Ivan Santos

Zuletzt bearbeitet: 2. Januar 2013

ivan-santos-kleinDie brasiliansichen Wurzeln von Ivan Santos in der Musik ohne Grenzen
Im Mai 2005 habe ich die CD “Songs from Nowhere“ von Ivan Santos erhalten. Auf jedem Track war eine Reihe positiver Überraschungen zu erleben. Ein Brasilianer, der Universal Musik macht, ohne seine brasilianischen Wurzeln zu verlieren. Oder heisst es, ein Brasilianer, der brasilianische Musik mit universalen Klängen macht?

“Songs from Nowhere“ ist eine Reise um den Planeten herum, von den Klängen aus dem Nordosten Brasiliens bis zu den städtischen Elementen von New York, Paris oder Berlin. Ist es ein Flug und eine Konfrontation mit der eigenen Identität? Tja… Ein Schreck, sich brasilianischer als je zuvor zu erkennen. Ein Treffen eines Brasilianers mit sich selbst, welcher Brasilien vom Ausland her sieht, aber der seine Heimat immer überall hin mitgenommen hat. Dieses Interview liess sich nicht verhindern…

Interview: Tânia Gabrielli-Pohlmann ©
Deutsche Version: Tânia Gabrielli-Pohlmann, Clemens Maria Pohlmann ©
Link: Ivan Santos
Fotos Copyrights by: Ivan Santos

Zum Gedenken an die verstorbene Rosanna Taveres

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Tânia Gabrielli-Pohlmann
Ivan, hast du deine Karriere noch im Bundesstaat Paraíba begonnen oder erst während der Zeit, in welcher du in verschiedenen Städten Brasiliens gewohnt hast?

Ivan Santos
Gitarre habe ich angefangen zu spielen in João Pessoa, in der Zeit des Yeah-Yeah-Yeahs. Schon am Anfang habe ich entdeckt, dass es möglich wäre, eigene Lieder zu schreiben und daher begann ich zu komponieren. Es waren aber sehr einfache Stücke. Erst als ich in der Universität war, also in den 70er Jahren, als ich mit Menschen der Musik-Szene Verbindung hatte, bekam die Musik einen grösseren Platz in meinem Leben. Trotzdem bedeutete mir das “Professional Musiker Werden“ nur ein Traum, zu deren Verwirklichung ich mir keine grosse Mühe gegeben habe. Ende der 70er Jahren, nachdem ich alle Möglichkeiten ausgenutzt hatte, mich in Paraíba und in den nächsten Bundesstaaten zu präsentieren, nahm ich den damaligen übrigen Weg: Ab nach Rio de Janeiro.

Tânia Gabrielli-Pohlmann
Die 13 Jahre in Rio waren für dich eine “Wiederentdeckung” der Musikalität aus Paraíba?

Ivan Santos
Also, ein regionaler Komponist bin ich nie gewesen, sondern es hat mir immer gefallen, andere Formen von Liedern zu probieren, die nicht unbedingt brasilianisch sein mussten. Aber meine Ohren und mein Herz sind immer von der Musik des Nordostens geprägt geblieben. Das war die Musik meiner Kinder- und Jungenzeit. Damals interessierte ich mich sehr für die nordamerikanische und englische musikalische Kultur. Als ich mich auf die Musik der Repentistas, der Strassensänger, der Akkordeonisten usw. konzentrierte, da entdeckte ich, dass das “Feeling“ der Blues Sänger eine Ähnlichkeit mit den Rabequeiros (populäre Geigen-Spieler) hatte. Dadurch bekam ich immer Ganshaut… Noch mehr habe ich damals entdeckt: Dieselbe Energie des Rock’n’Roll könnte in einem Baião gespeichert sein. Immer habe ich Vieles mit dieser Musik gelernt, aber als ich nach Rio gegangen bin, hatte dieses “Treffen“ schon stattgefunden.

Tânia Gabrielli-Pohlmann
In welcher Situation hast du Lenine kennen gelernt?

