Duo Matamá

Zuletzt bearbeitet: 3. Januar 2013

matama-kleinBrasilianische Musik mit Akzenten
Die brasilianische Instrumental-Musik hat nicht nur ein Publikum, sondern auch noch Künstler, welche sich fast ausschliesslich dieser Musik widmen. Ein Beispiel dazu ist das Duo MATAMÁ, deren Arbeit die brasilianische Musik mit den einzigartigen Akkorden des Flamencos mischt. Clemens Maria Pohlmann hat ein Special in seiner Sendung “Musika – die schönste Sprache der Welt”, mit der CD “Don Q.” und hat den Kontakt gut genutzt, ein Interview mit dem Duo für das Boletim zu machen:

MATAMÁ
Ist es möglich, dass zwei Musiker, die bis dato ganz verschiedene Musikstile spielten, sich treffen und von diesem Zeitpunkt an eine Gruppe bilden? Vielleicht an dieser Stelle nur eine rhetorische Frage? Juan Rodriguez Vila und Andre Krikula begegneten sich 1996 auf dem deutsch-französischen Kulturfestival “Sensaccion” in Durbán (Frankreich) und gründeten dort “Matamá”.

Interview: Clemens Maria Pohlmann ©
Brasilianische Version: Tânia Gabrielli-Pohlmann, ©
Link: Matamá
Mail: Juan Rodriguez Mail: Andre Krikula

Clemens Maria Pohlmann
Der Biografien gibt es manchmal viele. Welche Stationen sind für Sie besonders wichtig und stellten die Weichen in die heutige Richtung gestellt?

Juan Rodriguez Vila
Als Kind lebte ich mit meinen Eltern in Hannover – diese Zeit war für mich musikalisch von sehr grosser Bedeutung. Hannover hat eine grosse spanische Gemeinde, und auf Grund dessen gibt es auch ein vielschichtiges Kultur und Musikprogramm. Obwohl ich aus dem nordspanischen Galicien stamme, wurde hier meine Vorliebe für die Kunst der Flamenco-Gitarre, der Musik Andalusiens, geboren. Als ich bei einer Reise nach Andalusien ich das erste Mal Paco de Lucia (es war seine erste Veröffentlichung “Fuente y Caudal”) hörte, kaufte ich mir noch in diesem Jahr meine erste Flamenco-Gitarre.

Bis ich auch den Flamenco-Gesang schätzen und lieben lernte, sollten jedoch noch einige Jahre vergehen. Die Arbeit mit dem Flamenco-Sänger Jose Parrondo hat mich sehr beeinflusst und mir viel Wissen vermittelt. Und dann entstand – last but not least – Matamá und die Arbeit an unserem ganz persönlichen Stil.

Andre Krikula
Meine erste Baden-Powell-LP, mein Studium der klassischen Gitarre, die Zusammenarbeit mit den Flamenco-Gitarristen Juan Rodriguez, Thomas Hickstein und Jan Hengmith, mein Leben und die regelmässigen Aufenthalte zwischen 1986 und 2002 in Brasilien, die Zusammenarbeit mit meinen brasilianischen Kollegen und schliesslich Matamá.

Clemens Maria Pohlmann
Die Mitglieder von Matamá haben ihr Domizil in Hamburg. Auf welchem Weg kamen Sie in diese Stadt?

Juan Rodriguez Vila
Meine Eltern gehörten wohl zu den ersten spanischen “Gastarbeitern”. 1965 haben sie meine Schwester und mich nach Deutschland geholt. Über den Umweg von Hannover kam ich 1984 nach Hamburg.

Andre Krikula
Ich bin gebürtiger Hamburger!

Clemens Maria Pohlmann
Wollten Sie immer Instrumente zum Klingen bringen?

Juan Rodriguez Vila
Eigentlich war es immer die Gitarre, die als Instrument in Frage kam. Genaugenommen war es zunächst die Idee meiner Eltern gewesen. Ich selbst hatte gar nicht an Instrumente gedacht, sondern habe eigentlich immer lieber viel Unfug gemacht.

Andre Krikula
Ja, ich komme aus einer Musikerfamilie, Musik war immer wichtig und es war klar dass ich mein Leben der Musik widmen werde.

