Eine Doktorarbeit listet 655 Vogelarten im Bundesstaat Acre auf und führt neue Feldforschungen in Regionen durch, welche bisher noch nie von Ornithologen besucht worden sind. Die Agentur des Goeldi-Museums: „Eine der grössten Herausforderungen dieses Jahrhunderts ist es, die Ausrottung tausender Arten von Organismen zu verhindern, welche heute durch die wachsende Ausbreitung menschlicher Aktivitäten auf unserem Planeten bedroht sind“, bestätigt der Biologe Edson Guilherme da Silva, der innerhalb des Themas der Biodiversifikation seine Doktorarbeit über die „Vogelfauna des Bundesstaates Acre: Komposition, Geografische Verbreitung und Erhaltung“ schrieb.
Studien in den tropischen Regenwäldern haben ergeben, dass sie der Lebensraum von mehr als der Hälfte aller Pflanzen- und Tierarten unseres Planeten sind. Und dass sie ausser dieser enormen Biodiversifikation dazu beitragen, die klimatische Stabilität des Planeten zu erhalten. Amazonien ist die grösste und artenvielfältigste tropische Waldfläche des Planeten, die mehr als sechs Millionen Quadratkilometer in neun Ländern des nördlichen Südamerika bedeckt. Der Autor jener Doktorarbeit führt an, dass Amazonien wenigstens 40.000 Arten von Pflanzen, 427 Arten von Säugetieren, 1.294 Vogelarten, 378 Reptilienarten, 427 Arten Amphibien und mehr als 3.000 Fischarten beherbergt – und sie machen zirka 10% der weltweiten Biodiversifikation aus.
Die Forschung von Edson Guilherme, der Professor des „Centro de Ciências Biológicas e da Natureza da Universidade Federal do Acre (UFAC) “ ist, füllt die Datenlücke hinsichtlich der Vielfalt der Vogelarten des Bundesstaates Acre „Meine These versucht die Diversifikation und Verbreitung einer spezifischen Tiergruppe, der Vögel, innerhalb unseres Staates in akkuratester Form zu beschreiben“ fasst er zusammen. Wie viele und welches sind die Vogelarten im Bundesstaat Acre – wie sind diese Arten innerhalb des Staates verteilt – welches ist ihr Zustand der Erhaltung – das waren die bedeutendsten Fragen, die von der Untersuchung behandelt worden sind.
„Am Ende unserer Arbeit hatten wir 655 Arten als in Acre beheimatet, bestätigt (verteilt auf 73 Familien und 23 Ordnungen), davon wurden fünf Arten zum ersten Mal in brasilianischem Territorium registriert – es sind: der „Flamingo-da-puna“ (Phoenicoparrus jamesi) – der „Pica-pau-anão“ (Picumnus subtilis) – der „Arapaçu-de tschudi“ (Xiphorhinchus chunchotambo) – der „Flautim-rufo“ (Cnipodectes superrufus) und der „Canaleiro“ (Pachyramphus xanthogenys) „, erklärt der Autor.
In Übereinstimmung mit dem Brasilianischen Ornithologischen Registrations-Komitee (CBRO) besitzt Brasilien gegenwärtig 1.825 Vogelarten (es waren 1.820 vor der Doktorarbeit des Edson Guilherme) und ist, so sagt dieser, eines der reichsten Länder an Arten in Südamerika. Einige Orte des westlichen Amazonien, dicht am Fuss der Anden gelegen, registrierten die Präsenz von mehr als 500 Vogelarten – der grösste Teil endemischer Lebensräume von Vögeln wird von grossen Flüssen begrenzt, wie zum Beispiel dem Rio Madeira, dem Rio Tapajós und dem Rio Xingu.
Um eine vorläufige Liste der Vogelarten aufzustellen, welche im Acre vorkommen, begann man mit einer ausführlichen bibliografischen Revision – diese ergänzte man anschliessend durch eine Datenbank mit Arten-Registrierungen der jüngeren Zeit – inklusive Orts- und Beobachtungsdaten, Identifikation der Spezies, Name des Beobachters und/oder Sammlers, sowie der Institution, in der diese Spezies aufbewahrt worden sind.
