Duftende Seelen

Zuletzt bearbeitet: 29. Oktober 2013

Es gibt Menschen, die haben eine Ausstrahlung wie ein singender Vogel. Wie die Sonne wenn sie aufgeht. Oder wie eine Blume, wenn sie lacht. An ihrer Seite fühlt man sich wie im sanften Schaukeln einer Hängematte an einem milden Nachmittag – ohne Uhr und ohne Terminkalender. An ihrer Seite möchte man Popcorn auf dem Marktplatz knabbern, sich das Kinn mit Eis verkleckern oder die Finger mit bunter Zuckerwatte verkleben.

Die Zeit läuft mit ihnen ganz anders. Und man sieht das Leben plötzlich aus einem ganz anderen Blickwinkel – nämlich dem, den die Leute leider zu sehen verlernen.

Es gibt Menschen, die haben eine Ausstrahlung wie aus dem Schoss Gottes. Wie ein erfrischendes Bad im Meer, wenn das Wasser lauwarm ist und der Himmel blau. An ihrer Seite spürt man, dass es die Engel wirklich gibt, und dass einige von ihnen unsichtbar sind. An ihrer Seite fühlt man sich zu Hause angekommen und kann nun die hohen Schuhe mit den Pantoffeln vertauschen. An ihrer Seite kann es April sein, aber man fühlt sich jedes Mal wie am Weihnachtsmorgen, als man noch Geschenke vom Nikolaus bekam.

Es gibt Menschen mit der Ausstrahlung der Sterne, die der liebe Gott am Himmel angezündet und von denen, die wir hier auf Erden anzünden. An ihrer Seite glauben wir nicht nur, dass die Liebe möglich ist – wir sind sogar sicher. An ihrer Seite fühlt man sich wie beim Besuch eines fröhlichen Ortes. Als ob man ein Bouquet voller Streicheleinheiten geschenkt bekommt. Als ob man das Baby eines Panda–Bären umarmt. Unsere Augen senken sich in ihre friedvollen Augen. An ihrer Seite kosten wir die zarte Berührung, mit der ihre Präsenz unsere Herzen bewegt.

Es gibt Menschen, die haben eine Ausstrahlung von Beschaulichkeit ohne Hetze. Des Spielzeugs, das wir damals nicht loslassen wollten. Des Spaziergangs im Garten. An ihrer Seite bemerken wir, dass die Sensualität ein Duft ist, der aus dem Innern kommt, und dass die Anziehung, die uns wirklich bewegt, nicht allein durch den Körper geschieht. Sie fliesst in anderen Adern. Sie pulsiert an einem anderen Ort. An der Seite dieser Menschen erinnern wir uns, dass, wenn wir lachen, Gott mit uns tanzt – cheek to cheek. Und dann strampeln wir gelöst, wie ein Baby.

Ich pflege zu sagen, dass bestimmte Seelen duften. Und ich glaube, dass unsere Gefühle ebenfalls einen Duft ausströmen und alle Dinge mit ihrer Energie bewegen. Meine Grossmutter war so jemand. Sie hat viele Lebewesen mit ihrem besonderen Parfum bewegt, mit ihrem Licht und ihren Farben. Meine Grossmutter war eine solche duftende Persönlichkeit. Ihr Parfum war so angenehm, so weiss und so delikat, dass es, selbst nachdem ihr Flakon leer geworden, in den Seelen derer, die sie geliebt, auf ewig weiter duftet. Und alles, was ich selbst lieben werde, wird sich in der einen oder der anderen Form mit den Spuren jenes Duftes mischen, in dem sie sich mir in Liebe gewidmet, ein Leben lang – meine Grossmutter Edith.

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AutorIn: Klaus D. Günther

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