Arara de Rondônia

Zuletzt bearbeitet: 13. Dezember 2021

Die Arara de Rondônia – oder mit anderem Namen Arara-Karo – verteilen sich auf zwei Dörfer, Iterap und Paygap – beide befinden sich im südlichen Teil des Indianer-Territoriums (IT) “Igarapé de Lourdes”, im Bundesstaat Rondônia. Zwei Drittel der Arara bewohnen das erste Dorf, und der Rest lebt im zweiten. Im selben IT leben auch die Gavião, ihre traditionellen Feinde.

Indio aus dem Volk der Arara de Rondonia – Foto: Screenshot Video

Mit den Arara nahm man gegen Ende der 40er Jahre zum ersten Mal Kontakt auf, mit dem Ergebnis, dass Hunderte von ihnen diesen Kontakt durch ansteckende Krankheiten mit dem Leben bezahlten – die Überlebenden retteten sich in Lager von Latex-Sammlern der Region. Daraus ergab sich eine völlige Anpassung der Rest-Arara an eine nicht-indianische Lebensweise, aber ihre Medizinmänner (Schamanen) sind immer noch unter allen Indianern der Nachbarregionen als überaus mächtig bekannt und gefürchtet.

Arara de Rondônia

Andere Namen: Arara Karo, Arara Tupi, Ntogapíd, Ramaráma, Urukú, und Urumí
Sprache: Karo, Sprachfamilie: Ramarama, Sprachstamm: Tupi
Population: 208 (2006)
Region: Bundesstaat Rondônia
INHALTSVERZEICHNIS
Name, Sprache
Die gesellschaftliche und sprachliche Situation
Interessante sprachliche Aspekte
Lebensraum, Bevölkerung
Geschichte des Kontakts
Erzählungen der Arara
Gesellschaftliche Organisation und Politik
Mythologie und Schamanentum
Materielle Kultur, Kontemporäre Aspekte
Anmerkung bezüglich der Quellen

nach obenName

Die Arara-Indianer sind auch bekannt als Arara Tupi, als Arara de Rondônia oder einfach als Karo (was in ihrer Sprache “Ara” bedeutet) – diese Termini werden gebraucht, um sie von den übrigen Arara-Gruppen Brasiliens zu unterscheiden: den Arara do Acre (Shawanawá), den Arara do Aripuanã (Arara do Beiradão) und den Arara do Pará (Ukãragmã). Wenn sie von sich selbst sprechen, nennen sich die Arara “I’târap” – etwa “wir alle” – ein Wort, welches durch die Zusammensetzung des Personalpronomens der ersten Person Pluralis “wir” (I’tâ-) gefolgt von einem Wort, das sinngemäss “kollektiv” bedeutet (rap) – man spricht es “hap” = alle.

nach obenSprache

Die Arara sprechen die Karo-Sprache, ehemals bekannt als Arara, die der Autor dann in Karo umbenannt hat, ab 1987, damit sie von den anderen Sprachen unterschieden werden konnte, welche von den anderen Gruppen gleichen Namens in Brasilien gesprochen werden. Die Karo-Sprache gehört zu der Ramarama-Familie, aus dem Sprachstamm Tupi (Rodrigues 1964), und längere Zeit dachte man, dass es mit ihr verwandte Sprachen aus derselben Familie gäbe: Ntogapid (oder Itogapúk), Ramarama, Uruku, Urumi und Ytanga.

In jüngerer Zeit jedoch bewies eine Arbeit von Gabas (2000), dass es sich bei allen jenen vermuteten Sprachen in Wirklichkeit um ein und dieselbe handelt – die unterschiedliche Namen von unterschiedlichen Ethnologen erhielt, welche Listen mit Wörtern ihrer Sprecher in unterschiedlichen Zeitläufen anlegten (Curt Nimuendaju, 1925 und 1955 – Marechal Rondon 1948 – Claude Levi-Strauss 1950 – Horta Barbosa 1945 und Harald Schultz im Jahr 1955). So ist die Karo-Sprache letztlich die einzige der Familie Ramarama, so wie andere Sprachen des Tupi-Sprachstammes ebenfalls einzig dastehen in ihren respektiven Familien, wie zum Beispiel: Aweti, Puruborá und Sateré-Mawé.

nach obenDie gesellschaftliche und sprachliche Situation

Die Arara-Indianer leben in zwei unterschiedlichen Dörfern – Iterap und Paygap. In beiden sprechen praktisch alle Indianer ihre eigene Sprache, Portugiesisch wird als Zweitsprache gelernt und nur als Kontakt-Sprache verwendet. Einige Arara, die von Siedlerfamilien aus den schon geschilderten Umständen grossgezogen wurden, sprechen nur Portugiesisch, verstehen Karo allerdings perfekt. Unterhaltungen, die jene Indianer mit der Gesellschaft und den eigenen Familienmitgliedern pflegen, finden also zweisprachig statt.

