einmal umzogen, gen Nordosten, in ihren heutigen Lebensraum.

Dort gingen sie zuerst ein freundschaftliches Verhältnis mit einem Viehzüchter ein, den sie gegen Rivalen beschützten, und auch gegen die Jaguare, welche seine Herden angriffen. Als die regionale Bevölkerung dann anwuchs und man entdeckte, dass die Krahô Rinder stahlen für rituelle Anlässe, ging die Freundschaft baden, bis schliesslich zwei Viehzüchter mit ihren Rinderhirten zwei Krahô-Dörfer überfielen (1940) und insgesamt 26 Indianer töteten. Als das Massaker publik wurde, setzte die Regierung des Bundesstaates Goiás die Landesregierung so unter Druck, dass sie eine Verurteilung der verantwortlichen Viehzüchter durchsetzten. Obgleich diese ihre Strafe in konditioneller Freiheit verbüssen durften, war dies einer der seltenen Fälle, in denen die für Massaker an Indianern Verantwortlichen verurteilt wurden. Zur gleichen Zeit veranlasste der Staat von Goiás eine Demarkierung des Krahô-Indianerterritoriums, welche schliesslich im Jahr 1990 von der Landesregierung anerkannt und registriert wurde. Und der SPI (Indianerschutzdienst) fing an, sich ihrer anzunehmen, mit der Gründung eines Postens.

Das war jedoch ein Reinfall, der SPI-Posten bei den Krahô hat nie funktioniert: er sah einen Nachfolger nach dem anderen, ohne moralische noch materielle Unterstützung von Seiten der Regierung – keine Medikamente, eine Schule ohne Lehrer während der meisten Zeit. Zwei Fazendas, die der SPI innerhalb des Reservats gegründet hatte, um die Indianer regelmässig mit Fleisch zu versorgen, funktionierten nicht. Nicht einmal Pacht verlangten die Beamten des Postens von den Viehzüchtern, die ohne zu fragen ihre Rinder im Indianer-Territorium weiden liessen. Sie überliessen es den Häuptlingen der Dörfer, sich mit den Viehzüchtern ins Benehmen zu setzen – letztere überliessen den Indianern hie und da mal ein Rind oder einen kleinen Abschnitt vom Maniokfeld oder irgendein Werkzeug.

Vielleicht war dieser Zustand absoluten Sich-selbst-Überlassenseins einer der Gründe dafür, dass im Jahr 1952 eine messianische Bewegung unter den Krahô ihren Anfang nahm. Einer ihrer Schamanen begann Visionen zu haben, in denen ein weisser Mann mit Bart sich ihm als “Chuva“ vorstellte und ihm einen Blitz anbot, mit dem er die “Zivilisierten“ verbrennen sollte. Aber der seherische Schamane fürchtete sich, die zerstörende Waffe anzunehmen. Trotzdem wurde ihm versprochen, dass ab einem bestimmten Datum die Zivilisierten sich in Indianer verwandeln würden und die Krahô in Zivilisierte. Darauf sollten sich die Krahô vorbereiten und mit ihrem Verhalten der Verwandlung entgegenkommen: ihre sportlichen Wettläufe aufgeben, keine Körperbemalung mehr anlegen, Feste und Bälle veranstalten, wie die regionale Bevölkerung und ihre Haustiere verzehren. Auch die Bestellung ihrer Felder sollten sie aufgeben, denn sie würden Viehzüchter und Geschäftsleute werden. Das Vieh käme vom Himmel herab und die Handelsgüter per Schiff. Aber natürlich geschah nichts von alledem, und der Prophet fiel zurück in die Vergessenheit.

