Der Beginn der südamerikanischen Staatengemeinschaft Die Staats- und Regierungschefs von zwölf südamerikanischen Staaten haben am Freitag, den 23. Mai 2008 die Gründungsurkunde der Union südamerikanischer Nationen – Unasul – unterzeichnet. Das Staatenbündnis soll die wirtschaftliche, politische und soziale Integration auf dem Subkontinent verbessern. Bislang wurde über diese rein südamerikanische Angelegenheit in Europa wenig berichtet. Nachfolgend haben wir daher für Sie die wichtigsten Fragen über die Entstehung und die Ziele der Unasul zusammengestellt.
1) Was ist Unasul?
Unasul ist ein Zusammenschluss von 12 südamerikanischen Ländern mit dem Ziel, die Integration der Region zu vertiefen. Im portugiesischen heisst Unasul “União das Nações Sul-americanas“ – “Union der Nationen Südamerikas“. Im Spanischen heisst das Bündnis Unasur.
Südamerika hat aufgrund seiner natürlichen Ressourcen grosse internationale Bedeutung als eines der wichtigsten Zentren im Bereich Energie- und Nahrungsmittelproduktion auf der Welt. Chile und Peru sind zudem die wichtigsten Adressen der weltweiten Bergbauindustrie.
Mitglieder der Unasul sind Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay, Venezuela, Chile, Bolivien, Kolumbien, Ecuador, Guyana, Suriname und Peru. Lediglich das französische Übersee-Department Französisch-Guyana, welches zur Europäischen Union gehört und die britischen Kolonien auf den Falklandinseln bilden weisse Flecken auf der Landkarte.
2) Wie wurde Unasul “geboren“?
Die Initiative zur Gründung des Organs, aus der nun Unasul hervorging, wurde offiziell im Dezember 2004 auf dem dritten südamerikanischen Gipfel in Cusco in Peru thematisiert. Das Projekt trug zuerst den Namen “Casa“ (Comunidade Sul-Americana de Nações) – “Gemeinschaft Südamerikas der Nationen“ und wurde im vergangenen Jahr in Venezuela beim ersten Zusammentreffen bezüglich einer gemeinsamen südamerikanischen Energiepolitik auf den heutigen Namen abgeändert. Bewegung kam dabei durch den venezolanischen Staatspräsident Hugo Chavez in den Prozess, der wiederholt die Trägheit der regionalen Integration kritisierte.
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3) Welches sind die wichtigsten Ziele des neuen Organs?
Die wichtigsten Ziele der Unasul sind die politische, ökonomische und soziale Koordinierung in der Region. Durch das Bündnis soll eine tatsächliche Integration realisiert werden, auch im Bereich Energie, Telekommunikation, Wissenschaft und Bildung. Aber auch Finanzierungsmechanismen sollen gemeinsam ausgearbeitet werden.
4) Was wurde nun in Brasília vereinbart?
Seit dem Treffen in Brasília am 23. Mai 2008 hat die Unasul eine eigene Politik, praktisch gesehen ist sie nun ein internationales Organ. Sie ist dadurch nicht mehr nur auf ein Diskussionsforum beschränkt, sondern kann gemeinsame Massnahmen verabschieden.
Die Staats- und Regierungschefs der Länder haben durch die Unterzeichnung des Gründungsvertrages offiziell die Unasul in den Status eines internationalen Organs gehoben, allerdings muss der Wortlaut des Vertrages noch von neun der zwölf Länder ratifiziert werden.
5) Was wurde sonst noch in Brasília diskutiert?
Die Regierungsvertreter diskutierten zudem die Gründung eines südamerikanischen Verteidigungsrates. Die Idee wurde offiziell von Brasilien präsentiert, stiess jedoch auf Ablehnung bei Kolumbien. Allerdings hat die Idee seit Anfang des Jahres an Gewicht gewonnen, nachdem die Krise zwischen Kolumbien, Ecuador und Venezuela die Region beunruhigte. Ein regionaler Sicherheitsrat hätte dies vermutlich bereits im Keim ersticken können.
6) Welche weiteren internen Gremien sind neben dem Verteidigungsrat geplant?