Die Kinder beider Dörfer lernen als Erstsprache Karo, und obwohl Portugiesisch erst später dazukommt, kann man bereits einen graduellen Gebrauch des Portugiesischen feststellen – besonders bei den jüngeren Generationen – meistens bei der Benutzung von verwandtschaftlichen Bezeichnungen (Vater, Mutter, Tante, Onkel, Cousin, Cousine).

Einige Arara sprechen und verstehen auch die Gavião-Sprache – die Sprache ihrer indianischen Nachbarn, dank verschiedener Eheschliessungen zwischen den Mitgliedern der beiden unterschiedlichen Ethnien. Die Vielsprachigkeit in diesen Fällen wird nicht als negativ betrachtet, obwohl Arara und Gaviões traditionelle Feinde sind.

nach obenInteressante sprachliche Aspekte

Die Karo-Sprache besitzt für Studierende nicht-europäischer Sprachen etliche interessante Aspekte, unter denen ich drei herausgreifen möchte:

Der erste ist die Verwendung eines Systems von Klassifikatoren, die jeweils an ein Substantiv angehängt werden, um dessen reelle oder imaginäre Form zu beschreiben und so dem Zuhörenden klar zu machen, worüber der Sprecher eigentlich redet. Ein praktisches Beispiel dafür ist das Karo-Wort für “Auge” – es heisst in dieser Sprache “Icagá á” – wobei das erste Wort bereits “Auge” bedeutet, das angehängte “a” ist ebenfalls ein Wort, unter dem man ein “rundes Objekt” versteht. Somit sichert man die Bedeutung des Wortes gewissermassen “idiotensicher” ab. Das System der Karo-Klassifikatoren besteht aus zehn unterschiedlichen Begriffen, welche sich auf unterschiedliche Eigenschaften von Objekten beziehen.

Ein weiterer interessanter Aspekt dieser Sprache ist die Verwendung eines Systems von Ideophonika – Wörtern mit einer sehr spezifischen verbalen Bedeutung, welche benutzt werden, um Geschichten und Unterhaltungen “mehr Colorit” zu verleihen. Ein typisches Beispiel für einen ideophonischen Begriff aus der Karo-Sprache ist das Wort “oturum” – es bedeutet in etwa “mit grossem Krach auf den Boden stürzen” – oder “ngârâgn”, was in etwa “den Kopf nach hinten drehen” bedeutet. Ideophonika in der Karo-Sprache sind eine offene Klasse für sich, das heisst, sie werden von der Kreativität der jeweiligen Sprecher gebildet, und deshalb ist ihre Zahl schier unbegrenzt.

Und ein dritter interessanter Aspekt im Karo ist die Existenz eines Systems von evidenten Wörtern, die dazu dienen, die Quelle oder die Zuverlässigkeit einer bestimmten Information zu identifizieren, welche von einem Sprecher der Sprache verbreitet wird. Zum Beispiel, wenn ein Arara das Wort “to`wa” hinter seinen Bericht setzt, dann möchte er damit ausdrücken, dass er nacherzählt hat, was ihm zu Ohren gekommen ist, mit anderen Worten, dass er weder selbst Zeuge des Geschehens gewesen, noch das Geschehene bestätigen kann, sondern lediglich die Information wiederholt. Die Karo-Sprache kennt ebenfalls zehn solcher Evidenz-Begriffe.

nach obenLebensraum

Traditionell bewohnten die Arara stets dasselbe Gebiet, in dem sie sich auch heute noch aufhalten, das “Indianer-Territorium Igarapé de Lourdes” im Bundesstaat Rondônia, das sie mit den Gavião-Indianern teilen, ihren traditionellen Feinden. Das Gebiet hat etwa 190.000 Quadratkilometer Fläche, wurde 1986 anerkannt und befindet sich gegenwärtig bereits im Register der Federal-Justiz. Von diesem Gesamt “gehört” zirka ein Drittel der Fläche den Arara – der andere, grössere Teil den Gavião.

