Der Himmel war blau und das Licht war da und bewegte sich nicht, seit die Welt geschaffen worden war. Und dann fand ein Indianer den Kern einer Frucht. Er schüttelte ihn und bemerkte irgend etwas Loses in seinem Innern. Er hielt ihn ans Ohr und hörte komische Geräusche darin. Wie Stimmen von Vögeln, das Quaken von Fröschen und Kröten – und das Gezirpe von Grillen und anderen Insekten dazwischen. Neugierig, wie er war, brach er den Fruchtkern auf . . . und die Nacht kroch hervor und breitete sich über die Welt aus mit ihren dunklen Abgründen und ihrem Schweigen. Und mit der Nacht entwickelten sich auch die Geschichten, die man sich im Schein des Feuers erzählt.
So entstand die Nacht aus der Neugier der Menschen. Und mit ihrer Stille, ihren flüsternden Stimmen und geheimnisvollen Geräuschen gab sie der angeborenen menschlichen Neugier mehr Nahrung als alles andere. Denn wenn das häusliche Feuer erloschen war, in den nächtlichen Stunden der Ruhe, pflegten Indianer und Gaúchos sich selbst und andere nach dem “Warum“ der Dinge zu fragen. Warum, zum Beispiel, erschien der Mond am Himmel mitten in der Nacht? Wo doch die Geschichte deutlich macht, dass aus dem Fruchtkern nur die Nacht heraus gekrochen war – ganz allein und ohne Mond oder Sterne oder sonst irgendwas?
Nach Afonso Schmidt aus “Lendas Brasileiras“
Überarbeitet von Klaus D. Günther für BrasilienPortal
Zeichnung © Edgar Koetz