Dann verfielen die Krahô auf eine andere Idee, um ihre Verlassenheit zu überwinden – sie war nicht neu, sondern hatte schon einmal im 19. Jahrhundert funktioniert: Sie reisten in die grossen, abgelegenen Städte, deren Bewohner, überwältigt von der exotischen Erscheinung der Indianer und bewegt von ihrer Sympathie gegenüber einer Minorität, die in ihrem Alltag sonst keinen Platz hatte, sie mit Geschenken überhäuften. Sie reisten in Gruppen, mit wenigen oder keiner ihrer Frauen, ersuchten die Präfekten der kleineren Städte um Hilfe, damit sie ihre Reise fortsetzen konnten, schliefen in Quartieren der Polizei oder der Feuerwehr, besuchten Kirchen, karitative Institutionen, Gouverneure der Bundesstaaten und waren so Monate unterwegs. Sie reisten nach Belém, São Luís, Teresina, Natal, Recife, Salvador, Goiânia, Rio de Janeiro und São Paulo. Und sie kehrten zurück mit Werkzeugen, Keramikperlen, Stoffen und anderen Gütern, die ihnen zum grössten Teil von den Verwandten ihrer Ehefrauen wieder abgenommen wurden. Und auch am ihnen verbliebenen Rest hatten sie nicht lang Freude, denn als Reisende hatten sie eine wichtige Etappe des Bewirtschaftungszyklus ihrer Felder versäumt und mussten sich so aus der Produktion ihrer Verwandten bedienen. Auf diese Weise reichten die Nahrungsmittel nicht bis zur nächsten Ernte, also sahen sie sich gezwungen, ihre Mitbringsel von der Reise gegen Nahrungsmittel der regionalen Bewohner einzutauschen.

Parallel zur Auflösung des SPI im Jahr 1967 und seiner Ersetzung durch die FUNAI, aber nicht gerade aus diesem Grund, bessert sich die Situation der Krahô langsam. Die Forscherin Vilma Chiara bekommt von einer privaten Institution um die 250 Stück Vieh, die sie den Krahô zur Einrichtung einer von ihnen selbst administrierten Viehzucht überlässt. Einige Jahre später gelingt es derselben Wissenschaftlerin, einen französischen Techniker zu gewinnen, um den Kraho Techniken beizubringen, mit denen sie ohne viel Verluste ihre selbsterhaltende Produktion erweitern und verbessern können. Noch etwas später engagiert sie einen Sanitäter für sie. Mit Ausnahme der Aktivitäten des letzteren, waren die anderen Aktivitäten zum Scheitern verurteilt – in Konsequenz verschiedener Anfangsschwierigkeiten, die solche Innovationen im Allgemeinen mit sich bringen. Allerdings dienten sie als eine Art Provokation gegenüber dem neuen Indianerschutz-Organ (FUNAI), deren Beamte sich nunmehr in Zugzwang sahen, die Effektivität ihrer Präsenz zu beweisen und ein Projekt zu schaffen, welches der Landwirtschaft der Indianer neue Impulse bescherte und vor Ort von einer wissenschaftlichen Equipe begleitet wurde. Neue Posten wurden im IT eingerichtet. Später wurde ihre Aktivität erweitert von einer nicht-staatlichen Organisation (NGO) dem “Centro de Trabalho Indigenista (CTI)”.

Die “Guarda Rural Indígena” (Indianische Flurpolizei), die in den ersten Jahren des Wirkens der FUNAI gegründet wurde, rekrutierte 28 junge Krahô. Weil diese auf dem Posten Dienst taten, konnten sie sich nicht um ihre Feldarbeit kümmern. Zum Ausgleich bewilligte man ihnen einen Mindestlohn, der es ihnen ermöglichte, Lebensmittel in der Kantine des Postens zu kaufen – in der auch ihre Verwandten einkauften und ihnen die Kosten aufs Konto anschreiben liessen. Die Riten von kurzer Dauer, und die Einleitungen und Abschlüsse der langen, wurden fortan auf die Sonntage verlegt, dem freien Tag der eingeborenen Flurwächter – die so an dem traditionellen Stafettenlauf teilnehmen konnten. Auf der anderen Seite, weil sie auf dem Posten wenig zu tun hatten, waren diese Angestellten der FUNAI die ersten, die mit grossem Interesse die Schule zu frequentieren begannen, und da sie bereits der portugiesischen Sprache vom Hörensagen einigermassen mächtig waren, konnten sie auch die nicht-indianischen Lehrer verstehen – die Alphabetisierung der Krahô nahm ihren Lauf. Als dann die Flurpolizei aufgelöst wurde, stand man erneut vor dem Problem, wenigstens einen Teil des Personals, das plötzlich ohne den gewohnten Lohn dastand, anderweitig einzusetzen – nämlich als Angestellte der FUNAI und Lehrer ihrer Mitbewohner.