Clemens Maria Pohlmann
Zu welchem Zeitpunkt haben Sie sich für die Gitarre entschieden?

Juan Rodriguez Vila
Ab der ersten Stunde bei meinem Lehrer Jorge La Guardia. Ich war damals zwölf und in einer Gruppe von 20 spanischen Kindern. Einmal die Woche, immer sonntags, ging es in die spanische Mission und dort wurde für zwei bis drei Stunden Gitarre gespielt. Die Lieder und Übungen, die wir lernten, waren von Jorge aus dem Bereich Südamerika gewählt. Es wurde sehr viel gesungen, was für mich, der aus einer “nicht musikalischen” Familie stammt, ganz was Neues war.

Andre Krikula
Mein erstes Instrument war die Mandoline, mit 9 Jahren bekam ich dann eine Gitarre, dabei blieb es.

Clemens Maria Pohlmann
Was will der Flamenco ausdrücken?

Juan Rodriguez Vila
Ich glaube, dass das Empfinden doch für jeden anders ist. Man kann diese Stimmungen nicht verallgemeinern. Es gibt unterschiedlichen Gattungen, wir nennen sie “palos”, im Flamenco. Manche haben einen fröhlichen Charakter, andere sind eher schwermütig, andere wiederum frech. Ich glaube Flamenco passt in jede Stimmungs- und Gefühlslage des Lebens.

Clemens Maria Pohlmann
Was zeichnet einen guten Flamenco-Gitarristen aus?

Juan Rodriguez Vila
Da fragen Sie den Falschen …

Clemens Maria Pohlmann
Gab es vor der Gründung von Matamá auch andere Richtungen der Musik, die Sie öffentlich darboten?

Juan Rodriguez Vila
Ja, ich habe viele Jahre bereits im Bereich Flamenco-Tanz und Gesangbegleitung gearbeitet und Musik für Tanzprojekte geschrieben.

Andre Krikula
Ja. Mein Programm mit Interpretationen brasilianischer Musik und eigenen Kompositionen. Ich veröffentlichte die CD “Criacao” und tourte mit den Musikern Afonso Correa und Ronaldo Nascimento durch die Clubs in Deutschland.

Clemens Maria Pohlmann
Haben Sie andere Bereiche in der Musik – Kunst, in denen Sie in irgendeiner Form aktiv sind?

Andre Krikula
Ausser mit brasilianischer Musik und Flamenco beschäftige und experimentiere ich mit Jazz und arrangiere deutsche Lieder (z. B. von Kurt Weil oder K. Wecker) mit brasilianischen Harmonien und Grooves. Auch komponiere ich eigene Lieder. Es klingt aber immer irgendwie alles brasilianisch was ich mache…

Clemens Maria Pohlmann
Sind Sie als Solist auf der Bühne zu sehen?

Juan Rodriguez Vila
Nein. Ich trete grundsätzlich nicht allein auf.

Andre Krikula
matama4Ja, ich trete mit meinem Soloprogramm auf, Anfang 2004 habe ich meine Solo-CD “13 Brasilian Tunes” eingespielt mit Interpretationen der Klassiker der Música Popular Brasileira. Ausserdem gibt es Konzerte mit eigenen Interpretationen der Kompositionen des Gitarristen Baden Powell.

Clemens Maria Pohlmann
Gibt es Pläne für die Zukunft?

Andre Krikula
Natürlich, Juan und ich arbeiten an einem neuen Programm für Matama, eine neue CD soll folgen. Ich persönlich möchte gerne das Baden Powell Programm solo und mit Band live spielen und auf CD bringen.
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Clemens Maria Pohlmann
Gibt es für Sie so etwas wie Freizeit und was machen Sie dann?

Juan Rodriguez Vila
Es gibt leider zu wenig Freizeit. Aber wenn, dann bin ich gern mit meiner Familie zusammen. Ausflüge, Gartenarbeit oder einfach Gitarre spielen und komponieren.

Andre Krikula
Üben komponieren und autogenes Training entspannt mich. Ich habe jahrelang regelmässig Sport gemacht was aktuell leider etwas zu kurz kommt Ausserdem verbringe ich gerne die Zeit mit meiner Familie, ich habe 2 Söhne. Das Zusammensein ist zum Mittelpunkt meines Lebens geworden.