Ivan Santos
Wir hatten einen gemeinsamen Bekannten. Ein “Kerl“ aus Recife besuchte häufig eine Freundin in João Pessoa und dort erzählte er die ganze Zeit über einen “17 jährigen Jungen“, der auf der Bühne, um es so zu sagen, ein “Brandstifter“ wäre. Bald wurden wir einander vorgestellt, gegenseitige Fans und kurz danach teilten wir die Bühne bei kleineren Konzerten. Jeder mit seiner Band. Obwohl Recife und João Pessoa nur 110 km weit entfernt voneinander liegen, sind sie landschaftlich und kulturell sehr unterschiedlich. Damals stellte kein Musiker eine Verbindung zwischen den beiden Städten her, ausser Zé Ramalho. Mein Treffen mit Lenine bedeutete irgendwie den Anfang dieser kulturellen Brücke zwischen den Musikern unserer Generation und diesen beiden Städten. In Rio de Janeiro teilten wir beide eine Wohnung, die als eine strategische Basis und anarchistische Herberge für die vor Kurzem aus Recife und João Pessoa gekommenen Musiker funktionierte. Nach ein paar Jahren entstanden verschiedene Dinge, wie zum Beispiel die neue CD von Chico César, die von Lenine produziert wurde.
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Tânia Gabrielli-Pohlmann
Wie bist du nach Deutschland geraten?

Ivan Santos
Ich hatte meine Nase voll von Rio de Janeiro, von Brasilien und von mir selber. Hierher zu kommen war die radikalste Art und Weise, die ich gefunden habe, mein Leben wieder aufzubauen, Brasilien wieder zu lernen und in mir viele Sachen wieder zu beginnen. Eigentlich war es eine “Schock-Therapie“…

Tânia Gabrielli-Pohlmann
Und wie war deine Adaptation hier?

Ivan Santos
Jeder Ausländer erlebt die Adaptation in seinem neuen Land in verschiedenen Ebenen, die ich in zwei teile: der physischen und der psychologischen. Die eine beeinflusst die andere. Meine physische Adaptation war wie die von jedem, der aus den Tropen kommt, in eine Region, in welcher die Sonne ein “Luxus-Artikel“ ist. Der erste Winter kam voll mit neuen Informationen über die Natur und die menschlichen Gewohnheiten; den Schnee, die niedrigen Temperaturen, die Trockenheit der Haut, die radikalen Änderungen in der Art und Weise, sich anzuziehen, das trockene Obst, die Innerlichkeit der Menschen, usw. und Informationen über meinen Körper, der zu diesen neuen Zuständen untergestellt wurde. Es war unvergesslich. Ab dem zweiten Winter war die Begeisterung nicht mehr so intensiv, und ich begann, in dieser Zeit der grösseren Zurückgezogenheit, mich auf meine kreative Arbeit zu konzentrieren und zu lernen, allein zu sein (eine so zu sagen sehr deutsche Lehre). Schon einen Winter in einer fast normalen Art und Weise zu leben, das zu lernen brauchte ich ein paar Jahre. Trotzdem muss ich immer noch gegen meine innere Stimme angehen, welche ganz aus dem Nordosten Brasilien stammt, und die immer versucht, mich zu überzeugen, zu Hause zu bleiben, wenn sie immer flüstert: “Das Wetter ist schlecht, bleib zu Hause“… Aber das zu lernen, hängt fast nur an einem selbst.

Die psychologische Adaptation ist schon etwas, dass auch von den anderen Menschen und den kulturellen Aspekten abhängig ist. Bei mir dauert es schon lange und ich habe es immer noch nicht hinter mir. Die oberflächliche Adaptation war mir nie ein grosses Problem. Da die Musik schon in sich eine sehr starke Form des Kontaktes ist, war die Kommunikation für mich etwas einfacher. Andererseits kann die Sprache aber auch eine Barriere sein. Deutsch zu sprechen, wie es gesprochen werden soll, das habe ich noch nicht erreicht. Und ich weiss nicht, ob ich es erreichen werde… Dazu müsste ich noch tiefer in die deutsche Mentalität eintauchen und die brasilianische Sprachweise los lassen, aber gerade das kann ich nicht. Unsere Kulturen sind sehr einander entgegengesetzt und in der Mehrheit der Gesten, fühle ich mich noch so, als ich eine Konzession machen würde. Ich würde sagen, ich bin halbadaptiert.