Alles in allem dürfte sich die Situation endgültig gebessert haben, denn wenn die Krahô 1952 eine messianische Bewegung gründeten, um ihren indianischen Status zu verlassen, so verbissen sie sich 1986 in einen Anspruch, der das genaue Gegenteil forderte, nämlich ihre ethnische Anerkennung – und dazu gehörte auch, dass sie ihre berühmte “Steinaxt mit halbmondförmiger Klinge” zurück forderten, welche sie vor vielen Jahren dem “Museu Paulista” zur Verfügung gestellt hatten. Nach vielen Diskussionen mit der Direktion der “Universität von São Paulo” – der das besagte Museum untersteht – unzähligen Debatten in den Zeitungen und einer gerichtlichen Verfügung, bekamen sie ihre Axt zurück. Das interessanteste an der Sache ist, dass jene Axt plötzlich für die Krahô nicht mehr eine der vielen archäologischen Steinäxte war, die sie dermaleinst in der Erde gefunden, sondern, als sie ihre Axt dem Ethnologen Julio Cezar Melatti zeigten, als sie durch Brasília kamen, auf ihrem Weg nach Hause, hatten sie ihr bereits einen neuen Stiel gegeben, sie neu bemalt und mit Federn geschmückt: jetzt war sie die Axt par exellence, die heilige Axt, welche in einer längst vergangenen Zeit den Häuptling eines mythologischen Volkes, Cokãmkiere, niedergestreckt hatte – von dem eine ihrer zahlreichen Erzählungen berichtet.

Was die internen Beziehungen der Krahô betrifft, so wurden sie, nachdem sie den Zivilisierten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, geholfen hatten, andere Indianerstämme zu bekämpfen und zu versklaven – vielleicht alle Timbira, im Süden von Maranhão – als Wächter gegen ein Volk eingesetzt, welches südlich der Krahô lebte, aber noch kaum bekannt war, und das man “Xavante” nannte – von denen ein “Ableger” in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft existierte – die “Xerente”. Auf diese Xerente ein Auge zu haben, war das andere Motiv ihrer schon erwähnten Umsiedelung nach Pedro Afonso im Jahr 1848. Obwohl die Xerente zu jener Zeit, nachdem sie ebenfalls schon von Missionaren besucht worden waren, nicht mehr als kriegerisch anzusehen waren – mit den Krahô begannen sie einen freundschaftlichen Kontakt aufzunehmen – und Anfang des 20. Jahrhunderts gab es bereits einige Individuen der Xerente, die in Dörfer der Krahô eingeheiratet hatten, und umgekehrt. Um 1926 herum zwangen interne Konflikte unter den Xerente, denen Beschuldigungen von Hexerei zugrunde lagen, einige ihrer Stammesangehörigen zur Auswanderung – sie fanden Unterschlupf bei den befreundeten Krahô. Dieser Konflikt uferte aus und führte einige Jahre später zum Tod von zweien dieser Xerente, und die Krahô wurden ebenfalls darin verwickelt, was ihrerseits die Beziehungen zwischen ihren nördlichen Dörfern Pedra Branca und Pedra Furada erschütterte.

