Er bedeckt mehr als 50% des brasilianischen Territoriums und fasziniert und beflügelt die Sinne all derer, die die Gelegenheit haben, ihn während eines Aufenthalts persönlich kennenzulernen. Hier in dieser grünen Unendlichkeit erscheint uns alles, schon vom ersten Kontakt an, überraschend.
Wir sprechen grundsätzlich von drei verschiedenen Arten von Regenwald in Amazonien, darunter ist der stetig überflutete Regenwald, oder „Igapó“, derjenige, welcher den Touristen am meisten fasziniert. Reich an verschiedenen Palmenarten, wie der „Paxiuba“ oder der „Buriti“, bietet er aber auch hie und da Baumriesen von seltener Grösse und Erhabenheit, deren Luftwurzeln wie Riesenschlangen über dem niedrigen Wasserspiegel aufragen und deren gewaltige Stämme von schenkeldicken Lianen umschlungen sind – dazwischen geben verschiedenartige Orchideen dem Szenario eine fast überirdische Lieblichkeit.
Der „Várzea-Regenwald“, an den Ufern der Flüsse, wird dagegen nur periodisch vom Hochwasser überschwemmt. Diese Überschwemmungen bringen den Boden düngende Substanzen mit sich, und die lokale Bevölkerung profitiert von diesen fruchtbaren Uferböden, auf denen dann sie ihre Pflanzungen anlegen, deren Produkte noch vor der nächsten Überschwemmung geerntet werden können. Die „Jute-Faser“ ist ein solches „schnell wachsendes Produkt“, sehr gefragt in der Herstellung von Seilen und Säcken.
Der „Terra-Firme-Regenwald“ bietet dem Besucher ein ganz anderes Szenario: die Bäume hier sind in ihrer Gesamtheit von gigantischen Ausmassen – mehr als 60 m Höhe sind keine Seltenheit.
Durch seine durchschnittlich höhere Lage immun gegen die Überschwemmungen, hat sich in ihm die ganze vegetative Vielfalt tropischer Pflanzen ausgebreitet. Viele Edelholzbäume trifft man hier an: den „Louro“, den „Massaranduba“, den „Itauba“. Letzterer wird wegen seiner grossen Resistenz im Bootsbau verwendet.
Während einer Wanderung durch den Regenwald – innerhalb eines der vielen Aktivprogramme, die von den uns angeboten werden – trifft man auch auf Bäume, aus denen die „Sorva“ gewonnen wird, eine Art Latex zur Fabrikation von Kaugummi – oder einen anderen, der den „Breu Branco“ absondert, wenn man ihn anritzt, einen Stoff, der zur Kalefatierung von Bootskörpern benutzt wird. Oder das „Tauari“, ein feines Blattwerk, mit dem Indianer und Caboclos der Region den Tabak ihrer selbstgedrehten Zigaretten umhüllen. Man sieht Lianen, der verschiedensten Spezies und Stärken. Einige so dünn wie ein Nylonfaden und andere, von 15 bis 20 cm Durchmesser.
DIE FAUNA
Im Regenwald herrscht am Tag wie bei Nacht geschäftiges Leben. Man kann es sowohl in den Baumkronen als auch im Schatten des immergrünen Gewölbes entdecken.
Unter einem trockenen Blatt, zwischen den Zweigen eines Gebüsches und selbst in den verstecktesten Winkeln leistet jedes auch noch so kleine Lebewesen seinen wichtigen Beitrag zum perfekten Zyklus des Werdens und Vergehens im Regenwald.
Die Fauna des Regenwaldes ist besonders bemerkenswert wegen ihrer enormen Vielfalt – katalogisiert hat man bis heute zirka 250 Arten von Säugetieren, 2.000 Arten von Fischen und 1.100 Arten von Vögeln. Die kleineren Säuger, die Vögel, Reptilien und exotischen Insekten – besonders die vielen herrlichen Schmetterlinge – kann man stets auf einem Ausflug in den Regenwald antreffen. Per Kanu, zwischen Igapós und Igarapés, wo die Blätter der Bäume oftmals Gesicht und Haar des Besuchers streifen, sind solche Beobachtungen besonders interessant. Während des Tages entdeckt man hier ganze Schwärme von Papageien und Sittichen, die sich in einem der Fruchtbäume um die besten Plätze balgen und dabei einen Heidenlärm machen. Reiher stehen unbeweglich beim Fischen in einer Wasserrinne. Fasane und Wildhühner sitzen auf niedrigen Ästen über dem Wasser und lassen ihre Rufe herüberwehen. Kleine Teichhühner eilen geschäftig über die riesigen schwimmenden Blätter der „Victória Régia“ und haschen nach Insekten. Und wenn das Boot einen der höheren Bäume am Ufer passiert, kann man sicher die eine oder andere Affenfamilie entdecken, die sich von ihrem Ast aus vor Neugier fast die Hälse ausrenken, um die überraschenden Eindringlinge zu begutachten.
Wenn dann die Sonne, meist in wundervoller Farbigkeit, am Horizont verlischt, stimmen sich die ersten Frösche zum Abenddämmerchor ein – erst ganz vereinzelt und plötzlich wie eine trommelwirbelnde Woge aus Millionen von Schallblasen eröffnen sie das allnächtliche Konzert – die Melodie des Regenwaldes, zu der Grillen und Zikaden, Eulen, Ziegenmelker und andere Nachtvögel ihren Solobeitrag leisten – ein raubtierartiges Brüllen dazwischen stammt meist von einem Hochzeit feiernden Kaiman – aber, wenn man Glück hat und viel Geduld, dann gibt auch der grösste Räuber des Regenwaldes, der Jaguar, seinen Beitrag zum Konzert: sein Brüll-Stakkato kann einem schon ein bisschen Adrenalin durch die Adern treiben.
In diesen Stunden der Urwald-Romantik sollte man sich die Legenden und Geschichten der einfachen Waldbewohner anhören – Geschichten, welche die Magie und die Mystik des Regenwaldes neu entfachen.