Der nächste Schritt war dann die Aktualisierung der wissenschaftlichen Nomenklatur – denn die Namen einiger Arten waren nach taxonomischer Revision entsprechend geändert worden und, ausgehend von den registrierten ornithologischen Expeditionen im Acre, wurde es möglich, den Bestimmungsort praktisch aller im Acre gesammelten Arten nachzuverfolgen. Die grosse Mehrheit dieser Arten befindet sich im Besitz der ornithologischen Sammlung „Dr. Fernando C. Novaes“ des Goeldi-Museums in Pará, wo der Autor der These Gelegenheit zur Examinierung jeder einzelnen Art bekam. Was die an anderen Orten deponierten Arten betrifft, wie zum Beispiel im „Museu de Zoologia da Universidade de São Paulo (MZUSP), Museu Nacional do Rio de Janeiro (MNRJ), Lousiana State University Museum of Natural Science (LSUMZ) „, unter anderen, hat der Autor die entsprechenden Informationen durch Übermittlung der Kuratoren jener Sammlungen eingeholt.
Feldstudien
Während der Jahre 2006 und 2007 wurden insgesamt zwanzig Expeditionen zum Acre durchgeführt, mit dem Ziel, Vögel zu registrieren und zu sammeln – und dafür hatte man Regionen ausgesucht, aus denen man wenige oder gar keine vorherigen ornithologischen Aufzeichnungen hatte. Die gesammelten Spezies wurden seziert und in die ornithologische Sammlung des Goeldi-Museums eingereiht.
Basierend auf diesen Informationen hat man dann eine Datenbank erarbeitet mit allen Lokalitäten des Acre, in denen mindestens eine Vogelart registriert, gesammelt und in einem Museum deponiert worden ist – seine Taxonomie und Verbreitung festgehalten, ausserdem eine Karte mit dem Verbreitungsgebiet jeder Spezies angefertigt, auf der jene Orte präsentiert werden, in denen der Vogel registriert worden ist.
Auf diese Art und Weise konnte man im gesamten Bundesstaat Acre 7.141 Vogelarten registrieren – „4.623 davon sind bereits gesammelte Arten und 2.295 stammen aus den Sammlungen, welche während der Feldstudien zu dieser Doktorarbeit durchgeführt wurden“ spezifiziert Edson Guilherme, der ausser der Neuorganisation der Registratur über die Vogelfauna des Staates Acre auch der erste Forscher ist, dem es gelang, ein Inventarium der Arten in der Zentralregion des Acre anzulegen – einem schwer zugänglichen Gebiet zwischen den Flüssen Juruá und Purus, aus dem bis dato noch sämtliche Angaben fehlten.
Reiche Biodiversifikation
Durch diese Studien hat die Avifauna des Acre einen Zuwachs von 45 Arten bekommen – von allen im Acre bestätigten Spezies sind 22 im brasilianischen Territorium erst seit den Forschungen von Edson Guilherme bekannt geworden. Von den 655 registrierten Arten steht lediglich eine (Sporophila maximiliani – die wahrscheinlich einst eingeführt wurde) auf der vom Aussterben bedrohten brasilianischen Artenliste, welche vom „Instituto Brasileiro do Meio Ambiente e dos Recursos Naturais Renováveis“ zusammengestellt worden ist. Wenn man dagegen die „Rote Liste“ der bedrohten Arten als Basis nimmt, welche von der IUCN (International Union for Conservation of Nature) herausgegeben wurde, so gibt es im Acre zehn Spezies, welche in die Kategorie „Fast bedroht“ eingeordnet worden sind – nach Auskunft von Guilherme Edson.