Nimuendajú erzählt von einem Kriegszug der Krahô, mit dem sie im Jahr 1923 ein Dorf der Apinayé überfielen, diesen aber lediglich materiellen Schaden zufügten, denn die Bewohner waren rechtzeitig geflohen. Grund dieses Unternehmens waren Beschuldigungen der Hexerei gegen einen Stammesangehörigen der Krahô, welcher unter den Apinayé lebte. Es sei angemerkt, dass diese Auseinandersetzung nicht alle Krahô gegen alle Apinayé betraf, sondern nur das Dorf “Pedra Furada“ der Krahô gegen das Dorf “Gato Preto“ der Apinayé. Fünf Jahre später wurde derselbe Krahô-Mann, welcher der Grund jenes Konflikts gewesen, im Krahô-Dorf von Pedra Branca getötet, dessen Bewohner sich anschickten, die gegenseitigen Tauschgeschäfte mit den Apinayé wieder aufzunehmen. Sowohl vor als nach diesem Konflikt wanderten Mitglieder der Apinayé bei den Krahô ein.

Es wurde schon erwähnt, dass die Kraho im zweiten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts die Reste der Põrekamekrá in ihr Volk integrierten, sowie auch die Überlebenden der Zerstörung des Dorfes “Kenkateyê” im Jahr 1913. Auch einige Apanyekrá leben unter ihnen. Bemerkenswert ist, dass alle Kinder jener Immigranten als richtige Krahô angesehen werden.

Diese ihre Öffnung gegenüber benachbarten Indianerstämmen gestattete den Krahô ein gewisses Mitspracherecht in deren Politik. Noch nicht lange ist es her, dass das Territorium der Apinayé von der Invasion weisser Landbesetzer bedroht wurde – prompt erschienen Krahô und Xerente-Indianer in der bedrohten Region, um die Position ihrer befreundeten Nachbarn zu verstärken.

nach obenPolitische und gesellschaftliche Organisation

Die Krahô-Dörfer folgen dem Timbira-Ideal hinsichtlich ihrer Anordnung der Häuser in einem riesigen Rund – jedes durch einen Pfad mit dem zentralen Dorfplatz verbunden. Jedes Haus beherbergt die in ihm geborenen Frauen und die Männer, welche sich mit ihnen verheiratet haben, nachdem sie die Häuser ihrer eigenen Mütter verlassen haben. Natürlich kann die Zahl der Bewohner eines Hauses nicht ins Unendliche steigen.

In der Regel bleibt das Haus nach dem Tod des Schwiegervaters in der Obhut von einem seiner Schwiegersöhne, während die übrigen, begleitet von ihren Frauen und Kindern, andere Häuser an der Seite des ersten errichten. Dies erlaubt uns, drei Arten von Hausbewohnern zu definieren – eine integriert in die andere. Die kleinste Einheit ist die “Elementar-Familie”, bestehend aus Ehemann, seiner Frau und den Kindern der beiden. Während der Mahlzeiten kann man sie gut beobachten, zu denen sie sich von den anderen Bewohnern des Hauses trennen, um gemeinsam zu essen – manchmal bedienen sie sich dabei derselben Essschale oder desselben Topfes. Sie sind es auch, denen ein Teil eines Feldes gehört. Die Elementar- oder Kernfamilien, welche unter einem gemeinsamen Dach wohnen, bilden zusammen die Gruppe der Hausbewohner, geführt vom Schwiegervater. Nahrungsmittel, die ins Haus kommen, werden, nachdem sie gegart wurden, an alle Bewohner verteilt – egal, welche der Frauen sie zubereitet hat. Schliesslich bildet ein antikes Haus, zusammen mit seinen Ablegern, ein Wohn-Segment.

Wenn auch ein solches Wohn-Segment keinen deutlich definierten Anführer hat, so gibt es doch zwei deutliche Zeichen für seine Existenz: die zu ihm gehörigen Häuser behalten ihre jeweilige, nach den vier Himmelsrichtungen ausgerichtete Position, auch wenn das Dorf verlegt wird, und alle Personen, die in seinem Schoss geboren wurden, heiraten nicht unter sich.

