Die “Esquilos“ (Eichhörnchen oder Eichkätzchen) – eine internationale Familie – aber kaum erforscht. Dass sich der Name “Esquilos“ auf die fast überall auf der Welt bekannten, und beliebten, Eichhörnchen oder Eichkätzchen bezieht, darauf wären Sie wahrscheinlich nicht gekommen? Ihre deutsche Bezeichnung ist irreführend, denn sie hat eigentlich nichts mit Eichbäumen oder deren Früchten, den Eicheln, zutun, sondern stammt aus der indogermanischen Wurzel “aig“ (sich heftig bewegen), was ja sehr treffend den ersten Eindruck beschreibt, den dieses scheinbar rastlose Tierchen dem Beobachter vermittelt.
Im Lauf der Zeit ging dann seine ursprüngliche Bedeutung verloren, und da die Eicheln der Eichbäume auch zu seinem Speiseplan gehören, leitete man die Herkunft seiner ersten Namenssilbe von dieser verständlicheren Beziehung ab. Seine spitzen, über der Stirnseite aufgestellten Ohren kann man auf den ersten Blick durchaus für “Hörnchen“ halten – die Kombination mit einem “Kätzchen“ dagegen ist vollkommen abwegig, denn Eichhörnchen gehören zu den Nagetieren und haben mit Katzen rein gar nichts gemein.
Der selbständige “Hörnchen-Begriff“, obgleich irreführend, erlebte dann im 19. Jahrhundert seine wissenschaftliche Anerkennung innerhalb des deutschen Sprachraums, indem man ihn auf die gesamte Familie dieser Nagetiere (Sciuridae) – mehr als fünfzig Gattungen, mit 270 bis 280 Arten – übertrug. Neben unserem Eichhörnchen (Sciurus vulgaris) gibt es zum Beispiel Grauhörnchen, Streifenhörnchen, Flughörnchen, Gleithörnchen, Baumhörnchen, Palmenhörnchen, Borstenhörnchen, Erdhörnchen, Berghörnchen, Buschhörnchen, Zwerg- und Riesenhörnchen, und viele Arten weitere Spezies – Hörnchen, deren Familienmitglieder fast in allen Kontinenten verbreitet sind – ausser in Australien, Neuguinea, Madagaskar und der Antarktis.
Auch in Brasilien ist die Hörnchen-Familie über das ganze Land verbreitet. Die Portugiesen bezeichneten die kleinen, flinken Nager als “Esquilos“, aber im Volksmund sind sie je nach Region bekannt als “Serelepe – Caxinguelê – Caxinxe – Quatimirim – Quatipuru – Agutipuru“ und mit vielen weiteren Namen. Die brasilianischen Eichhörnchen gleichen den europäischen durchaus – sie sind ebenso klein und schlank, haben grosse Augen, ihr Fell ist wegen des warmen Klimas nicht so dicht und dunkelbraun bis schwarz gefärbt, sie haben ein starkes Gebiss, mit dem sie hier Palmnüsse knacken, und sie sind ebenso wendig und flink wie anderswo. Jedoch im Gegensatz zu ihren europäischen Verwandten verhalten sie sich scheu gegenüber den Menschen. Hier in Brasilien leben sie in Regenwaldgebieten Amazoniens und den Restbeständen des Atlantischen Regenwaldes, und sie sind noch nicht vom Aussterben bedroht.
Haben Sie gewusst, dass ihre Schneide- oder Nagezähne kontinuierlich wachsen? Vielleicht sind sie deshalb so unermüdlich in ihren Bemühungen, an etwas herumzunagen – sie sind praktisch verpflichtet, das Wachstum der Schneidezähne auszugleichen. Die sind besonders kräftig ausgebildet, so wie die Kiefermuskeln, mit denen sie die härtesten Nüsse knacken können. Die Erfahrenen unter den “Esquilos“ finden schnell heraus, dass sie am besten an den Inhalt der harten Palmnüsse herankommen, wenn sie einen dreieckigen Schnitt anbringen, so erzählt ein Zoologe von der Staatlichen Universität Campinas (UNICAMP): “Beim Untersuchen der Schalen von Früchten der “Jeriva-Palme“ (Syagrus romanzoffiana) fanden wir sowohl perfekte, dreieckige Anschnitte von den erfahrenen Eichhörnchen, als auch ungeschickte Versuche der unerfahrenen“.
Die begehrten Früchte findet man leicht am Fuss der Palmen, an denen die “Esquilos“ auch problemlos hochklettern. Sie sind vor allem Baumbewohner, bevorzugen die Baumkronen in Gegenden mit hohem Baumbestand und vielen Palmen, Paranuss-Bäumen oder, im Süden Brasiliens, Araukarien. Sie bewegen sich ungewöhnlich flink an glatten Baumstämmen und gehören zu den wenigen Tieren, die solche Stämme vertikal, mit dem Kopf voran, herunterklettern können.
Die Wälder, in denen sie leben, müssen keine Primärbestände sein. Die Tiere tolerieren eine gewisse Nähe zum Menschen und akzeptieren Areale mit veränderter Vegetation, die mehr oder weniger dicht sein sollte, wie zum Beispiel bepflanzte Terrains mit Bäumen, deren Früchte geerntet werden, oder die neu aufgeforstet worden sind. Von den zirka 20 Esquilo-Spezies, die es in Brasilien gibt, lebt der grösste Teil in Amazonien, in Regionen der Flüsse Rio Negro, Rio Juruá und Rio Tapajós, wo sie von den Einheimischen als “Quatipurus“ oder “Acutipurus“ bezeichnet werden – Worte aus der Indianersprache.
