Geschichte des Oktoberfestes

Zuletzt bearbeitet: 30. Dezember 2012

Inspiriert durch das Oktoberfest in München haben die Einwohner der kleinen Stadt Blumenau im Süden Brasiliens vor über einem Vierteljahrhundert ihre ganz eigene Version des beliebten Volksfestes aus der Taufe gehoben. Nach einem schweren Hochwasser und der damit verbundenen Zerstörung zahlreicher Bereiche der Stadt wollten die Einwohner mit dem Fest drei Dinge erreichen: ihre Liebe zum Leben demonstrieren, die Traditionen der ehemaligen deutschen Kolonie wiederbeleben und vor allem Geld für den Wiederaufbau nach der verheerenden Überschwemmung in die Stadtkasse spülen. Das Oktoberfest in Blumenau ist damit zwar aus einer Not heraus geboren, jedoch mit Begeisterung groß und letztendlich vor ein paar Jahren durch ausgefeiltes Marketing erwachsen geworden.

Als 1984 das erste Oktoberfest seine Pforten öffnete, erwartete wohl niemand, dass sich das Fest zu einem Dauerbrenner entwickeln würde. Doch als nach 10 Tagen rund 102.000 Menschen und damit knapp die Hälfte der Einwohner der Stadt den Pavillon A des Messegeländes besucht hatten, musste es eine Fortsetzung geben. Durchschnittlich knapp 1 Liter Bier pro Kopf wurden bei der ersten Ausgabe konsumiert – ein Wert der erst 28 Jahre später wieder erreicht werden sollte. Bereits beim zweiten Oktoberfest wurde auch der Pavillon B mitgenutzt, 362.000 Besucher erfreuten sich an leckerem Gestensaft und an den ersten deutschen Gruppen, die den Weg in die Stadt im Hinterland des Bundesstaates Santa Catarina gefunden hatten.

Seine Blütezeit erlebte das zum Mammutspektakel erwachsenen Familienfest dann von 1986 bis 1995. Durchschnittlich 900.000 Menschen kamen jährlich zu den Festivitäten nach Blumenau, 1988 und 1992 wurden sogar über 1 Million Besucher registriert. Mit dabei war stets der deutsche Volksmusik-Star Helmut Högl, der 1987 die noch heute beliebte und offizielle zweisprachige Oktoberfest-Hymne „Hallo Blumenau“ komponiert hatte. Der damals aufflammenden Diskussion, nur noch deutsches Liedgut zuzulassen, stand auch er verständlicherweise ablehnend gegenüber. 1990 konnte dann mit Brahma eine große brasilianische Brauerei gewonnen werden, die auch heute noch den meisten „Chopp“ auf dem Oktoberfest unter die Leute bringt.

Mitte der 90er Jahre wollten es die Verantwortlichen dann ganz genau wissen und bauten das Messegelände massiv um. Die alten Verkaufsbuden und Freßstände wurden abgerissen und durch moderne Installationen ersetzt. Das Ziel, dadurch ein qualitativ hochwertigeres Publikum anzuziehen, schlug jedoch fehl. Vor allem in Uruguay und Argentinien wurde massiv Werbung für den Event gemacht, das regionale Publikum allerdings sträflich vernachlässigt. Ergebnis war ein eklatanter Rückgang in den Folgejahren um fest die Hälfte auf nur noch knapp 500.000 Besucher. Das Oktoberfest hatte damit endgültig seinen Ruf als Familienfest für die einheimische Bevölkerung verloren. Selbst bis heute haben sich die Besucherzahlen davon nicht mehr erholt.

Die letzte große Veränderung vollzog sich dann in den Jahren 2005 und 2006. Zunächst wurden vier regionale Brauereien in die Festivitäten integriert: neben der Hauptmarke Brahma standen für die Besucher auch „Eisenbahn“ und „Bierland“ aus Blumenau, „Zehn Bier“ aus Brusque und „Heimat“ aus Indaial zur Auswahl. Erstmalig stand die jährliche Veranstaltung auch unter einen speziellen Motto, der Eingangsbereich wurde umgebaut und die Umzüge durch das Stadtzentrum ausgeweitet. Für das Oktoberfest 2006 verwandelte sich dann das Messegelände endgültig in den „Parque Vila Germânica“. Die alten Hallen wurden entweder abgerissen oder aufwendig modernisiert und zudem miteinander verbunden. Nun standen damit 3 Sektoren mit einer jeweiligen Fläche zwischen 5.000 und 7.200 Quadratmetern ganzjährig für Veranstaltungen zur Verfügung. Auch eine Geschäftsstraße mit kleinen Lädchen sowie ein Restaurant wurden in das Projekt integriert.

Das Oktoberfest erlebte damit eine Art „Wiedergeburt“, die in den brasilianischen Medien landesweit Beachtung fand und vor allem bei Reiseveranstaltern auf großes Interesse stieß. Nach lediglich 365.000 Besuchern im Vorjahr konnten in 2006 damit erneut 602.000 Oktoberfest-Fans begrüßt werden. Auf diesen Wert hat sich das jährliche Spektakel mittlerweile eingependelt, lediglich 2009 feierten knapp 730.000 Menschen in den drei Sektoren des „germanischen Dorfes“. Im Jahr zuvor hatten erneut Überschwemmungen und Erdrutsche für massive Zerstörung in Blumenau gesorgt und eine landesweite Spendenaktion ausgelöst. Der Besucheranstieg im Folgejahr begründen die Verantwortlichen daher mit der „Neugier“ der Menschen, die sich ein Bild vom Wiederaufbau in der Stadt machen wollten. Mit 578.870 und 563.925 in den Jahren 2010 und 2011 blieben die Zahlen allerdings erneut leicht unter den Erwartungen zurück.

Interaktive Karte vom „Parque Vila Germânica“

Oktoberfest-Statistik

Ausgabe Jahr Oktober Besucher Faßbier (Liter)
1. 1984 05 bis 14 102.000 103.000
2. 1985 05 bis 14 362.371 182.530
3. 1986 03 bis 19 802.230 485.855
4. 1987 02 bis 18 874.945 560.713
5. 1988 05 bis 14 1.009.057 721.652
6. 1989 06 bis 22 954.692 765.739
7. 1990 05 bis 21 959.998 774.672
8. 1991 04 bis 20 844.255 561.774
9. 1992 01 bis 17 1.010.060 553.491
10. 1993 01 bis 17 853.000 406.814
11. 1994 06 bis 23 827.000 501.062
12. 1995 05 bis 22 929.793 502.386
13. 1996 10 bis 27 515.213 352.293
14. 1997 02 bis 19 500.245 290.395
15. 1998 08 bis 25 500.000 312.037
16. 1999 07 bis 24 616.222 290.337
17. 2000 04 bis 21 626.620 265.342
18. 2001 04 bis 21 626.620 265.342
19. 2002 10 bis 26 502.937 242.654
20. 2003 02 bis 19 605.538 263.120
21. 2004 07 bis 24 613.184 269.380
22. 2005 07 bis 23 365.288 266.811
23. 2006 05 bis 22 602.941 370.000
24. 2007 04 bis 21 690.144 *365.000
25. 2008 09 bis 26 594.636 *373.984
26. 2009 01 bis 18 731.934 *450.514
27. 2010 07 bis 24 578.870 *583.681
28. 2011 06 bis 23 563.925 *626.547

* Gesamtkonsum Faßbier, Importiertes Bier in Flaschen ist nicht berücksichtigt.

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AutorIn: Dietmar Lang · Bildquelle: BrasilienPortal / Dietmar Lang (IAPF)

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