Die beiden Dörfern am nächsten gelegene Stadt ist Ji-Paraná – zirka 70 km, Anfahrt über eine Erdpiste (während der Trockenperiode) oder etwa drei Stunden Bootsfahrt den Rio Machado hinunter und dann hinein in den Igarapé da Prainha (Bach – den man in der Regenperiode befahren kann), bis zum Dorf Iterap. Die Zufahrt zum Dorf Paygap ist einfacher, weil sie in der Siedlung Nova Colina beginnt. Ebenfalls über eine Erdpiste erreicht man das Dorf nach 50 km Anfahrt von Ji-Paraná aus.

nach obenBevölkerung

1987, als der Autor seine Studien unter den Arara begann, gab es erst ein einziges, neu eingerichtetes Dorf, in dem zirka einhundert Indianer lebten. Gegenwärtig wird die Bevölkerung der beiden Dörfer auf rund 170 Mitglieder geschätzt, von denen 2/3 im Dorf Iterap und der Rest im Dorf Paygap ansässig sind. Es gibt, in relativ seltenen Fällen, Eheschliessungen zwischen den Arara (sowohl den Männern wie den Frauen) und den Gaviao – und noch seltener zwischen den Arara und den Zoró, letztere bewohnen das angrenzende Gebiet. Ehen mit Nicht-Indianern gibt es nur ganz wenige. Vom linguistischen Standpunkt gesehen: die Kinder aus interethnischen Verbindungen der Eltern erlernen die Sprachen beider Elternteile (Arara und Gavão, oder Arara und Zoró), und dann später Portugiesisch, als Kontaktsprache.

nach obenGeschichte des Kontakts

Obwohl sie schon seit 1920 hie und da Kontakt mit der sie umgebenden zivilisierten Gesellschaft hatten, wurden die Arara vom alten “Serviço de Proteção ao Índio (SPI)” erst gegen Ende der 40er Jahre offiziell kontaktiert. Dieser Kontakt war katastrophal für die Arara-Gruppe: Hunderte von ihnen starben an Krankheiten, welche von Nicht-Indianern eingeschleppt wurden (besonders Lungenentzündung, Grippe und Masern), und die Wenigen, die überlebten, nahmen eine Arbeit in den Latex-Sammellagern ihrer Region an, bei der nicht-indianischen Bevölkerung.

Erst gegen Ende der 60er Jahre gelang es einem Beamten des SPI, wahrscheinlich dem Chef des Postens “Lourdes” mit Namen Sr. Brígido, die Arara neu zu gruppieren, welche inzwischen mit den Gavião zusammenlebten. Nach vielen Auseinandersetzungen und Missverständnissen entschlossen sich die Arara in der Mitte der 80er Jahre, ihr eigenes Dorf zu gründen, in der Nähe des “Igarapé Prainha”, ungefähr 5 km oberhalb seiner Mündung in den Rio Machado. Die offizielle Anerkennung ihres Dorfes bekamen sie bald darauf durch die neue FUNAI – anschliessend gründete diese den FUNAI-Posten Iterap.

Anfang der 90er Jahre entstand ein interner Disput um die Führungsposition unter den Arara, und der damalige Häuptling Pedro Agamenon zog mit seiner familiären Gruppe in eine andere Ecke des IT, um dort sein eigenes Dorf zu gründen, das sie Paygap nannten. Nach Berichten der FUNAI hat das Dorf aber nicht genügend Einwohner, um die Gründung eines weiteren FUNAI-Postens zu rechtfertigen.

nach obenErzählungen der Arara

Im folgenden Abschnitt drei Erzählungen über die ersten Kontakte mit den Weissen, wiedergegeben in der Karo-Sprache:

Man sagt, dass sich die Weissen in früheren Zeiten unseren Vorfahren nicht gezeigt haben.
Pégn tomãn i’ke mây mãm werem i’yat nga‘ kây to’wa.
Es war mein alter Grossvater, der die Sachen der Weissen zum ersten Mal kennenlernte,
Toto pap ixahmây nã tokõna pégn xagâp to‘,
Und der brachte seinen Angehörigen die Messer mit.
yá to‘ ma’eya toat tap kây.
Das war auch das erste Mal, dass der Weisse unsere Leute kennenlernen konnte – und er kam und sah sie.
Yane pégn i’toy ’nãt kanãy to’wa nga’at kán.
Danach kontaktierten unsere Verwandten, die keine Medizinmänner waren, die Weissen ebenfalls.
Kanãy a’wa’ye‘ pégn to‘ toba at tap i’yat agóa’pât yáp tap.
Der Medizinmann brachte uns am Anfang die Sachen heimlich, so sagt man.
Agóa’pât i’yat kanã‘ to‘ ma’e te‘ mãm tokõna tobinoaba nga’et.
Nur Grossvater wusste davon, damals.
Toto tokõna ixahmây nã mây mãm.
Danach lernten sie den Weissen dort in Santa Maria kennen.
Kanãy tapwa’ye‘ pégn toba Santa Maria Ká‘ pe‘,
einen, den sie “Barro” (Baron) nannten.
Nur der Baron verteidigte uns damals, so sagen die Leute.
Barro mõm iya’xi tawãran kõam nga’at tokõna mây mãm kán.
Wir würden heute hier nicht mehr leben, wenn dort ein anderer Weisser gewesen wäre.
I’yoy tík i’ke met pégn páy ahyâ ã to’wa, i’kây ã to’wa.
Nur der Baron verteidigte uns, als wir einen von ihnen töten mussten.
Barro mõrm irawãran tonõ wiƒ kanãp,
Es war der Weisse, der uns verteidigte,
‚At tokõna mây mãm pégn kán iya’xi tawãra,
nur der Baron, nachdem wir einen von ihnen getötet hatten,
Barro mõm tonõ wi; kanãp,
verteidigte uns vor seinen Leuten.
iya’xi tawãra toat tap kây.

Es war der Pater, welcher uns zuerst kennenlernte – vor sehr langer Zeit.

Padre yane i’toy kõam tokõna kán.
Es war der Pater, der die Indianer dem S.P.I. (Serviço de Proteção ao Índio) gezeigt hat, damals,
Padre i’tâ tap mãn toat S.P.I. kây mây mãm,
er ging los und lernte die Indianer kennen,
tobinoaba tokâga, i’tâ tap totoba tokõna,
weit draussen im Wald, wo wir wohnten.
naxo pe‘ tú‘, iromop kotoba tú‘.
Der Padre entdeckte uns hier im Wald,
Padre kanãy a’wa’ye‘ irotoba met naxo to‘ toba,
Und er sah sich auch unseren Wald an.
i’yat naxo to‘ toba korem.
Der Weisse vom Sammellager.
Seringal pât péng

Der Baron war auch Latex-Sammler.

Seringalista Barro nãn kõam.
Und der Baron hat uns schliesslich hier auch besucht.
Barroso korem to’wa i’toy met kãri to’wa.
(Text aufgenommen von Procópio Na´xot Wet)

Der Baron, der uns gezähmt hat und uns zum ersten Mal gesehen,
Maho te’toy mây mãm tokõna texawero ma’íba,
Das war vor sehr langer Zeit,
te’toba mây mãm tokõna,
er lernte unsere Eltern kennen,
te’et iyõm tap toba,
und dann begann er sie zu zähmen vor sehr langer Zeit.
te’et iyõm tap xawero ma’íba Maho mây mãm tokâga.
Zuerst gab’s bei uns keine Weissen,
Te’et pégn kât i’ke xo‘ werem,
unsere Eltern erzählten damals,
te’et iyõm tap ‚et mây mãm.
Dass wir zuerst ganz ohne Weisse gelebt haben,
Pégn tóp mãm te’ep teba’kâga xo‘ werem,
Das erzählen unsere Eltern von damals.
te’et iyõm tap ‚et mây mãm.
Wir lebten ohne den Weissen.
Pégn tóp mãm te’ep teba’kâga xo‘.
Und dann suchten wir plötzlich die Weissen,
Te’et pégn yega teba’kâga,
um die Weissen zu zähmen.
pégn xawero to‘ maíara,
Unsere Verwandten wissen, was sie sahen.
I’yat tap xahmây tap tokõna.
Heutzutage existiert keiner mehr von denen, die wissen.
Ixahmây kât i’ke min.
Sie, die den Weissen zum ersten Mal sahen, haben vor langer Zeit gelebt.
Pégn to‘ toba tabet mây mãm torowára.
Nicht hier haben unsere Eltern damals gelebt.
Merem i’ke te’et iyõm tap tomop xo‘ mây mãm.
Aber meine Eltern wohnten damals genau hier, ganz in der Nähe.
Wat iyõm tap tomoy mây mãm merem mãm.
In den Dörfern Na’to Xía Pap (Arsch vom Tapir) und Iyãy Pepat Ká‘ (gespaltener Zahn),
Na’to Xía Pap pe‘, Iyãy Pepat Ká‘ pe‘,
da wohnten wir damals, so erzählte unser Vater.
to’wa teromoba mây mãm, te’et iyõm tabet.
Heutzutage leben wir wie Weisse, in der Mitte der Weissen.
Min te’ep teromoba pégn to‘ nã te’a tena pégn to‘ pák.
Und bevor wir zu Weissen wurden, sind wir damals alle gestorben.
Te’et pégn tóp kokây te’ep te’mâk ya’teba mây mãm.
Dann haben wir den Baron kennengelernt.
Kanãy Maho toba mây mãm te’et.
Der Baron hat uns Krankheit gebracht, uns alle umgebracht, so erzählten sie,
Maho kanã‘ wãk tati te’kây te’mâk maya’teba tabet,
auch noch unseren Rest hat er getötet.
te’pûk ma’teba kãri to’wa.
Die Gavião-Indianer töteten dann alle Übriggebliebenen,
Pami te’pûk yapít,
machten ein Ende mit den resten unserer Väter.
te’et iyõm tap pûk yapía kãri to’wa.
(Text aufgenommen von Firmino Xit Xabat)