Andere Gruppen treten eher während der rituellen Aktivitäten in Erscheinung – auf dem Dorfplatz, ausserhalb ihrer Häuser. Das ist auch der Fall der verschiedenen “Hälften-Paarungen”, in die sich die Gesellschaft der Krahô aufteilt. Wir können sie als “Jahreszeiten-Hälften” bezeichnen, denn eine richtet sich nach der Trockenperiode (und auch nach dem Tag, dem Osten, dem zentralen Dorfplatz) und die andere wird von der Regenperiode bestimmt (auch von der Nacht, dem Westen, der Dorfperipherie). Die täglichen Versammlungen der Männer, die auf dem Dorfplatz stattfinden, werden von zwei “Präfekten” koordiniert – beide gehören der Jahreszeiten-Hälfte an, welche gerade präsent ist. Nur diese Hälfte entscheidet etwas während der entsprechenden Jahreszeit. Jede dieser Hälften verfügt über eine Sammlung von persönlichen Namen – Männer und Frauen eines Dorfes werden der einen oder anderen Hälfte zugeordnet, in Übereinstimmung mit ihren Eigennamen, die sie für die eine oder andere Hälfte ausweisen.

Jeder Eigenname setzt sich aus einer Reihe von Wörtern zusammen, hinter deren Bedeutung man nicht immer eine Verbindung erkennen kann. Der männliche Name wird vom Onkel mütterlicherseits, den Grossvätern mütterlicher- und väterlicherseits oder anderen Männern verliehen, welche mit dem Kind verwandt sind – den femininen Namen verleiht die Tante väterlicherseits, Grossmütter väterlicherseits oder andere Frauen aus der direkten Verwandtschaft. Zum Beispiel: ein Mann mit Namen Hàká (Boa Constrictor) Ihocpej (Färbung = ihoc, schön = pej – ergibt: Färbung der Boa Constrictor) Harecaprec (Tal = hare, rot = caprec) gehört der “Regenzeit-Hälfte” an. Eine Frau mit Namen Xopê´(xo = Füchsin, pê = dick) Catxêkwôi (catxê = Stern, kwôi = Endung aller femininer Namen) Krôkari (Sand) Tetikwôi (tetí = Jatobá-Baum) gehort der “Trockenzeit-Hälfte” an. Ausser seiner Zugehörigkeit zu einer der “Jahreszeiten-Hälften” und zu einer Gruppe des “Ketwayê”-Rituals, erhält die Person mit ihrem Eigennamen auch das Privileg, bestimmte rituelle Persönlichkeiten darstellen zu dürfen und wird in eine formelle freundschaftliche Beziehung zu anderen Personen eingebunden, welche durch ihre Namen mit dem ihren verbunden sind.

Auf der anderen Seite ist jede Person mit ihrem Vater, ihrer Mutter, Brüdern, Halbbrüdern und Söhnen durch ein “physisches Band“ dergestalt verbunden, dass gewisse Handlungen ihrerseits (Sex, Schlange töten, rauchen und laut reden), sowie der Konsum gewisser Nahrungsmittel, einem dieser Verwandten, welcher sich gerade in einer Krise befindet (Zeit nach einer Geburt, Krankheit, Schlangenbiss) schaden können.

nach obenKunst und Kunsthandwerk

Stroh ist ein Material, welches im täglichen Leben der Krahô eine grosse Rolle spielt. Die mit einem Giebel versehenen Häuser – wie die der regionalen Bewohner – aber ohne Fenster und nur mit wenigen oder gar keiner internen Unterteilung, sind gedeckt mit Palmblatt-Rispen, die ebenfalls für die Wandverkleidung verwendet werden, wenn dies nicht aus einem Holzgerüst bestehen, das mit Lehm gefüllt ist. Im Innern eines Hauses entdeckt man, aufgehängt, eine grosse Zahl von Körben aus Palmblättern – in schneller, oberflächlicher Handarbeit – die zum Transportieren von Feldfrüchten oder zum Aufbewahren von Nahrungsmitteln und Objekten verwendet werden. Für kleinere Dinge gibt es eine andere Art von Korb in unterschiedlichen Grössen, der aus den glänzenden Fasern der Buriti-Blattrippe gefertigt ist – in Form eines Pflastersteins mit abgerundeten Ecken und mit einer Reihe von Knoten in einer Kordel verschlossen. Dann gibt es viele Matten, geflochten aus den Fasern der Buriti-Palme, mit Fransen dran, mit denen man die Podien aus Açaí-Palmstämmen auslegt, die als Bett dienen. Die jungen Männer benutzen einen anderen, einfacheren Typ Matte, um auf dem Dorfplatz zu schlafen.