Tânia Gabrielli-Pohlmann
“Songs from Nowhere“ ist eine Reise um die Welt, mit markanter brasilianischer Identität. Dadurch entwickelst du interessante musikalische Wege. Erzähle mal ein bisschen über deinen kreativen Prozess…

Ivan Santos
Es klingt sehr eingebildet zu sagen, dass ich “jede Sorte Musik” höre, aber ich höre sehr verschiedene Richtungen. Es gefällt mir das gut geschriebene Lied, egal wo es her kommt. Es ist dann fast normal, dass das, was durch die Ohren hereingekommen ist, durch die Stimme heraus geht, wenn ich komponiere. Manchmal habe ich vor, etwas in einem bestimmten Genre zu komponieren, ich sage: Ich werde ein Blues machen! Das tue ich auch, aber in diesem Blues ist es fast sicher, dass Fragmente anderer Genres auftreten. Meistens beginne ich eine Idee, gehe weiter und erst dann, wenn das Lied fertig ist, identifiziere ich den Stil. Manchmal schreibe ich einen Text und dann suche ich eine Melodie für ihn. Manchmal aber mache ich es umgekehrt. Dem Partner schicke ich manchmal einen Text, andermal schicke ich ihm die Musik und er schreibt den Text. Es kann aber auch passieren, dass ich ein Arrangement mache und erst danach die Melodie und den Text, die dazu passen. Um zu komponieren, achte ich nicht überdingt auf eine Regel, sondern auf meine Intuition.
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Tânia Gabrielli-Pohlmann
In dem Lied “Amnésia” schaffst du es, den Wiederstand des Europäers gegenüber dem Neuen zusammenzufassen und zwar in einer sehr raffinierten Art und Weise. Könntest du hier leben und Musik machen, ohne das brasilianische Register in dir?

ivan-santos3Nein. Meine Musik kann sehr unterschiedliche Einflüsse haben, aber das Zentrum, der Kern ist brasilianisch. Darauf passe ich gut auf. Ich sage immer, dass es für mich wie eine Art Tode meiner künstlerischen Identität wäre, wenn ich in Brasilien spielen würde, und dabei feststellen würde, dass man mich als ausländischer Künstler hören würde. Vor ein paar Monaten, als ich davon hörte, dass meine neuen Kompositionen in Partnerschaft mit Lenine, wie “Do it“ sehr häufig in verschiedenen Radios in Brasilien gesendet wurden, und dass kurz danach “Do it“ als bestes Lied des Jahres mit dem “Prêmio Tim de Música“ ausgezeichnet wurde, und kurz danach, das Lied “Ninguém faz idéia“ als bestes brasilianisches Lied für den Grammy vorgeschlagen wurde, habe ich mich riesig gefreut. Nicht wegen der Auszeichnung und der Nominierung, sondern wegen des Faktes, dass obwohl ich schon so lange im Ausland bin und dort ein Lied schrieb, welches vielen Menschen dazu angeregte, mir E-Mails zu schicken oder mich anzurufen, um mir zu sagen, dass das genau das wäre, was sie zu hören brauchten. Und nur zu erwähnen, dass er kein Text über Liebe ist, sondern über Gesinnung. Daher habe ich festgestellt, wie es wichtig ist, “in Brasilien zu bleiben“, auch von weit entfernt.

Tânia Gabrielli-Pohlmann
Wie du mit dem Wort umgehst, ermöglicht dem Publikum jedes Landes, sich in dem vorgestellten Kontext anzuschliessen. Wie siehst oder erlebst du die kulturellen Unterschiede, wenn du an einen Text für ein Lied denkst?

Ivan Santos
Als ich hierher kam, habe ich sofort gemerkt, dass genau die stärkste Seite meiner Lieder, der Text, wurde gerade von dem Publikum zur Seite geschoben. Das hat mich zuerst dazu geführt, sowohl mehr als Musiker zu arbeiten, als auch an den “Klang“ des Wortes zu denken im Gegenteil zu seinem “Sinn“. Ein Beispiel davon ist das Lied “Go-En-Lai“, in welchem die Wörter oder die Sätze möglicherweise kein Sinn haben, aber sie tragen bestimmt eine Menge Gefühl. Da ich kaum über regionale Themen schreibe, kann man daher die Texte leicht übersetzen und das Interesse jemandem, der nicht Brasilianer ist, zu wecken. Normalerweise, wenn ich einen Text schreibe, denke ich an Brasilien und an mich. Ich glaube, ich nehme Brasilien als eine Miniatur der Welt und mich als Urform des Kerls, der immer von einem Ort zu anderem wechselt. Das erinnert mich an die alte Geschichte, die sagt, man soll sein eigenes Dorf sehr gut kennen, damit man universal werden kann. Es ist wohl möglich, dass die kulturellen Unterschiede in die Themen und in den Texten eindringen, ohne dass ich es wahrnehme. Ein Text, wie der vom Lied “Lady Multimelancólica“, der nicht geplant wurde, könnte ich vielleicht nie in einem brasilianischen Sommer schreiben. Auch wenn ich wie früher bleibe, hat sich Vieles in mir geändert. Die Menschen sind nicht durchlässig. Genau das ist es, dass man umzieht: sich zu verändern.