Wie der Weisse unsere Leute getötet hat – willst Du das hören?
Kõm igã pégn ‚et iyapía mây mãm kanã‘ xet mãn iga?
Unsere Vorfahren töteten den Weissen dort im Dorf Ya’kõm Xû‘ (Taucher)
Mây yamât tap pégn yapít Ya’kõm Xû‘ pe‘.
Sie erzählten, als die Indianer die Weissen verliessen, diese anfingen die Indianer zu töten.
Teyowan to’wa ‚at tapyapía pégn mây mãm to’wa.
Die Vorfahren erzählten uns, dass die Weissen die Indianer fesselten,
Tapyamerara pégn ‚et tabet i’yat tap ‚u tap te’kây,
das haben sie vor langer Zeit uns erzählt.
mây mãm tobetõa to’wa.
Vor langer Zeit hat sie der Weisse getötet,
Pég teyapít mây mãm,
sie waren am singen, haben Timbó (Lianengift zum Fischen) geschlagen, dort am Ya’kõm-Bach.
i’óra toya yét Ya’kõm Xû‘ óra.
Da kamen die Weissen ihnen nach, um sie zu töten
Kanãy pégn ‚et tapxet tatia nga‘ yapía,
und haben sie gefesselt,
ngayamérara to’wa,
ich glaube, so war es damals,
‚at i’kûy mây mãm,
mit unseren alten Vorfahren.
i’yat tap mûy yamût tap.
Und nachdem sie die Indianer gefesselt hatten, haben sie sie getötet.
Kanãy pégn ngayamérara ngayapía to’wa tokõna tâ‘.
Dann haben sie (die Indianer) den Spiess (den Fall) umgedreht
Kanãy tapwa’ye‘ teyapít to’wa pégyapía topãna,
Und unsere Verwandten haben die Weissen getötet.
i’yat tap mây mãm.
Dann haben die Weissen auch den Rest von ihnen (den Indianern) umgebracht,
Kanãy pégn et tappûrk yapía to’wa,
andere haben sie gefesselt in ihren Kanus mitgenommen.
tappûk yapía ngaya’xi ta’wara canoa pe‘.
Ein Indianer versuchte zu fliehen, er tauchte, schwimmend,
Obe’xûra pe okay motomo yugn ‚wa,
da hat ihn der Weisse erschossen.
kanãy pégn ‚et pugn pugn to’wa a’kây.
Die Weissen haben sich uns genähert, um uns umzubringen.
Te’xet taken iga ‚at teyapít iga pégn
Danach haben die Indianer sie ebenfalls umgebracht,
Kanãy nga’at ayapía kõam,
mit Bogen und Pfeilen – auf sie geschossen.
kap kap to’wa nga’at i’ke.
Wenn der Weisse uns entdeckt hatte, haben unsere Vorfahren die Weissen erschlagen,
Pégn i’toy yâye mây yamât tap pégn to‘ yapía to’wa,
wenn sie (die Weissen) unsere Leute töteten, töteten unsere Leute anschliessend sie.
iyapí kanãp tabet ayapía to’wa.
Wir wissen von nichts anderem.
Ixahmây nãn i’ke kanã‘ páy xet toba.
Die Vorfahren haben sich aber auch gegenseitig umgebracht, damals.
Mây yamât tap toroyapít kõam mây mam.
(Text aufgezeichnet von Paulo Orok Mãn)