Alle Typen und Grössen von Cabaça-Kürbis werden als Behälter für Flüssigkeiten verwendet, auch als Essschalen oder zum Aufbewahren von zubereiteten Nahrungsmitteln – sie dienen auch zur Anfertigung von Töne erzeugenden Instrumenten: Eine kleine “Cabacinha“ mit vier Löchern ergibt eine Art Flöte; in kleinen Stücken dicht nebeneinander am Baumwollgürtel eines Tänzers befestigt, schlagen sie im Rhythmus gegeneinander und erzeugen ein rasselndes Geräusch; unter dem Knie ums Bein gebunden, begleitet sein Geräusch den Rhythmus der stampfenden Füsse.

Aber das wichtigste sonore Instrument ist die Rassel – und die wird bei den Krahô nicht aus dem Cabaça-Kürbis, sondern aus der “Cuité-Frucht“ eines bestimmten Baumes hergestellt. Mit ihr dirigiert der Vorsänger den Gesang der Frauen. Gesang ist einer der von den Krahô am meisten verehrten und ausgearbeitetsten Aspekte ihres rituellen und künstlerischen Lebens.

Urucum, Jenipapo und Kohlenstaub, fixiert mit “Pau-de-leite” werden zur Bemalung des Körpers verwendet – je nach den vorgeschriebenen Mustern der dem Träger entsprechenden “Jahres-Hälften”: bei Kindern und Jünglingen für verschiedene Riten, bei Personen am Ende einer Trauerphase – sie sind zusätzlich mit Federn von Sittichen oder Falken besetzt, die mit Baumharz an den Körper geklebt werden – je nach Modell der ihnen zugehörigen “Hälften”.

Zu Beginn oder zum Abschluss von kollektiven Jagden, Fischzügen und bestimmten Arbeiten auf dem Feld, veranstalten die Krahô, wie alle Timbira-Völker, eine Art “Stafetten-Lauf” mit zwei rund 50 kg schweren und etwa einen Meter langen Stücken eines Baumstamms – ein Wettlauf der jungen Männer beider “Jahreszeit-Hälften” gegeneinander. Das Baumstamm-Paar für den Wettlauf wird sehr umsichtig vorbereitet, die rissige Rinde entfernt – in der Regel zwei gleichgrosse Stücke vom Stamm einer Buriti-Palme – und zwar an Ort und Stelle vor dem Dorf, wo der Lauf seinen Anfang nimmt. Die so genannte “Corrida de toras” (Baumstammrennen) ist stets gekoppelt mit einem gerade stattfindenden Ritual – deshalb sind auch Grösse, Form und Bemalung des glatten Baumstamms dem jeweiligen Ritual angepasst. Die beiden Gruppen junger Männer stellen sich nebeneinander auf – die ersten beiden Läufer schultern je einen Baumstamm, und auf das Zeichen eines Dorfältesten rennen sie los – die jeweilige Begleiter-Truppe hinter ihnen her. Wenn ein Läufer nach einigen hundert Metern nicht mehr kann, übergibt er seinen Baumstamm an den nächsten, und so fort – Sieger wird dann die eine oder andere Gruppe – ein Gruppensieg.