Clemens Maria Pohlmann
Nach dem Studium in Hamburg haben sie ihre Ausbildung in Rio de Janeiro weitergeführt. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Andre Krikula
Durch ein Stipendium der Stadt Hamburg und meine damalige Frau Rogeria Soares, hatte ich die wunderbare Möglichkeit in Brasilien zu leben.

Clemens Maria Pohlmann
In welcher Form sind die in Rio de Janeiro erworbenen künstlerischen Kenntnisse ein Teil Ihres heutigen Schaffens?

Andre Krikula
Die wichtigsten Erfahrungen in meinen Brasilien-Aufenthalten waren die Erfahrungen mit den Menschen und der Gesellschaft und Sprache. Das alles bildet eine fundamentale Grundlage für mein Spiel und meine Art, die Stücke interpretieren zu können, z. B. Wissen über die Texte und Lyrik.

Clemens Maria Pohlmann
Wie haben Sie Rio de Janeiro abseits der Zeit von Studien und Auftritten erlebt?

Andre Krikula
Wie ich schon sagte, im Zusammenleben mit der Familie meiner damaligen Frau, den gesellschaftlichen Ereignissen, der Schönheit des Landes und den Menschen. Ich habe die Erfahrung gemacht in einer von Willkür geprägten Gesellschaft mit starker Kriminalität zu leben und doch Menschen mit nie gekannter Lebensfreude kennen zu lernen. Eines der schönsten Erlebnisse: Die einmalige Gastfreundschaft der Menschen erfahren zu können.

Clemens Maria Pohlmann
Brasilianische Musik mit Leichtigkeit und Exotic gleichzusetzen, ist das nicht eine Verkürzung dieser überaus reichen Kulturrichtung?

Andre Krikula
Ja, aber haben Sie einen besseren Slogan, mit 1 bis 2 Worten zu sagen was man tut?

Clemens Maria Pohlmann
Unter welchen Gesichtspunkten suchen Sie sich die brasilianische Musik aus, die Sie spielen?

Andre Krikula
Unter den Gesichtspunkten meines persönlichen Geschmacks. Was mir gefällt interpretiere ich, wobei der Schwerpunkt auf der musikalischen und nicht auf der lyrischen Seite liegt, was aber nicht heisst dass ich mich nicht mit den Texten auseinander setze. So bin ich in der Lage, meinem deutschen Publikum den Inhalt der brasilianischen Texte nahe bringen zu können.

Clemens Maria Pohlmann
Waren Ihre künstlerischen und anderen Wege so unterschiedlich, dass Sie sich vorher nicht begegneten?

Juan Rodriguez Vila
Hamburg ist eine Grossstadt. Und wenn man fest in seiner Musikszene arbeitet, kann einige Zeit vergehen, bis man sich begegnet.

Andre Krikula
Unsere künstlerisches Umfeld war gar nicht so unterschiedlich. Mir fällt der Vergleich mit meiner jetzigen Lebenspartnerin ein: wir lebten ca. 5 Jahre lang im selben Stadtteil, ca. 200 Meter voneinander entfernt, kauften im selben Supermarkt ein und sind uns doch nie bewusst begegnet. Heute haben wir 2 Kinder, Juan und ich 2 CD’s… so ist das Leben!

Clemens Maria Pohlmann
Durbán 1996 = Gründung von Matamá. Bei meinen Recherchen habe ich immer von gegenseitiger Sympathie gelesen. Können Sie das ausführlicher in Worte fassen?

Juan Rodriguez Vila
Wir haben uns nicht nur musikalisch gut verstanden. Hatten viel Spass dabei, unsere Musik zu verbinden. Wir hatten zwei Wochen Zeit und am Ende des Festivals in Durbán schon ein Teilprogramm zusammen gespielt.

Andre Krikula
Wir verstehen uns als Musiker und als Menschen. Das ist eine wichtige Grundvoraussetzung, um so ein Projekt fast 10 Jahre lang aufrecht zu erhalten.

Clemens Maria Pohlmann
In dem o.a. Kontext steht etwas von der gegenseitigen Begeisterung der musikalischen Stylistik des Anderen, was der Beschreibung eines Produktes gleicht. Zu fühlen oder zu beschreiben ist ein Unterschied. Würden Sie es versuchen?