Diese “Übersetzung folgt NICHT der von den Arara benutzten Orthografie, sondern stellt ihre Erzählungen in einer für uns leichter verständlichen Form dar.

nach obenGesellschaftliche Organisation und Politik

Infolge der Tatsache, dass die Arara mit der sie umgebenden Gesellschaft schon seit geraumer Zeit in Kontakt stehen (annähernd 60 Jahre), werden ihre gesellschaftliche und politische Organisation, sowie ihre traditionellen, kulturellen Praktiken, nicht mehr benutzt und sind praktisch ganz verschwunden. Nach dem, was man von den Ältesten des Volkes erfahren konnte, gab es traditionelle Feste (zum Beispiel das fest der Maisernte), und die “Reklusion” der Jugendlichen bis zum Tag ihrer Heirat gehörte ebenfalls zu den Praktiken dieses Stammes.

Es existierten zwei unterschiedliche Gruppen von Arara: die gegenwärtigen und die so genannten “Schwarzen Füsse” – letztere sprachen wahrscheinlich auch einen anderen Dialekt. Erzählungen berichten, dass die beiden Gruppen – sie lebten unweit voneinander und unterhielten in der Regel freundschaftliche Beziehungen – bei verschiedenen Gelegenheiten auch aneinander gerieten, was Tote auf beiden Seiten zur Folge hatte. Heutzutage gibt es kein Indiz mehr für die Existenz jener “Schwarzen Füsse”.

Allerdings gibt es einige Aspekt ihrer Organisation, welche bis zum heutigen Tag aufrecht erhalten werden, wie zum Beispiel der Dienst des Mannes, der nach seiner Heirat für den Schwiegervater solange arbeitet, (Feldarbeit, Jagd und Fischfang) bis dieser ihn davon befreit. Und dieses Beispiel kann man sogar bei jenen Arara beobachten, die in eine andere Ethnien eingeheiratet haben (zum Beispiel in die der Gavião). Es gibt ein paar wenige Ehen (nicht in letzter Zeit) von Indianern mit Nicht-Indianern, aber diese Art von Verbindung wird im Allgemeinen von den Mitgliedern der Kommune nicht gern gesehen.

Über das traditionelle System der Namensgebung für Neugeborene weiss man wenig – heute erhalten die Arara-Kinder sowohl einen Arara- wie einen portugiesischen Namen (in der Regel ausgesucht von den Eltern und/oder den Grosseltern). Der Arara-Name bezieht sich stets auf einen physischen Aspekt des Kindes oder eine Episode seiner Geburt oder während der Schwangerschaft.

Die Häuser des Dorfes sind nicht mehr in der traditionellen Architektur konstruiert. Es sind Holzhäuser (einige schon aus Backstein), sie enthalten einen Wohnraum und zwei bis drei Zimmer – die Küche ist als Anbau gehalten, aus einem Holzgerüst mit aus Palmstroh geflochtenen Wänden. Dies ist der kühlste Aufenthaltsort während der allgemeinen Tageshitze.

nach obenMythologie und Schamanentum

Man weiss wenig über die Kosmologie des Arara-Volkes. Ein paar ihrer verbliebenen Mythen weisen jedoch auf die Schöpfung des “weissen” Mannes aus einem Jatobá-Baum hin, zeigen auch die Dualität zwischen Gut und Böse anhand der Figuren von zwei Brüdern – der eine virtuos, der andere couragiert – die sich im Wald verirren, bis der eine den anderen tötet. (Eine Sammlung von Mythen der Arara – die aus der Erinnerung der Ältesten des Volkes stammt – ist in Vorbereitung und wird demnächst erscheinen).

Gegenwärtig wird kein Ritual mehr von den Arara ausgeführt. Es gibt zwar mehrere Medizinmänner im Dorf, alle werden von der eigenen Kommune sowie Mitgliedern anderer Ethnien auch respektiert, aber ihre Aufgaben scheinen sich auf ihre Konsultation als Berater in Fragen zu begrenzen, welche die Kommune betreffen – sie üben aber keine Aktivitäten oder Praktiken mehr aus, welche einst typisch für ihren besonderen Status waren (wie Heilungen, rituelle Dialoge, Erarbeitung von Gesängen etc.).

nach obenMaterielle Kultur

Die traditionelle Kunst der Arara kann man noch in ihren Handarbeiten entdecken – wie zum Beispiel in ihrem verschiedenen Körperschmuck (Ketten aus Samenkernen, Armreifen, Kopfschmuck etc.), den Artikeln, die im Haus Verwendung finden (Korbwaren, Hängematten aus Baumwolle und Tucum-Fasern, Besen, Fächern etc.) oder Gegenständen für die Jagd (Bogen und Pfeile). Es gibt keine Produktion von Keramiktöpfen mehr, aber die Frauen nähen ihre eigene Kleidung (aus Stoffen, die sie aus der Stadt mitbringen).