Tânia Gabrielli-Pohlmann
Ich muss einfach die musikalische Explosion des Liedes “Acorda Maria Bonitinha” erwähnen. Eine weltumspannende Version, aber sofort mit unserem Brasilien zu identifizieren. Ich kann mir die Reaktion des Publikums dabei vorstellen…

Ivan Santos
Das ist ein uneingebildeter “kleiner Marsch”, den ich im Studio ganz improvisiert komponiert habe. Da die CD viel zu kurz war, habe ich ihn komponiert, um die CD abzuschliessen. Es fehlte Zeit, um ein Arrangement für ein weiteres Lied anzufertigen, dann habe ich mich für diese “Quadrilha de São João“ entschieden. Ein Harmonika-Spieler bin ich nicht, aber trotzdem spiele ich sie ab und zu und es macht mir viel Spass. Natürlich wegen meiner Begrenzungen dabei, erreiche ich nur etwas ganz einfaches Ergebnis ohne Raffinessen. Es ist immer so, als wäre es “ich als kleiner Junge“ beim Spielen. Ich glaube, dass was an diesem Lied den Menschen so gut gefällt, ist genau seine Echtheit und Transparenz. Es ist einfach grundlegend. Nur einmal haben wir dieses Lied gespielt und zwar in der Mitte des Publikums. Die Reaktion war hervorragend. Das haben wir nie mehr gemacht, ich weiss auch nicht warum, aber wir werden es bestimmt noch wiederholen.

Tânia Gabrielli-Pohlmann
Im Juni 2005 hast du Konzerte in Frankfurt mit deiner Band gegeben. Wer sind die Musiker, die dich dabei begleiten?

Ivan Santos
Unsere Drummerin und Perkussionistin ist Ângela Frontera, aus São Paulo: eine sehr beliebte Figur und mit viel Erfahrung auf der Bühne neben guten Namen unserer Musik. In Brasilien hat sie schon mit Namen wie Cauby Peixoto gespielt und hier mit zum Beispiel Nina Hagen. Daher kann man feststellen, dass sie eine Instrumentalistin ist, die ein sehr “breites Spektrum“ hat. Der Saxophonist, Perkussionist, Flötist ist Márcio Tubino, aus Rio Grande do Sul, welcher auch teilweise mit mir singt. Auch ein sehr aktiver Name in der musikalischen Szenerie Deutschlands und Österreichs. Er spielt regelmässig mit Rosanna & Zélia, hat schon mit Egberto Gismonti aufgenommen und ab und zu spielt er mit Menschen wie Joe Zawinul. Der Bassist, Perkussionist und Kleingitarre-Spieler ist Geovany da Silveira, aus Minas Gerais, welcher auch meine CD produziert hat. Er ist mein beständiger “Komplize” in diesem Projekt. Das Gute in Brasilien ist es, dass man eine internationale Band haben kann, die nur aus Brasilianern besteht. Ich erkläre es: Ângela ist Tochter von Italiener mit Brasilianerin; Márcio hat italienische Vorfahrer und Geovany, wie ich, hat ein sehr arabisches Gesicht…

Tânia Gabrielli-Pohlmann
Rosanna & Zélia machen eine sehr schöne Arbeit. Habt ihr vor, eine Arbeit in Partnerschaft zu entwickeln?

Ivan Santos
Schon seit vielen Jahren machen wir Einiges zusammen, aber in einer sehr temporären Art und Weise. Wir sind sehr praktische Partner; zusammen haben wir nur vier Lieder komponiert, aber davon wurden drei von Rosanna & Zélia aufgenommen und das vierte Lied ist eines der starken Lieder meiner Konzerte. Ab und zu spielt Zélia Bass in meinem Projekt, in irgendeinem Konzert. Letztes Jahr trat Rosanna einfach in João Pessoa als Gast auf, in einem Konzert, welches wir dort gegeben haben (sie singt auch ein Lied auf meiner CD). Hin und wieder gebe ich eine Kostprobe in ihren Konzerten. Unsere Projekte laufen Parallel, unsere Richtungen sind ganz unterschiedlich, aber es gefällt uns diese gegenseitige Zusammenarbeit, die immer eine schöne Überraschung bringt, zu dem was wir produzieren. Ausserdem sind wir grosse Freunde.

