Siebzig Prozent der Oberfläche unseres Planeten sind bedeckt mit Wasser – aber nur 1% dieses gigantischen Reservoirs ist für den Konsum des Menschen geeignet. Die Herausforderung besteht darin, seine Verschmutzung und Verschwendung zu verhindern und seine Verteilung auf die gesamte Menschheit zu verbessern. Eine der spektakulärsten Visionen des vergangenen Jahrhunderts war die erste Fotografie der Erde, die aus dem Weltraum aufgenommen wurde, in den 60er Jahren: eine gigantische blaue Masse, davon 70% bedeckt mit Wasser.
Am Anfang dieses Jahrhunderts dann eine immer wieder auftauchende Sorge – und zwar eine berechtigte – ist die, dass das Wasser, scheinbar im Überfluss vorhanden, paradoxerweise für den Gebrauch des Menschen immer weniger wird. Im März des Jahres 2005 hat der damalige Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, die kommenden Jahre zwischen 2005 und 2015 als “Jahrzehnt des Wassers“ dekretiert. Ziel ist es, in diesem Zeitraum die Zahl der Personen ohne Zugang zu installiertem, fliessendem Wasser auf die Hälfte zu reduzieren, eine Zahl, die 2 Milliarden Menschen übersteigt. Wenn wir den derzeitigen Wasserverbrauch beibehalten, so schätzt man, dass im Jahr 2050 die Hälfte der Menschheit in Gebieten leben muss, die unter chronischem Wassermangel entsprechender Qualität leiden werden.
Dies ist besonders deshalb eine erschreckende Nachricht, als 60% aller bekannter Krankheiten in irgendeiner Form auf den Wassermangel zurückzuführen sind. Wie ist das möglich, auf einem Planeten mit soviel hydrischem Überfluss? Das Problem hat zwei Seiten: schlechte Verteilung und schlechte Nutzung. Erstere ist der Natur selbst zuzuschreiben – die zweite ist Schuld der Menschen. Wasser ist tatsächlich die häufigste Substanz auf unserer Erde. Jedoch – 97% davon befinden sich im Meer, und sind deshalb ungeeignet für den landwirtschaftlichen und den industriellen Verbrauch, sowie für den menschlichen Konsum. Weitere 2% befinden sich gebunden im Eis oder Schnee der Polkappen. Und so bleiben lediglich 1% des Süsswassers – in den Flüssen, Seen und unterirdischen Wasseradern – zur Verfügung des Menschen. Und dieses Wasser ist ausgesprochen schlecht verteilt. Länder wie Kanada und Finnland haben viel mehr davon, als sie brauchen, während der Orient fast nichts davon besitzt.
Brasilien, “Verwalter“ über das grösste hydrische Reservoir der Welt – 3,7% der auf unserem Planeten zur Verfügung stehenden Süsswassermenge – veranschaulicht bereits intern das oben genannte Paradox: Zwei Drittel des Wassers konzentrieren sich innerhalb der Region mit der geringsten Bevölkerungsdichte – in Amazonien. Das bedeutet, das zum Beispiel ein Brasilianer aus Roraima 1000mal mehr Wasser zu seiner Verfügung hat, als zum Beispiel sein Landsmann, der im Interior des Bundesstaates Pernambuco lebt. Wasser ist schwer und schwierig zu transportieren. Es von einer Stelle zur andern zu transportieren, war eine grosse Herausforderung der Menschen seit der Römerzeit, ein Volk, welches innerhalb ihres Reiches die ersten Aquadukte anlegte.
Das zweite Problem hinsichtlich des Wassers ist die schlechte Nutzung – und da gibt es ein anderes Paradox: Obwohl für die Wirtschaft unentbehrlich, wurde Wasser immer umsonst an den Verbraucher gegeben. Bis man das kurzer Zeit bezahlten weder Industrielle, noch Landwirte und auch nicht die Verbraucher im Haushalt Geld für das Wasser – nur für seine Verteilung! Es ist richtig, dass im Grunde die Gesellschaft auch dann schon mitbezahlt, wenn eine Regierung staatliche Unternehmen einsetzt, welche das Wasser behandeln, das ein Unternehmer in seinem Fabrikationsprozess benutzt, oder wenn dieselbe Regierung einen Staudamm bauen lässt, damit ein Fluss den Landwirten zur Bewässerung zur Verfügung steht. Wenn für etwas, das man konsumiert nichts bezahlen muss, ist die Verschwendung bereits vorprogrammiert. Und deshalb sollte man, wenn man von der weltweiten Wasserverschwendung spricht, ein Wort wie eine Art Mantra bereithalten: Preisgestaltung. Das heisst, dass eine Regierung, die nach letzter Analyse schliesslich Besitzerin der Wasservorräte ihres Landes ist, für die von ihren Bürgern konsumierten Wasseranteile Bezahlung verlangen muss, um dann dieses Geld für die Behandlung des Wassers und die Erhaltung der Ökosysteme einsetzen zu können, denen die Bürger ihr Wasser verdanken.
