Warum sind wir im Sommer glücklicher?

Zuletzt bearbeitet: 31. Dezember 2021

Die heißeste Zeit des Jahres – der Sommer (der Sommer dauert in Brasilien vom 21. Dezember – 21. März) hat ihre Auswirkungen auf Körper und Geist. Chemische Veränderungen erklären, warum die Hitze unsere Emotionen und unser Lebensgefühl so sehr aufwühlt.

Glücklich sein – Foto: StockSnap auf Pixabay

„Wie köstlich ist der Sommer“, heißt es in dem Lied „Ombrim“ von Rosa Neon. Es ist „Zeit, glücklich zu sein“, so singt Ivete Sangalo in „It’s Summer“. Schon William Shakespeare hat sich dieser Jahreszeit hingegeben und in seinem Klassiker „Ein Sommernachtstraum“ Geschichten von Liebe und Magie miteinander verwoben.

Doch woher kommt die Faszination für diese Zeit, die auf der Südhalbkugel vom 21. Dezember bis zum 21. März dauert? Eine Kombination von Faktoren sorgt dafür, dass Körper und Geist gesünder und ausgeglichener werden, und macht diese Zeit zu der am meisten gefeierten des Jahres.

Ein spezieller Bereich, die Umweltpsychologie, untersucht das menschliche Verhalten in Bezug auf die Umwelt. „Das Klima beeinflusst, aber es bestimmt nicht“, erklärt der Psychologe, Spezialist für Integrative Medizin am “Hospital Albert Einstein” in São Paulo. Es ist wahrscheinlich, dass dies und vieles mehr – wie die größere Interaktion zwischen den Menschen auf den Straßen, in den Parks und an den Stränden, sowie die Ankunft der Feiertage – die Extrovertiertheit fördern und eine fröhliche Stimmung verbreiten.

Entfernte Herkunft

„Wir mögen den Sommer lieber, weil ein Großteil der Evolution unseres Gehirns an warmen Orten stattfand“, erklärt die Neurowissenschaftlerin, Architektin und Ingenieurin Claudia gegenüber einem Magazin. Die promovierte Neurowissenschaftlerin von der Universität Chicago (USA) und Gastdozent in der “Casa do Saber” meint: „Sommer ist ein Synonym für Leben, für Sonne, Wasser, Grün, Farben, Vögel usw. Wir leben freier, mit weniger Kleidung und sorgloser, zum Beispiel mit Essen nach Belieben“.

Die Forscherin sagt, dass sogar unsere Vorliebe für Farben von diesem Muster beeinflusst wird. „Die Lieblingsfarbe aller Menschen ist Blau. Warum? An warmen Orten, an denen wir uns entwickelt haben, gibt es viel blauen Himmel”. Hinzu kommt die Symbolik der Sonne, die generationenübergreifend ist. „Die Sonne wird in alten Kulturen als Gott verehrt und mit Expansion, Euphorie und Glück assoziiert”.

Das Licht der Sonne

Einer der Gründe, warum wir zu dieser Jahreszeit glücklicher sind, ist, dass wir mit chemischen Botenstoffen überschwemmt werden, die uns ein Gefühl des Wohlbefindens vermitteln. Ihre Produktion wird durch das Sonnenlicht aktiviert.

Dies ist der Fall bei “Serotonin”, dem Neurotransmitter der Freude, der auch die Stimmung, den Schlaf, den Appetit und die Körpertemperatur reguliert. Einige Studien deuten darauf hin, dass Serotonin in der Haut, unter Einwirkung ultravioletter Strahlen, synthetisiert wird. Das erklärt vielleicht die Attraktivität des Sonnenbadens und den Wunsch, den ganzen Tag am Strand oder im Schwimmbad zu verbringen – und die gute Laune, die man im Allgemeinen danach verspürt.

Dämmerung – Foto: PublicDomainPictures auf Pixabay

Die ersten Sonnenstrahlen am Morgen aktivieren die Produktion von “Cortisol”, dem Hormon, das uns wach macht und Energie spendet. „Die Sonne macht uns glücklicher, und deshalb ist mehr Serotonin im Kreislauf, aber es geht mit anderen Neurotransmittern und Hormonen in unserem Gehirn einher“. Licht reguliert auch unsere innere Uhr und bestimmt den Rhythmus von Schlaf und Wachsein. „Wenn die Dämmerung eintritt, sinkt der Cortison Spiegel und “Melatonin” wird ausgeschüttet, welches die idealen Voraussetzungen für den Schlaf schafft.