Es existieren Pläne zur Gründung eines eigenständigen Parlamentes der Unasul, allerdings gibt es derzeit noch keinen Zeitrahmen, wann dies in die Praxis umgesetzt werden soll. Unasul wird jedoch einen ständigen Sitz haben, der mit grosser Wahrscheinlichkeit in Quito in Ecuador bleibt.
7) Welchen Umfang hat Unasul?
Die beteiligten 12 Länder verfügen laut Daten der Wirtschaftskommission Lateinamerikas und der Karibikstaaten über etwa 360 Millionen Einwohner. Das Bruttoinlandsprodukt lag 2006 bei 2.5 Billionen US-Dollar.
Davon entfielen rund 1.06 Billionen auf Brasilien. In Jahr 2007 lag das BIP in Brasilien bei 1.3 Billionen US-Dollar. Weitere Ungleichgewichte gibt es bei den Einwohnern. So hat z.B. Brasilien rund 180 Millionen Einwohner, Uruguay jedoch nur 3 Millionen.
8) Welchen Herausforderungen muss sich Unasul stellen?
Derzeit haben die Regierungen der beteiligten Länder unterschiedliche Vorstellungen von den realen Ergebnissen des Bündnisses. Diese in den kommenden Jahren auf einheitliche Ziele auszurichten ist vermutlich die schwierigste Aufgabe innerhalb der neuen Gemeinschaft.
Chile z.B. hat drei grosse Interessensbereiche bei der Integration: Energie, Infrastruktur und einer sozialverträgliche Politik. Bolivien wiederum hofft auf den Wegfall von Handelshemmnissen und das Unasul eine “Völkergemeinschaft“ wird.
Hinzu kommt, dass in einigen Bereiches sich derzeit noch nicht einmal einzelne Staaten untereinander auf ein einheitliches Ziel einigen können, wie z.B. im Bereich der Energiepolitik, wo die vier Länder, Brasilien, Argentinien, Bolívien und Chile auch nach vielen Verhandlungsrunden noch immer nicht in der Nähe einer greifbaren Lösung sind.
Bilaterale Fragen zwischen Staaten der Region müssen zudem ebenfalls als Herausforderungen angesehen werden. Dazu gehört unter anderem der Territorial-Streit zwischen Chile und Peru nach dem Pazifischen Krieg im 19. Jahrhundert oder auch die Forderung Boliviens an Chile nach einem Zugang zum Meer, welche das heutige Binnenland im selben Krieg verloren hat.
Daneben streiten Venezuela, Ecuador und Kolumbien weiterhin über den Umgang mit der kolumbianischen Rebellenorganisation Farc. Auch hier wurde seit der Krise Anfang des Jahres noch keine Lösung gefunden.
9) Wie sehen die nächsten Schritte aus?
Die Präsidentschaft der Union rotiert und beginnt mit Chile und geht dann nach einem Jahr auf Kolumbien über. In den kommenden Monaten sollen verschiedene Räte gegründet werden, wie der Rat der Staatschefs, der Rat der Aussenminister und ein Abgeordnetenrat.
Jährlich soll mindestens ein Treffen der Staats- und Regierungschefs stattfinden, der Rat der Aussenminister soll mindestens alle sechs Monate zusammentreffen.
10) Welche Zukunftsvisionen gibt es noch?
Da die Unasul nach Vorbild der Europäischen Union gegründet wurde, ist in einigen Bereichen ebenfalls eine Vereinheitlichung in den Mitgliedsstaaten möglich. Dies könnte eines Tages auch eine einheitliche Gesetzgebung beinhalten.
Auch der Wegfall von Grenzkontrollen, einheitliche Dokumente wie Reisepässe und sogar ein einheitliches Währungssystem ist möglich. Hierfür wird zudem bereits die Gründung einer südamerikanischen Bank geplant, die dann als Zentralbank fungieren soll. Doch alle diese Visionen sind nur durchführbar, wenn alle beteiligten Staaten für die Realisierung des Gesamtkonzeptes selbst Abstriche machen und dem neu gegründeten Bündnis mehr Kompetenzen übertragen. Optimistische Planungen sehen eine gemeinsame Geldpolitik frühestens im Jahr 2025.