João Gilberto

Zuletzt bearbeitet: 2. Dezember 2020

João GilbertoJoão Gilberto ist eine richtungweisende Figur, wie wenige andere in der Geschichte der brasilianischen Volksmusik, denn er hat die Art zu singen und Gitarre zu spielen in Brasilien verändert. Verehrt von vielen, als Genie betitelt, abgelehnt von einigen wenigen und für verrückt gehalten von anderen, scheint es schwer zu sein, in seinem Fall eine objektive Haltung zu bewahren. Er wurde in Juazeiro, Bahia, geboren und bekam seine erste Gitarre im Alter von 14 Jahren – die er nie mehr aus der Hand legte.

In den 40er Jahren hörte er sich die Musik von Duke Ellington und Tommy Dorsey in Plattenläden an – bis zu den “Anjos do Inferno“, Dorival Caymmi und Dava de Oliveira aus dem nationalen Repertoire. Mit 18 ging er nach Salvador, wo er sich als Sänger im Radio und als “Crooner“ (singen in erster Linie Balladen) versuchte. Wenig später reiste er nach Rio de Janeiro, wo er der vokalen Gruppe “Garotos da Lua“ beitrat. Seine Karriere in dieser Gruppe währte weniger als ein Jahr – die “Garotos da Lua” wurden seines ewigen Zuspätkommens und seiner Ausfälle müde und entliessen ihn.

João Gilberto war in der Regel nachts unterwegs und lernte andere Musiker kennen mit denen er verschiedene Aufnahmen seiner ersten Kompositionen machte. 1985 brachte er über die ODEON zwei Compact-Disks heraus, die seinen persönlichen Stil präsentierten und damit die Bewegung “Bossa Nova“ einleiteten: “Chega de Saudade“ / “Bim Bom“ im Juli, und “Desafinado“ / “Oba-la-la“ im November. Im selben Jahr hatte er Elizeth Cardoso bei zwei Titeln der LP “Canção do Amor Demais“ (Chega de Saudade – von Tom Jobim & Vinicius de Moraes) und “Outra Vez“ (von Tom Jobim) begleitet, ein weiterer Grundstein in der Geschichte des “Bossa Nova“.

Die persönlichen Eigenschaften, welche ihn besonders charakterisierten, waren sein leiser Gesang – damit unterschied er sich vollkommen von der Tradition jener grossen Sänger des Radios, die berühmt waren wegen ihrer gewaltigen Stimmen – und seine besondere Art Gitarre zu spielen, bei der er einen Rhythmus bevorzugte, welcher den Akzent des traditionellen Samba-Rhythmus vermied. Berühmt sind seine Interpretationen von “Aos Pés da Cruz“ (Zé da Zilda/ Marino Pinto), “Samba de Uma Nota Só” (Tom Jobim/ Newton Mendonça), „O Barquinho“ (Menescal/ Bôscoli), „Samba da Minha Terra“ und „Saudade da Bahia“ (Dorival Caymmi), „Na Baixa do Sapateiro“ (Ary Barroso), „Falsa Baiana“ (Geraldo Pereira), „Isaura“ (Herivelto Martins/ Roberto Roberti), alles Neuaufnahmen, die sich durch ihren einzigartigen Interpretationsstil auszeichnen.

Schon sehr früh hat João Gilberto durch seine exotischen oder ungewöhnlichen Eigenheiten von sich reden gemacht. Er verbrachte einige Jahre in Rio ohne eigene Wohnung, hielt sich stets auf Einladung von Freunden in deren Haus auf – selten, dass er sich mal an den Kosten beteiligte – schlief während des gesamten Tages und spielte Gitarre während der ganzen Nacht, auch wenn die Besitzer des Hauses früh aufstehen mussten am nächsten Morgen. Ausserdem weigerte er sich – selbst wenn seine finanzielle Situation kritisch war – kommerzielle Aufnahmen für die Bewerbung eines Produkts zu machen oder in Lokalen aufzutreten, in denen die Leute während einer Präsentation miteinander zu reden pflegten. Und er dachte anscheinend auch niemals daran, sich eine Anstellung zu suchen, welche nichts mit der Musik zutun hatte. Nachdem er es geschafft hatte, einen gewissen Ruhm zu erlangen, zeigte er sich vollkommen verschlossen gegen Interviews und erschien zu einigen verabredeten Shows einfach nicht.