Das geschieht bereits in Ländern wie Frankreich und Deutschland, die in der Wasserfrage beispielgebend sind. In dem meist angewendeten System bezahlt der Unternehmer oder Landwirt sogar zweimal: für die Nutzung des Wassers an sich und für die Erlaubnis, die Abwässer in die Flüsse leiten zu dürfen. Damit wird er angeregt, wenig Wasser zu verbrauchen und die Abwässer selbst einer Klärung zu unterziehen, bevor er sie an die Natur zurück gibt. “Für das Wasser eine Bezahlung zu verlangen, ist wesentlich effektiver als Tausende von Gesetzen zu seinem Schutz zu erlassen, wenn man weiss, dass der Staat sowieso über kein Personal verfügt, die Einhaltung der Gesetze zu kontrollieren und Strafen zu verhängen“, sagt der Direktor der “Agencia Nacional de Águas“, gegründet 1997. Diese Agentur begann erst kürzlich mit dem Pilotprojekt einer Zahlungserhebung für Wasser am Rio Paraíba do Sul, getragen von den Bundesstaaten São Paulo, Rio de Janeiro und Minas Gerais. In den ersten zwei Jahren wurden dadurch in diesem Gebiet 6 Millionen Reais eingenommen, die nun wieder in Kläranlagen für 12 Städte investiert werden können.
In Zukunft werden auch Verbraucher im Haushalt die Wasserrechnung mit Unternehmern und Landwirten teilen müssen, obwohl sie nur für etwa 10% des weltweiten Verbrauchs von Süsswasser verantwortlich sind. Letztendlich sind es die nicht behandelten Abwässer, denen wir die Verschmutzung der Flüsse zu verdanken haben, besonders jene der grossen Metropolen. Das Problem wird nur zu lösen sein, wenn man anfängt, für das Wasser an und für sich eine Bezahlung zu verlangen – nicht nur für seine Verteilung. Obwohl man sich in der Frage einer norwendigen Preisveranschlagung praktisch einig ist, gibt es doch Gegenstimmen, welche anführen, dass der Preis für jene dann besonders teuer würde, die das Wasser am meisten brauchen: die Ärmsten des Volkes.
Aber es gibt verschiedene Methoden, welche verhindern können, dass dies geschieht. In Südafrika hat man zum Beispiel ein Konsum-Maximum pro Person eingeführt – erst wer mehr als dieses Maximum verbraucht, der muss dafür zahlen. Denn die Wahrheit ist doch: Was für die Armen wirklich teuer wird, ist, kein Wasser zu haben! In den Ländern, in denen der Wassermangel dramatische Formen angenommen hat, sind es die Frauen, denen die Aufgabe zufällt, bis zum nächsten Fluss mit einem Krug auf dem Kopf zu marschieren – und, weil der Fluss oft kilometerweit entfernt ist, verlieren sie manchmal den ganzen Tag mit dieser Aufgabe.
Es gibt wenigstens drei falsche Behauptungen hinsichtlich der Wasserfrage, besonders dramatisiert von radikalen Umweltschützern, die nicht auf Tatsachen beruhen: Die erste behauptet, dass die Wasservorräte unseres Planeten zuende gehen – das ist nicht wahr! Wasser ist ein unendlich erneuerbares Element – in seinem Zyklus fällt es aus den Wolken vom Himmel als Regen, befruchtet die Erde, fliesst in die Flüsse und Meere, verdunstet und kommt als Süsswasser wieder zurück aus den Wolken.
Die zweite Behauptung stellt fest, das der unkontrollierte Verbrauch von Wasser im Haushalt zum Verschwinden des Wassers auf unserem Planeten führen wird – eine weitere Übertreibung. Lediglich ein Zehntel des zur Verfügung stehenden Trinkwassers wird für die Küche, die Waschmaschine und die persönliche Hygiene von den Menschen verbraucht, während 70% in der Landwirtschaft verbraucht werden – dort liegt die Verschwendung!
Die dritte Behauptung – sie entstand aus dieser – besagt, dass die Wasserreserven zuende gehen, weil je mehr sich die Erde entwickelt, sie mehr Lebensmittel brauche und folglich auch mehr Wasser. Ist auch nicht ganz richtig. Die Modernisierung der Landwirtschaft hat zur Folge, dass der Wasserverbrauch sogar sinken könnte. Nach einer Schätzung des des “Pacific Institute“, weltweit einem der renommiertesten Zentren für Studien in dieser Frage, lag der Gesamtkonsum von Wasser in den USA der 80er Jahre bei 600 Kubikkilometern pro Jahr – heute ist er auf weniger als 500 gesunken! Diesen Rückgang verdankt man unter anderem auch der Einsparung in der Industrie und in den Haushalten. In den Fabriken der 30er Jahre verbrauchte man durchschnittlich 200 Tonnen Wasser für eine Tonne Stahl zu erzeugen. Heute, mit modernen Methoden, ist dieser Verbrauch auf 3 Tonnen gefallen.
In den Haushalten, zum Beispiel, ist der Verbrauch von Wasser in den Toilettenspülungen auf ein Viertel gegenüber dem zurück gegangen, was man noch vor zwanzig Jahren dort verbrauchte. Das wirkliche Dilemma besteht darin, es zu schaffen, dass man die Wasservorräte auf die weiter wachsende Weltbevölkerung besser verteilt und die Wasserqualität erhält! Die Geschichte lehrt uns, dass der Mensch jene Güter besser behandelt, die er als Wirtschaftsgüter betrachtet. Das Wasser, das ein wichtiger Bestandteil aller Produktionsprozesse darstellt, verdient eine solche Behandlung.