Dieses Gleichgewicht wirkt sich auf die Produktion anderer Hormone aus, begünstigt den Kampf gegen freie Radikale und die Regeneration des Gewebes, beeinflusst die Stimmung und die Gesundheit“. Der Mangel an Sonnenlicht ist der Hauptauslöser der saisonalen Depression, die in sehr kalten Ländern, wo die Nächte lang und die Tage kurz und grau sind, weit verbreitet ist.

Ein mächtiger Verbündeter

Die Sonnenstrahlen sind auch für die Bildung von Vitamin D in der Haut unerlässlich. Ursprünglich war es nur dafür bekannt, die Aufnahme von Kalzium zu verbessern und zur Stärkung des Skeletts beizutragen.

Sein Wirkungsbereich geht jedoch noch viel weiter. Wissenschaftler der Universität Oxford in England haben in 229 Genen des Körpers Rezeptoren für Vitamin D gefunden und damit dessen Bedeutung für die Gesundheit nachgewiesen. In fast 90.000 wissenschaftlichen Artikeln, die auf der PubMed-Website der “US National Institutes of Health” aufgeführt sind, wird der Mangel an diesem Vitamin mit dem Auftreten von Fettleibigkeit, Diabetes, Multipler Sklerose, Krebs, Depressionen und Alzheimer in Verbindung gebracht.

„Depressionen stehen in engem Zusammenhang mit einem Entzündungszustand, der durch chronischen Stress entsteht“, erklärt der Psychiater von der Abteilung für Psychiatrie der Medizinischen Gesellschaft von São Paulo. „Vitamin D erhöht entzündungshemmende Zytokine und verbessert diesen Zustand“.

Angesichts des ganzjährigen Sonnenscheins in den Tropen sollte man meinen, dass wir von dieser Gefahr verschont bleiben. Mehrere Studien haben jedoch niedrige Werte in Brasilien festgestellt. Eine der überraschendsten Untersuchungen wurde von dem Endokrinologen Professor an der “Universität von Pernambuco” (UPE), durchgeführt, der Patienten in Recife untersuchte, bei denen ein Herzinfarkt diagnostiziert wurde: 85 % hatten einen Vitamin-D-Mangel.

Soziale Isolation ohne Licht

Stellen Sie sich nun diesen Vitamin-D-Mangel bei Menschen vor, die in geschlossenen Räumen leben. In den sozialen Netzwerken kursieren Videos, in denen die Einnahme des Vitamins zur Prävention von Covid-19 empfohlen wird. „Es verbessert das Immunsystem, aber es ist verfrüht zu sagen, dass es gegen SARS-COV-2 wirkt“, sagt der Psychiater. Er rät, den Blutspiegel zu messen: Liegt er unter 30 Nanogramm pro Milliliter (ng/ml), wird ein Ersatz unter ärztlicher Aufsicht empfohlen. „Überhöhte Dosen können den Knochenstoffwechsel und die Nierenfunktion beeinträchtigen“, warnt er.

In Hängematte entspannen – Foto: lutz6078 auf Pixabay

Es lohnt sich auch, ein Sonnenbad zu nehmen. Die für die Bildung von Vitamin D wirksamsten Strahlen sind allerdings genau die gefährlichsten für Hautkrebs, nämlich zwischen 11 und 15 Uhr. Und die Verwendung von Sonnenschutzmitteln reduziert diese Synthese. Um diesen Widerspruch zu entkräften, rät der Professor folgendes: Schützen Sie das Gesicht mit Sonnenfilter-Crème und belassen Sie Beine und Arme ungeschützt während circa 20 Minuten – danach sollten Sie auch auf diese Körperteile Sonnenschutzfilter auftragen – am besten im Schatten!

Die Hilfe der Natur

Im Sommer locken die Hitze und die längeren Tage die Menschen an die Strände und in die Parks, was zum Stressabbau beiträgt. Es ist erwiesen: Dies ist gut für den Körper und die Seele. „Wir haben die Natur verlassen, aber die Natur hat uns nicht verlassen“, sagt der Professor. In verschiedenen Studien wurden die körperlichen und emotionalen Auswirkungen von Waldspaziergängen – von den Japanern „Waldbaden“ genannt – bewertet und gemessen.