Die Arara pflegten sich mit Genipapo zu bemalen (sie zeichneten eine feine Linie von der einen zur anderen seite des Gesichts), sie durchbohrten die innere Nasenscheidewand, in der sie eine Ara-Feder befestigten, und sie trugen ein kleines Holzstäbchen in der durchbohrten Unterlippe. Obwohl sie heutzutage im Allgemeinen nicht mehr benutzt werden, kann man diesen Gesichtsschmuck noch bei den älteren Indianern entdecken.

In gewissen Zeitabständen machen die Indianer gebrauch von Timbó anlässlich eines gemeinsamen grossen Fischzugs im nahen Igarapé während der Trockenzeit – und während der Regenzeit angeln sie mittels Haken oder benutzen ein Netz. Es gibt nur einige wenige Indianer, die es noch vorziehen, ihre Fische auf die traditionelle art und Weise mit Pfeil und Bogen zu erlegen.

Zur Jagd hat sich der Gebrauch von Gewehren mit Patronen allgemein durchgesetzt – für die Jagd auf Vögel, besonders für grössere Arten, werden noch die traditionellen Fallen aus Fasermaterial aufgestellt.

nach obenKontemporäre Aspekte

Die Rechte der Arara, zusammen mit den Gavião, vertritt heute eine legale Organisation, die sich “Associação Panderej“ nennt, durch welche die Indianer juristisch vor der brasilianischen Gesellschaft vertreten werden – zum Beispiel bei der Erarbeitung von alternativen Wirtschafts-Projekten, Ansprüchen hinsichtlich Verbesserungen im Gesundheitswesen, Einsetzung einer IBAMA-Patroullie zur Entfernung von illegalen Anglern in den Flüssen des IT, etc. Obwohl sie in der Vergangenheit Probleme mit Landbesetzern in dem ihnen zugesprochenen Gebiet hatten – in der Mitte der 80er Jahre – ist es den Arara, zusammen mit den Gavião und Beamten der FUNAI sowie der Staatspolizei gelungen, diese Leute zu vertreiben – seither ist dieses Problem nicht wieder aufgetaucht.

Es gibt Indianer-Schulen in beiden Dörfern, die von der SEDUC-RO (“Secretaria Estadual de Educação“ des Bundesstaates Rondônia) betrieben und unterhalten werden, die indianische Lehrer ausbildet und unter Vertrag nimmt (ausser der Alphabetisierung in ihrer eigenen Sprache). Sporadisch tauchen auch nicht-indianische Lehrer aus dem öffentlichen Staatsdienst auf, die in die Dörfer geschickt werden, um dort Portugiesisch, Mathematik und wissenschaftliche Fächer zu lehren.

Die Gesundheit der Arara steht unter der Verantwortung der FUNASA, die in den Dörfern eine gute Infrastruktur geschaffen hat und unterhält – mit Toiletten für jede Kernfamilie, verschiedenen Brunnen, deren Wasser mittels Benzinpumpen gefördert wird, Radio-Amateuren mit 24-Stunden-Direktverbindung für den Fall von eventuellen Notfällen, etc. Dieselbe Organisation unterhält auch Verträge mit Sanitätern in beiden Dörfern und ist verantwortlich für die Weiterbildung derselben mittels Kursen und spezifischen Übungen. Von Technikern der FUNASA erarbeitete Zukunftsprojekte begreifen die Bohrung von artesischen Brunnen und eine Wasserleitung in jedes Haus mit ein.

Die Arara unterhalten gute Beziehungen zur FUNAI (dem Chef des Postens, dem Chef in Ji-Paraná und zu anderen Chefs von Posten in der Nachbarschaft). Obwohl sich ihr Posten beim Dorf Iterap befindet, unterhält der Posten-Chef konstanten Kontakt mit der Bevölkerung von Paygap, unterstützt die Indianer bei der Erarbeitung von alternativen Wirtschafts-Projekten und bei der Anschaffung von materiellen Verbrauchsgütern aus Ji-Paraná.