Seine Untersuchungen haben auch 59 wandernde Arten registriert, solche, die aus Reproduktionsgebieten ausserhalb Amazoniens stammen – andere, nearktische Wanderer, die aus der nördlichen Hemisphäre stammen – und intra-tropikale oder australe, die vom südlichen Südamerika heraufkommen. Was die 596 residenten Waldvögel betrifft, solche, die sich innerhalb des Bundesstaates fortpflanzen, ist ihre Mehrzahl (405) auf den gesamten Acre verteilt – was sich aus den relativ wenigen geografischen Barrieren erklären mag, die man im Relief des Acre-Territoriums antrifft.
Für den Autor der These lässt die enorme Anzahl der im Bundesstaat Acre registrierten Arten den Schluss zu, dass der Südwesten Amazoniens eine Region von besonderer Diversifikation der Vogelfauna ist. „Die bestätigten 655 Arten im Acre entsprechen mehr als der Hälfte sämtlicher in Amazonien registrierten Arten“ ergänzt er, und setzt hinzu, dass die Zahl der Arten durch neue Feldforschungen wahrscheinlich noch zunehmen wird.
Zustand der Erhaltung
Edson Guilherme präsentiert in seiner Doktorarbeit auch eine Analyse von Lücken in der Kontrolle zur Erhaltung der im Acre residierenden Vogelarten – er beabsichtigt damit, die Effizienz des Systems von staatlichen Schutzzonen zur Erhaltung der Vogelfauna zu bewerten. Und er hat herausgefunden, dass ein Gesamt aller Schutzgebiete (Bio-Reserven und Indianer-Reservate) eine Fläche ergeben, welche in der Lage ist, fast 90% der residenten Waldvögel effektiv zu schützen! „Daneben haben wir beobachtet, dass solche Arten, die von der Vegetation der Campos und Campinaranas (pflanzliche Formation geringer Höhe) im Westen des Acre abhängig sind, solchen Schutz nicht geniessen, denn diese Gebiete befinden sich ausserhalb der staatlichen Schutzzonen“, doziert der Autor.
„Die Studie, welche die Grundlage meiner vorgestellten Doktorarbeit abgegeben hat, stellt auch den Grundstein einer Kenntnis der Avifauna des Bundesstaates Acre dar. Ich hoffe, dass die in dieser diskreten akademischen Arbeit enthaltenen Informationen als Basis für weitere Forschungen dienen werden und als Ansporn für diejenigen, welche sich vorbereiten, um in diese faszinierende Welt der neotropischen Ornithologie einzutreten“, beendet Guilherme Edson seinen Vortrag.
Der Bundesstaat Acre: Ein kaum verändertes Territorium wie aus vergangener Zeit
Er ist einer der am wenigsten abgeholzten Bundesstaaten Amazoniens und liegt im Südwesten des brasilianischen Amazonasgebiets – er hat Grenzen zu Peru und Bolivien. Eine Region mit anerkannt reicher Biodiversifikation in den Niederungen Amazoniens, unweit vom Fuss der Anden. Nach einer Volkszählung durch das „Instituto Brasileiro de Geografia e Estatística“ (IBGE), aus dem Jahr 2000, hatte der Bundesstaat Acre 557.526 Einwohner – davon leben 65% im urbanen Bereich und 35% in ländlichen Gebieten. Die Hauptstadt Rio Branco beherbergt allein 44% der gesamten Bevölkerung. Mit einer Wirtschaft, die auf dem Primär-Sektor basiert, präsentiert der Acre eine Produktionseinheit, welche hauptsächlich auf der Produktion einzelner Familien aufbaut – konzentriert in erster Linie auf extremistische Aktivitäten (Holz, Gummi und Paranüsse) sowie landwirtschaftliche (Feldbestellung und Viehzucht).
Der Acre ist einer der am besten geschützten Bundesstaaten Brasiliens – 47,8% seiner Fläche ist noch vom Wald bedeckt und hat 17 Konservierungs-Einheiten (Ucs) sowie 35 ITs (Indianer-Schutzgebiete). Die Schätzung der indigenen Bevölkerung aller demarkierten ITs liegt bei zirka 10.000 Personen – aber die Kenntnis der Biodiversifikation innerhalb der ITs im Acre lässt noch zu wünschen übrig.