Nach einer Befragung von 1.538 Einwohnern der australischen Stadt Brisbane, im Alter zwischen 18 und 70 Jahren, kamen die Wissenschaftler zu dem Schluss, dass diejenigen, die mehr Zeit in Parks verbrachten (mindestens 30 Minuten pro Woche), einen niedrigeren Blutdruck hatten und seltener an Depressionen und Angstzuständen litten. Diejenigen, die häufiger spazieren gingen, hatten auch bessere Werte bei der sozialen Interaktion. Die Studie wurde im Juni 2016 in der Zeitschrift “Nature” veröffentlicht.

Ein Team der “University of East Anglia”, in England, untersuchte 142 Arbeiten zu diesem Thema und kam zu dem Schluss, dass der Kontakt mit Grün den Blutdruck, die Herzfrequenz und die Produktion von Cortisol, das in erhöhtem Maße zu Stress führt, deutlich senkt. Außerdem wurde eine geringere Inzidenz von Diabetes und eine geringere Sterblichkeit aufgrund von Herzkrankheiten beobachtet. Die Studie wurde im Oktober 2018 in der Zeitschrift “Environmental Research” veröffentlicht.

Mehr Freiluft-Aktivität

Die Studie aus Brisbane ergab auch, dass längere und häufigere Spaziergänge auf Grünflächen zu mehr körperlicher Aktivität führen. Bewegung, insbesondere Aerobic, wie Gehen, Laufen, Radfahren und Tanzen, regt die Produktion von Beta-Endorphinen an, unserem natürlichen Schmerzmittel. Sie lindert nicht nur Schmerzen, sondern vermittelt auch ein Gefühl des Wohlbefindens, baut Ängste und Stress ab und trägt zum emotionalen Gleichgewicht bei.

Strand und Meer – Foto: Walkerssk auf Pixabay

Ende November letzten Jahres aktualisierte die Weltgesundheitsorganisation ihre Leitlinien für körperliche Aktivität und betonte, dass sich Menschen jeden Alters und jeder Leistungsfähigkeit bewegen sollten. „Körperlich aktiv zu sein, ist von grundlegender Bedeutung für Gesundheit und Wohlbefinden und kann das Leben um Jahre verlängern“, sagte WHO-Generaldirektor bei der Veranstaltung.

„Jede Bewegung zählt, vor allem jetzt, wo wir mit den Zwängen der Covid-19-Pandemie zurechtkommen müssen“. Die Empfehlung lautet, dass sich alle Erwachsenen, einschließlich derjenigen mit chronischen Krankheiten, mindestens 300 Minuten pro Woche mäßig oder 150 Minuten pro Woche kräftig bewegen sollten – Kinder und Jugendliche durchschnittlich 60 Minuten pro Tag!

Begehren auf dem Vormarsch

Laut einer Umfrage des Kondomherstellers “Trojan”, bei dem eintausend Männer und Frauen über 18 Jahren, in den Vereinigten Staaten, befragt wurden (Trojan’s Degrees of Pleasure), haben Menschen mehr Sex an warmen Orten. Die Siegerstadt war Miami – und die besten Wetterbedingungen für Sex waren Regenperioden.

Darüber hinaus fanden Forscher der Universität Berkeley, Kalifornien, im männlichen Schweiß eine Substanz mit aphrodisierender Wirkung, das “Pheromon Androstadienon”: Es wirkt sich auf die Produktion von Hormonen bei Frauen aus und begünstigt die Stimmung und das Verlangen.

Aber es gibt Ausnahmen

Obwohl die meisten Menschen warmes Wetter bevorzugen, gibt es Menschen, die die Hitze nicht vertragen und sogar unter einer saisonalen Sommerdepression leiden, die zwar seltener auftritt als eine Winterdepression und erst dann wieder abebbt, wenn das Thermometer zu fallen beginnt. „Der Winter zwingt uns, besser organisiert zu sein und für die Zukunft zu planen“.

Glüklich und zufrieden – Foto: Jill Wellington auf Pixabay

„Da wir extrem anpassungsfähig sind, können wir auch in extremen Situationen gut leben, wie in den nordischen Ländern, die trotz eines langen und strengen Winters zu den glücklichsten Ländern der Welt gehören“. Das Geheimnis liegt vielleicht darin, das Angenehme zu genießen und sich anzupassen, z. B. mit Licht die Dunkelheit auszugleichen oder mit einer Klimaanlage für eine milde Temperatur zu sorgen, wenn es nötig ist.

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AutorIn: Klaus D. Günther

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