nach obenKosmologie, Mythen, Riten und Schamanen

Eine grosse Zahl von Riten und Zeremonien bestimmen das Leben der Krahô. Da gibt es die kürzeren, sie beziehen sich auf individuelle Geschehnisse (wie dem Ende der Zurückgezogenheit nach der Geburt des ersten Kindes, Ende einer Krankheit, letzte Mahlzeit eines Sterbenden etc.), andere werden von gelegentlichen kollektiven Initiativen promoviert, wie dem Tauch von Nahrungsmitteln oder Dienstleistungen. Es gibt Zeremonien, welche an den jährlichen Zyklus gebunden sind oder den der Feldbearbeitung, wie die, welche die Trockenperiode und die Regenzeit einleiten, das Pflanzen und die Ernte des Mais oder die Ernte der Süsskartoffel. Und es gibt auch solche, die sich länger als ein Jahr hinziehen, wie zum Beispiel die maskuline Initiation – verschiedene Riten, die in einer bestimmten Reihenfolge hintereinander ablaufen – heutzutage schwierig zu rekonstruieren, denn das Hauptritual dieser Serie ist bereits aus dem Leben der Krahô verschwunden. Vielen dieser jahreszyklischen Riten liegt oral weitergegebener Hintergrund aus der Mythologie zugrunde. Aber es ist keine integrale Übereinstimmung mehr mit der mythologischen Sequenz und der heute praktizierten rituellen Gegenwart vorhanden, sondern höchstens einige Punkte der Annäherung.

Die Mythen erzählen von den Veränderungen, welche die Aktionen der Helden Sonne und Mond in der neu geschaffenen Welt provozierten (Entstehung der Menschenwesen, der Menstruation, des Todes, der Arbeit, der stechenden Insekten, der Schlangen); den Erhalt der kultivierten Pflanzen von der “Sternenfrau”; die Entdeckung des Feuers, das dem Jaguar entwendet wurde; das Geschenk der Rituale von Männern, welche den Himmel besuchten, den Grund der Gewässer, die Felder beim Wachsen beobachteten – kurz, es hat den Anschein, dass sämtliche Kultur der Krahô von aussen kam. Selbst das Schamanentum kommt von aussen. Der erste Mensch, welcher magische Kräfte bekam, war ein kranker Mann, der zum Himmel hinaufstieg, getragen von den Geiern, dort wurde er geheilt und erhielt seine Zauberkräfte. Beobachtet man die Heiler der Krahô, so bemerkt man keinerlei Anzeichen einer Trance an ihnen, wenn sie agieren, was einen leicht zum Vorurteil verleiten kann, dass sie ganz normale Scharlatane sind. Aber wenn man sich mit einem von ihnen unterhält, demonstriert dieser einen interessanten Werdegang, ähnlich dem des Mannes, der zum Himmel aufstieg: Er wurde krank, allein gelassen von seinen Angehörigen, ein Tier eilte ihm zu Hilfe (oder ein anderes Wesen), dann heilte es ihn, und von ihm bekam er auch seine magischen Kräfte – die er testete, und danach wurde er zurück geschickt zu den Seinen.

Betrachtet man die Mythen und die Meinungen der Krahô – die nicht immer ganz übereinstimmen – bekommt man eine Vorstellung von ihrem Universum: Die Erde, umgeben von Wasser, überdacht vom Himmel, der seine Stützen im Osten hat, wo sich auch das Loch befindet, durch das man in die unterirdische Welt gelangt.

nach obenZeitgenössische Aspekte

Zirka fünfzehn Dörfer der Krahô gehören der “CÀPEJ” an, der “União das Aldeias Indígenas Krahô“ (Union der eingeborenen Krahô-Dörfer). Die Dörfer “Rio Vermelho”, “Bacuri” und “Aldeia Nova” der Krahô dagegen, haben sich der “WYTY CATI” angeschlossen, einer Vereinigung, der auch Dörfer anderer Völker der Timbira angehören: Apinayé, Krinkati, Pykobjê und Apanyekra.

