Brasilianischer Riesenotter (Pteronura brasiliensis)

Zuletzt bearbeitet: 25. Juni 2021

Der brasilianische Name des Riesenotter „Ariranha“ stammt aus der indigenen Tupi-Sprache „ari’raña“ und bedeutet „Wasserraubtier“ – und das ist er – ein Säugetier und Fleischfresser aus der Familie der Mustelidae, der sich als die größte Art dieser Familie auszeichnet – er erreicht eine Länge von etwa 1,8m und ein Gewicht von bis zu 30 kg. Im Allgemeinen sind die männlichen Exemplare etwas größer als die weiblichen.

Der brasilianische Riesenotter (Pteronura brasiliensis) – Foto: sabiá brasilinfo

Diese Tiere haben einen langen Körper mit einem abgeflachten Schwanz, der ihnen das Schwimmen erleichtert. Sie haben ein dunkelbraunes Fell, kleine runde Ohren und große Augen. Die Zehen der kräftigen, kurzen Beine sind durch Schwimmhäute miteinander verbunden, die das Schwimmen und Tauchen dieser semiaquatisch lebenden Tiere erleichtern.
Riesenotter bewohnen Süßwasserumgebungen, wie Flüsse, Seen und deren Ufer. Sie suchen im Allgemeinen Orte auf, an denen es ruhigeres Wasser, weniger menschliche Eingriffe, ein größeres Nahrungsangebot, Ufer mit sanften Hängen und eine dichtere Vegetation gibt.

Sie sind tagaktiv und ernähren sich vorzugsweise von Fischen, aber ihre Nahrung kann sich auch auf Krebstiere, Mollusken, kleinere Wirbeltiere, Reptilien, Vögel und deren Eier, erweitern. Weil ihre Hauptnahrung aus Fisch besteht, werden sie von lokalen Fischern oft als Konkurrenz angesehen.

Riesenotter sind gesellige Tiere, die in Gruppen von 2 bis 16 Individuen leben – die jeweilige Anzahl der Mitglieder in einer Gruppe variiert je nach Region, Jahreszeit und Lebensraum, wobei stets ein dominantes Paar zu beobachten ist. Die Gruppe setzt sich in der Regel aus diesem Paar und ihren Nachkommen aus den letzten zwei oder drei Jahren zusammen, also aus ihren Nachkommen vergangener Fortpflanzungsperioden. Riesenotter gelten als monogam.

Eine tagaktive Art, die sich am Ende des Tages in Höhlen zurückzieht, welche von ihnen entlang der Steilufer von Flüssen angelegt worden sind. In diese Höhlen ziehen sie sich zwischenzeitlich zum Ausruhen zurück, und dort werden auch ihre Jungen geboren. Neben den Höhlen legen Riesenotter auch Latrinen an, in denen sie Kot und Urin absetzen – und die auch zur Markierung ihres Terrains dienen.

Lebensraum

Der Riesenotter ist eine endemische Art in Südamerika. Er kommt in Brasilien, Bolivien, Kolumbien, Ecuador, Guyana, Französisch-Guyana, Paraguay, Peru, Surinam, Venezuela, Argentinien und Uruguay vor. In Brasilien wurde er in Amazonien, im Atlantischen Regenwald, im Cerrado und dem Pantanal gefunden.
Heute, nachdem der Riesenotter einen großen Populationsverlust erlitten hat, der hauptsächlich auf die Bejagung zurückzuführen ist, werden lebensfähige Populationen dieser Art nur noch im Amazonasbecken und im Pantanal entdeckt. An anderen brasilianischen Standorten trifft man nur noch hie und da auf isolierte kleine Gruppen.

Fortpflanzung

Riesenotter sind Tiere, die im Alter von zwei bis drei Jahren geschlechtsreif werden. In der Natur pflanzen sich die Weibchen im Durchschnitt bis zum Alter von 11 Jahren fort, die Männchen bis zum Alter von 15 Jahren. Die Fortpflanzung dieser Tiere ist schwierig zu beobachten, und die derzeit verfügbaren Daten wurden hauptsächlich in Gefangenschaft gesammelt.