Gegenwärtig gibt es keine ONG in der Gegend, zwei missionarische Einheiten, eine katholische – der “Conselho Indigenista Missionário (Cimi) “ und eine protestantische – die “Missão Novas Tribos do Brasil (MNTB) “ unterhalten eine Beziehung zu den Arara, letztere seit den 80er Jahren.

Es gibt Aufzeichnungen über periodische Konflikte der Arara mit der regionalen Bevölkerung. Der letzte geschah ungefähr vor zehn Jahren, als eine Gruppe Indianer sich zur nächst gelegenen Fazenda begab, um dort ein paar Stück Vieh zu kaufen – das Treffen artete aus in einem Besäufnis und anschliessender Auseinandersetzung, die das Leben eines Indianers (Simião Arara) kostete.

Während die Suche nach Gold in diesem Gebiet nie als Problem auftauchte (es gibt keine Mineralreserven im IT “Igarapé de Lourdes”), gab es aber während einer relativ längeren Zeit (von 1990 bis 96) Holzfäller in diesem Gebiet, die in eigener Initiative arbeiteten – so behaupteten die Indianer – oder auf verbale Verträge mit der indianischen Führung hin. Ab 1996 verschwanden die – illegalen – Holzfäller machten anderen von den Indianern entwickelten Aktivitäten Platz, wie der Viehzucht, der Fischzucht, der Pflanzung von Fruchtbäumen, Kaffee, der Gewinnung von Copíba-Extrakten und des Sammelns von Fasermaterial zur Möbelherstellung.

Zur indianischen Erziehung in ihrer eigenen Sprache hatten die Erzieher der SEDUC-RO eine linguistische Assessorin engagiert, die diese Arbeit übernehmen sollte, aber dieselbe besass leider zu geringe Kenntnisse der Karo-Sprache, und das Resultat wurde zu einer Katastrophe für die Kommune. Nach diesem chaotischen Anfang erarbeitete dieser Autor einen orthografischen Vorschlag für die Arara, welcher in einer Versammlung der Kommune anerkannt worden ist. Und nachdem die Orthografie für eine Schriftsprache des Karo festgelegt war, hatte man auch die Möglichkeit – zusammen mit indianischen Lehrern – zwei erste Werke zu erarbeiten: “Âk wenwen ‚ya! “ – ein Heftchen zur Alphabetisierung – und “Histórias dos Arara no tempo do contato com os brancos“ (Geschichten der Arara aus der zeit des Kontakts mit den Weissen), mit Erzählungen von zehn sehr alten Indianern, die hier ihre Erinnerungen aus der Zeit der ersten Kontakte wiedergeben.

Das Projekt der Alphabetisierung in der Indianersprache geht gegenwärtig weiter und wird vom Grad der Ausbildung der entsprechenden indianischen Lehrer bestimmt – damit diese nun ihrerseits ihre eigenen Kenntnisse an die ihnen anvertrauten Schüler weitergeben können.

nach obenAnmerkung bezüglich der Quellen

Es gibt sehr wenig (oder eigentlich gar kein) anthropologisches Wissen über die Arara. Das einzige publizierte Material, in dem eine kleine Beschreibung gewisser Aspekte des Lebens der Arara zu finden ist, ist das von Lévi-Strauss (1950).

Spezifisch die linguistische Wissenschaft betreffend, wurden entsprechende Arbeiten (hauptsächlich Sammlungen von Wörtern) seit 1925 von Nimuendajú angefertigt. Andere Referenzen stammen von HORTA BARBOSA (1945), HUGO (1959), NIMUENDAJU (1955), RONDON & FARIA (1948) und SCHULTZ (1955).

Eine tiefere linguistische Kenntnis über die Karo-Sprache jedoch ergab sich erst ab 1987, als der vorliegende Autor mit seinen Studien begann. Ab diesem Zeitpunkt erschienen verschiedene Artikel, Kapitel in Büchern und eigene Bücher, welche die unterschiedlichen Aspekte dieser Sprache behandelten. Gegenwärtig sind eine komplette Grammatik und ein Wörterbuch in Karo-Portugiesisch von demselben Autor in Vorbereitung.

© Nilson Gabas Jr. – Linguist des “Instituto Emílio Goeldi” in Belém, März 2004)
Deutsche Übersetzung/Bearbeitung, Klaus D. Günther
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