Die häufigste Hörnchen-Spezies oder besser, die bekannteste, ist Scirus aestuans, sie ist vom Norden Amazoniens bis an die brasilianischen Küste verbreitet. Sie ist auch die einzige Art des Atlantischen Regenwaldes, jedoch sind ein paar Unterarten bekannt, wie zum Beispiel das Sciurus ingrami, das vom Süden Bahias bis nach Rio Grande do Sul vorkommt – es wird im Volksmund als “Caxixé“ und “Caxinguelê“ bezeichnet – afrikanische Namen, die sich als “Palmenratten“ übersetzen lassen.
Während ein grosser Teil der Arten Amazoniens zirka 15 Zentimeter Körperlänge aufweisen – ohne den Schwanz – erreicht Sciurus ingrami (bis Ingram’s Eichhörnchen) zu 25 Zentimeter, und sein Schwanz ist noch einmal so lang. Diese Art hat ein gleichmässiges Fell in Tönen, die von braun bis grau reichen, die Ohren sind gering behaart und die Augen gelblich. Der Schwanz weist weisse, gelbe und schwarze Töne auf, die Brust kann orangefarben sein, und die Kehlpartie grau bis weiss.
Die Tiere sind tagaktiv und verbringen ihr Leben auf Stämmen und Ästen der Bäume, von denen sie nur herunterkommen, um nach Futter zu suchen, wobei sie sich besonders vorsichtig verhalten, denn die Beutejäger sind vielfältig: Katzen und kleinere Fleischfresser, Raubvögel, Schlangen und sogar Affen können ihnen gefährlich werden.
Um diesen Jägern zu entkommen, kann Sciurus ingrami bis zu fünf Meter weit springen, ohne einen Fall fürchten zu müssen. Seine wichtigsten Vorteile sind seine grossen Augen und das geschärfte Gehör, ausser seiner besonderen Agilität, bei der sein grosser, buschiger Schwanz eine besondere Rolle spielt. “Ohne ihn, hätte das Tier Schwierigkeiten, sich in der Balance zu halten, wenn es von einem Ast zum andern springt“, sagt der Biologe José Forscher der EMBRAPA Satellitenbeobachtung.
Die kleinen Nager leben allein oder in Paaren und können ein Lebensalter von 15 Jahren erreichen – die sexuelle Reife nach einem Jahr. Die Weibchen tragen einmal pro Jahr drei bis fünf Junge aus – Tragzeit 30 bis 32 Tage. Ihre Geburt erfolgt in bereits vorhandenen Höhlungen alter Bäume – hier hausen sie, reproduzieren sich, sorgen für die Jungen und legen einen Nahrungsvorrat an.
Die Basis ihrer Nahrung besteht aus trockenen Früchten, die viel Energie enthalten, wie zum Beispiel Nüsse und Samen von Palmen und anderen Bäumen. Im brasilianischen Süden bilden die Zapfen der Araukarien ihre bevorzugte Nahrung. Manchmal fressen sie auch Insektenlarven und junge Blatttriebe und Knospen. Und weil sie Nahrungsspeicher anzulegen pflegen, sind alle Hörnchen-Spezies als Samenverteiler besonders geschätzt, denn auf dem Weg zu ihrer Baumhöhle verlieren sie oft das eine oder andere Teil – oder sie vergraben die Beute und vergessen sie später. Und das Tierchen kann sterben in den Fängen eines Raubvogels – all das gibt dem verlorenen Samen die Chance, zu keimen.
Der Biologe jedoch wendet ein, dass die “Caxinguelés“ eher als Ausbeuter denn als Verbreiter von Samen bekannt sind. “Sie fressen den Keim der Pflanze, zum Beispiel von den Palmfrüchten oder den Zapfen der Araukarien. Der Tapir, zum Beispiel, verdaut nur den äusseren Teil der Frucht und scheidet den Samen mit seinem Kot wieder aus, sodass der interne Teil intakt bleibt und wieder keimen kann. Die Hörnchenfamilie dagegen frisst den äusseren Teil zuerst und nagt dann auch den Samenkern an, um dessen weissen Teil ebenfalls zu fressen“, erklärt er.
Ein Professor der ökologischen Abteilung der Staatlichen Universität von São Paulo, bemerkt dazu, dass die “Esquilos“ Araukarien-Zapfen und einige andere Palmfrüchte fressen, es aber keine Pflanze gibt, die nur von ihnen als Vorrat angelegt wird. “Unter den Futter speichernden Tieren ist das Aguti (aus der Familie Dasyproctidae) der bedeutendste Samenverteiler, denn es frisst mehr als 100 Pflanzenarten allein vom Atlantischen Regenwald, und es vergräbt Früchte, die andere Tiere nicht bewältigen könnten, wie zum Beispiel die Frucht der Paranuss – nur Agutis haben genügend Kraft in ihren Kiefern, um die harte äussere Schale zu öffnen“.
Die Präsenz der Hörnchen in einem Waldgebiet gibt auch Aufschluss über seinen Zustand. Wenn ein Wald gut erhalten ist, dann ist die Hörnchen-Population relativ gering. “Ein Wald mit vielen “Esquilos“ zeigt an, dass Beutejäger aus der Spitze der Nahrungskette fehlen – wie zum Beispiel Langschwanzkatze, Ozelot oder Jaguar. Deshalb wächst die Zahl der Esquilos in kleineren Waldfragmenten stark an“, sagt der Professor.
Wie dem auch sei, die fehlende Forschung hinsichtlich der Evolution der Hörnchen-Familie in Arealen mit fragmentiertem Wald, begrenzt auch die Aktionsmöglichkeiten zu ihrer Erhaltung.