Der Sitz der CÀPEJ (ca = Hof, pej = gut, schön) befindet sich an einem Ort, den sie Zentrum nennen, in der Nähe des Dorfes “Agua Branca”, innerhalb des IT Kraolândia. Die Schwierigkeiten zu diesem Versammlungsort zu gelangen, war einer der Gründe, 1998 ein Haus in Itacajá zu kaufen, einem Nachbarort des Indianer-Territoriums, und dazu muss man lediglich den Rio Manoel Alves Pequeno überqueren. In den hinteren Räumen des Hauses, das die Indianer “Büro” nennen, wollen sie eine Art Unterkunft für Indio-Studenten einrichten, die in dem Ort wohnen müssen. Die Krahô besitzen ausserdem im Nachbardistrikt Alto Lindo ein Terrain, welches sie “Chacara” (Landhaus) nennen. Dort möchten die Führer der CÀPEJ ein Gästehaus errichten, welches ihre Stammesmitglieder zur Übernachtung nutzen können, wenn sie sich in einem der beiden Orte aufhalten. Haus und Terrain wurden von dem Geld gekauft, welches die Krahô als Prämie von der “Banco Nacional de Desenvolvimento Econômico (BNDES – Bank für Wirtschaftliche Entwicklung)” für ein Projekt erhielten, mit dem sie eine bisher den “Weissen” unbekannte Technik der Konservierung von Maissamen der Öffentlichkeit zugänglich machten. Mit dem selben Prämiengeld rüsteten die Indianer ihr “Büro” auch mit einem PC, Telefon und Parabolantenne aus.

Der Name der WYTY CATI stammt aus der Inspiration einer Timbira-Einrichtung: Man nennt “Wyty” die zu den Frauen oder Männern eines Dorfes gehörenden Kinder, die im Haus ihrer Eltern freien Zutritt haben – auch während der Rituale – CATI bedeutet “gross”. Kurz, der Verein nennt sich nach einem “Grossen Haus”, in das jedermann frei eintreten kann. Sitz des Vereins ist Carolina, in Maranhão. Der Verein hat die Unterstützung des “Centro de Trabalho Indigenista (CTI – unterstützende Organisation für Eingeborene)”, der vor allem indianische Lehrer ausbildet. Die WYTY CATI hat ebenfalls Verbindungen – zusammen mit verschiedenen Vereinen landwirtschaftlicher Produzenten des Südens von Maranhão und des Nordens von Tocantins – mit einem Projekt, welches zur wirtschaftlichen Nutzung des Cerrado geschaffen wurde, und vor allem die Nutzungsrechte der Indianer schützt. Die Teilnehmer an diesem Projekt arbeiten in der Ernte von Cerrado-Früchten (Caju, Juçara, Bacuri, Buriti, Cajá, und zukünftig auch Araçá, Murici, Mangaba und Bacaba), deren Fruchtfleisch in Carolina extrahiert wird, dann tiefgefroren und verpackt, um schliesslich unter dem Markennamen “Fruta Sã” (Gesunde Frucht) vertrieben zu werden. Dasselbe Projekt sieht auch die Einrichtung von Baumschulen vor, in denen native Fruchtbäume gezogen werden sollen, um dann den Cerrado dichter mit entsprechenden Arten zu besetzen.

Im Dorf “Pedra Branca” entwickelt eine NGO, mit Namen ESAMACITO, mit der Unterstützung der Deutschen Botschaft, ein Projekt zur Errichtung kleiner Staudämme zur Züchtung regionaler Fische, um den Nahrungsbedarf zu decken. Mit Hilfe der Britischen Botschaft hat dieselbe NGO in Pedra Branca eine Schule einrichten können, mit dem Namen “Caxêkwôi” (so hiess die Sternenfrau aus der Mythologie, welche den Krahô die ersten kultivierten Pflanzen zeigte). Die Schule bekam ein Mikroskop, Fernsehen, Teleskop, Videoanlage und eine Videothek. Diese Apparate werden von Solarenergie betrieben, welche von einer fotoelektrischen Zelle eingefangen wird, die an eine Batterie angeschlossen ist. Zirka sechs Schulen gibt es inzwischen innerhalb von Krahô-Dörfern, die von der Regierung des Bundesstaates Tocantins unterhalten werden.

© Julio Cezar Melatti, Universität von Brasília, Dezember 1999
Deutsche Übersetzung/Bearbeitung, Klaus D. Günther
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