Tânia Gabrielli-Pohlmann
Und wann wird das brasilianische Publikum dich auf der Bühne wieder sehen können?

Ivan Santos
Im Jahr 2004 haben wir die Promotion der CD in Paraíba gemacht. Zur Zeit planen wir ein paar Konzerte in Recife, für die Zeit vor und während des Karnevals. Eine der interessantesten Aspekte beim Strassenkarneval in Recife ist die Vielfältigkeit der Stile. Es gibt Bühnen für jeden Geschmack, vom Frevo bis zum Hard Core. Es muss nicht überdingt Karnevalmusik sein; es muss einfach nur lebendig sein. Ausser diesen Konzerten würden wir noch zwei weitere Auftritten in João Pessoa machen, da João Pessoa meine Heimatstadt ist und mit welcher ich mich immer in Schuld fühle.
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Tânia Gabrielli-Pohlmann
Wird schon eine neue CD vorbereitet? Und Konzerte für dieses Jahr?

Ivan Santos
Den ersten Plan für eine neue CD haben wir schon begonnen, aber zur Zeit werden wir die “Songs from Nowhere“ weiter spielen, die noch nicht genug gespielt wurden. Nun über die Konzerte hinaus, gibt es mehr Termin für Solo Konzerte, obwohl es ein paar Termine auch für Konzerte mit meiner Band gibt, was für mich Priorität ist, aber wir arbeiten daran, diese Fehler zu korrigieren.

Tânia Gabrielli-Pohlmann
Ivan, welche soziale Rolle soll der Künstler spielen, besonders der Brasilianer, in einem so vielfältigen und kontrastvollen Land wie Brasilien?

Ivan Santos
ivan-santos4Ich denke, die Rolle des brasilianischen Künstlers ist genau wie die Rolle des Künstlers in fast jedem westlichen Land. Was anders dabei ist, ist die Intensität mit welcher er den einen oder anderen Punkt umfasst. Ich bewundere am meistens die Künstler, die Konventionen überschreiten, aber ich denke, dass nur ein Entertainer zu sein, schon viel sein könnte, es sei denn, das Werk eine Seele hat. Aber, da Brasilien ein Land ist, wo noch zu wenig gelesen wird, wurden Poesie, philosophische Haltungen, Verhaltensweisen und politische Haltungen immer intensiver durch die Musik popularisiert als durch die Bücher – besonders ab den 60er Jahren. Und das nicht nur im Jugend Bereich. Deswegen erscheint mir die Rolle des “Erziehers“, des “Missionars“ in Brasilien intensiver – und notwendiger – als in besser entwickelten Ländern. Damit meine ich nicht, dass der Künstler seine Ästhetik opfern muss, einer “erziehenden Botschaft“ wegen (ästhetische Erziehung ist aber unerlässlich), aber wenn sich beide zusammen entwickeln, dann bekommt der Künstler einen besondern Platz in unserer Geschichte. Als Beispiel erwähne ich einfach die Klassiker, wie Noel Rosa, Luís Gonzaga, die Tropicalistas, Chico Buarque, die in einer vollständigsten Art und Weise mit der brasilianischen Musik dazu beigetragen haben. Entertainer, revolutionäre Musiker, welche gleichzeitig Texten gesungen haben, die “Sachen“ sagten, die für die damalige Gesellschaft kaum zu hören wären, durch andere Wege, ausser der Musik. Diesem Weg versuche ich zu folgen, aber ich respektiere auch sehr die “zerrütteten“ Künstler. Der Yeah-Yeah-Yeah, mit seiner englischen Instrumentierung, seinen italienischen Melodien und seinen Texten über naiven Liebesgeschichten und lustigen Figuren, u.a. hat die elektrische Gitarre nach Brasilien gebracht. Das hat auch Tausende junge Erwachsene dazu motiviert, ein Instrument zu spielen. Einer diesen Jungen war ich.

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