Seine Besessenheit gegenüber der technischen Perfektion seiner Plattenaufnahmen und Präsentationen ist notorisch – schon beim Compact-Disc “Chega de Saudade“, die Tage dauerte wegen seiner frequenten Unterbrechungen, immer wieder unzufrieden mit Geräuschen oder Fehlern, die nur er allein heraushörte. 1964 machte er in den USA Aufnahmen mit dem Saxofonisten Stan Getz, Tom Jobim und Astrud Gilberto, seiner Frau. Die Platte verkaufte sich in mehr als 1 Million Kopien, besonders durch den Titel “Garota de Ipanema“, der von da an zu einem der meist präsentierten und neuarrangierten Songs unzähliger Musiker unseres gesamten Planeten wurde. João Gilberto gewann verschiedene Grammies – inklusive den des “Album des Jahres“. Er lebte in den USA von 1962 bis 1980 – und verbrachte zwei Jahre in Mexiko. Durch seine Heirat mit der Sängerin Miúcha wurde er zum Schwager von Chico Buarque de Holanda – mit ihr hat er eine Tochter, Bebel, ebenfalls Sängerin, die in New York lebt.

Während seiner “nordamerikanischen Periode“ brachte er mehr als 10 Platten heraus und nahm an Aufnahmen von anderen Musikern teil. Zurück in Brasilien, brachte er ebenfalls einige Platten auf den nationalen Markt, mit unveröffentlichter Musik und seiner eigenwilligen Präsentation anderer Komponisten – aber auch eigene Kompositionen. Er macht sporadische Shows und häufige Tournées nach Japan, Asien und Amerika. 1999 kam die CD „João Voz e Violão“ auf den Markt, produziert von Caetano Veloso, die bei der Kritik gegenteilige Reaktionen auslöste. Im Repertoire zehn Titel von grossen Hits, wie „Desafinado“ (Tom Jobim/ Newton Mendonça), „Eu Vim da Bahia“ (Gilberto Gil), „Desde que o Samba É Samba“ (Caetano Veloso) und „Chega de Saudade“.

In den letzten Jahren seines Lebens hat sich João Gilberto komplett zurückgezogen. Aufsehen erregten einzig die ständigen Streitigkeiten mit seinen ältesten Kindern Bebel und João Marcelo sowie seiner letzten Ehefrau Faissol. Gilberto lebte zuletzt vereinsamt und verschuldet in einer Wohnung in Rio de Janeiro. Dort ist er am Samstag (06.07. 2019) 88-jährig verstorben.

Diskographie João Gilberto
  • GETZ/GILBERTO 76 (2016)
  • UM ENCONTRO NO AU BON GOURMET (2015)
  • FOR TOKYO EDITED ONLY IN JAPAN (2007)
  • JOÃO GILBERTO EN TOKYO (2004)
  • LIVE AT UMBRIA JAZZ (2002)
  • JOÃO VOZ E VIOLÃO (2000)
  • EU SEI QUE VOU TE AMAR (1994)
  • JOÃO (1991)
  • LIVE AT THE 19th MONTREUX JAZZ FESTIVAL (1986)
  • BRASIL – JOÃO GILBERTO, CAETANO VELOSO E GILBERTO GIL (1981)
  • AMOROSO (1977)
  • THE BEST OF TWO WORLDS – STAN GETZ e JOÃO GILBERTO (1976)
  • JOÃO GILBERTO (1973)
  • JOÃO GILBERTO EN MÉXICO (1971)
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