Juan Rodriguez Vila
Für mich war es toll, diese andere Art der harmonischen Formen und Varianten der Musik Brasiliens verstehen zu lernen, die so ganz anders als die Flamenco-Formen für mich waren. Der Songcharakter und die Virtuosität faszinierten mich.
Und das zu mischen mit viel Rhythmus und groovenden Flamenco-Anschlägen, das war eine Fusion, die mir sehr gefiel und bis heute gefällt.
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Clemens Maria Pohlmann
Brasilianische Musik und dem Flamenco: Unterschiede und Gemein-samkeiten?

Matamá
matama6Beide Stilistiken haben ihre Wurzeln, trotz ihres unterschiedlichen musikalischen Ausdrucks, in der Iberischen Halbinsel. In beiden Stilen spielt auch heute noch die Klassik-Gitarre eine massgebliche Rolle. Trotzdem ist der musikalische Ausdruck der brasilianischen Stilistik, der ich mich verpflichtet fühle, also des Samba, Choro, Bossa Nova, grundsätzlich unterschiedlich. Brasilianische Musik beinhaltet zum grossen Teil ein gewisses Mass an Entspanntheit, Zurückgelehntheit und Weichheit. Ich empfinde sie als feminin.

Clemens Maria Pohlmann
Hat sich seit 1996 ein Verfahren entwickelt, wie Sie nach neuen Klangformen suchen? Oder?

Matamá
Meist bringt einer von uns eine Kompositionsvorlage, auf deren Basis wir dann gemeinsam das Arrangement entwickeln. Wir haben keine spezielle Verfahrensweise. Zeit haben, viel zusammen spielen und ein wenig experimentieren.

Clemens Maria Pohlmann
Matamá produzierte seine CD Don Q. bei Acoustic-Music in Osnabrück mit zwei Gastmusikern. Wurden die Musiker nach den Arrangements ausgesucht oder die Arrangements wegen der Musiker so und nicht andres geschrieben?

Matamá
Die Musiker werden nach den Arrangements ausgesucht. Aber prinzipiell schreiben wir die Themen so, dass wir sie auch überzeugend als Duo präsentieren können, was wir auch regelmässig machen.

Clemens Maria Pohlmann
“Don Q.” wurde 2002 produziert. Die (Fach)Presse ist begeistert. Glauben oder spüren Sie, wie das Publikum diese Musik annimmt?

Matamá
Man kann sagen, dass wir eigentlich immer ein begeistertes Publikum haben. Wir bekommen sehr viel Resonanz nach unseren Konzerten. Und wir sehen auch, wie das Publikum unsere Musik geniesst. Auch über unsere Webseite bekommen wir Post von Konzertbesuchern, die unsere Musik sehr bewegt und die wörtlich davon reden, dass sie mit unserer Musik die “Seele baumeln lassen können”. Was will man mehr.

Clemens Maria Pohlmann
Hat Matamá neue Projekte? Wie gross wird der Anteil an brasilianischer Musik sein?

Matamá
Wie schon erwähnt, wir arbeiten an einem neuen Programm. Wie gross der Anteil brasilianischer Musik sein wird lässt sich nicht konkret sagen, da wir unsere Musik ja auch als Mischung beider Stile empfinden. Es wird sicherlich zwei Interpretationen brasilianischer Komponisten geben.

Clemens Maria Pohlmann
Welches ist die Soziale Rolle eines Künstlers?

Juan Rodriguez Vila
Wenn damit gemeint ist, in wie weit man sich politisch oder gesellschaftlich mit seiner Kunst engagiert, so glaube ich, gibt es keine vorgegebene Bestimmung dazu. Wenn ein Künstler dank seiner Bekanntheit und Akzeptanz in der Gesellschaft mit seinem Engagement Augen öffnet und Meinungen vertritt, so ist das prinzipiell gut zu heissen. Gute Beispiele dafür sind zum Beispiel Sting, Bono oder Bob Geldorf oder Veranstaltungen wie Live Aid.

Andre Krikula
Die, die er sich gibt. So mannigfaltig wie die Gesellschaft ist. Man kann auf Hochzeiten spielen, auf Beerdigungen, auf politischen Veranstaltungen… Wir begleiten und kommentieren das gesellschaftliche Leben.

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