Während der Fortpflanzungszeit werden weibliche Riesenotter aggressiver und sind auch weniger bereit zu füttern und zu spielen. Normalerweise werden Weibchen nur einmal im Jahr läufig, aber in manchen Situationen, wie z. B. beim Verlust von Jungtieren, können sie auch zweimal läufig werden. Ihre Trächtigkeit dauert etwa 60 Tage und jeder Wurf kann ein bis fünf Jungtiere enthalten. Das Weibchen bringt die Jungen in der Höhle zur Welt.

Der brasilianische Riesenotter (Pteronura brasiliensis) – Foto: sabiá brasilinfo

Die Jungtiere verlassen die Höhle erst, wenn sie etwa zwei bis drei Wochen alt sind. Wenn sie schließlich aus dem dunklen Loch herauskommen, dürfen sie nicht sofort ins Wasser, sondern werden im Maul von Mutter oder Vater vorsichtig an das Wasser gewöhnt. Ihre ersten Versuche, im Wasser Fische zu fangen, werden von allen Mitgliedern der Gruppe genau beobachtet – im Alter von zweieinhalb Monaten sind sie weitgehend selbständig.

Die Mutter hört im Alter von etwa neun Monaten auf, ihre Jungen zu säugen. Im Alter von 10 Monaten beginnen die Jungtiere mit ihren Eltern zu jagen. Sie bleiben in der Familiengruppe, bis sie etwa 2 bis 3 Jahre alt sind, danach verlassen sie die Gruppe, um eine neue zu gründen.

Die Rückkehr der Riesenotter

Hauptopfer der Jagd auf Felle während mehr als der Hälfte des 20. Jahrhunderts, haben sich die Restpopulationen, die in den Oberläufen überlebt haben, also an Orten, die für Jäger schwerer zugänglich sind, in den letzten Jahrzehnten vermehrt und dringen in Gebiete vor, in denen sie seit vielen Jahren nicht mehr gesehen wurden.
„Es handelt sich um eine zaghafte und kürzliche Erholung“, sagt die Biologin Natália, Forscherin am „Institut für Soziales und Umwelt“ (ISA). „Die Dichte der Art ist sehr gering, soweit ich das gesehen habe. Im Allgemeinen erwartet man größere und zahlreichere Gruppen“, fügt sie hinzu. Andere Studien weisen auch auf die Erholung von Populationen der Riesenotter im „Amanã Sustainable Development Reserve“, ebenfalls im Amazonasgebiet, hin.

Natália untersuchte im Rahmen ihres Masterstudiums am „Nationalen Institut für Amazonasforschung“ (Inpa) zwischen 2014 und 2016 die Geschichte der Präsenz des Riesenotters und die des Fischotters (Lontra longicaudis) im oberen Rio Negro. Während der Studien sammelte sie Kotproben, konsultierte historische Aufzeichnungen und sprach mit Indios, die an der Otterjagd teilgenommen hatten, um die Geschichte der Besetzung der Region durch die beiden Otterarten zu erzählen.

Die Ergebnisse wurden im März in der Online-Fachzeitschrift PLOS ONE veröffentlicht.
Der Riesenotter war laut Natália das meist gejagte Tier im Amazonasgebiet während des gesamten 20.Jahrhunderts. Historische Studien über die Jagd in der Region, die Daten über den Export von Fellen wiederherstellten, zeigen, dass die Aktivität nach dem Gummizyklus, um 1920, bis zum Verbot der kommerziellen Jagd im Jahr 1968 stetig zugenommen hatte. Die Bejagung war verantwortlich für den Rückgang mehrerer Arten, wie der Manatis, der Otter und der Kaimane.

Die Tötung von Riesenottern erlebte Mitte 1940 einen spürbaren Rückgang, als Aufzeichnungen über die Bejagung dieser Tiere seltener wurden, was ebenfalls auf eine Verringerung der Population dieser Art hinweist. Fischotter wurden allerdings bis zum Verbot der kommerziellen Jagd, im Jahr 1968, weiterhin getötet.

Riesenotter ( Pteronura brasiliensis) – Foto: Klaus D. Günther

„Die älteren Leute sagen, dass die Riesenotter, als sie verschwanden, sich in die Oberläufe der Igarapés (kleinere Zuflüsse) flüchteten, also in unzugänglichere Gebiete“, erklärte die Biologin. „Das Gebiet des Rio Negro hat viele Steine, es ist dort schwierig zu navigieren, und viele Wasserfälle behindern die Jagd per Kanu. Es gibt viele Orte, die für Menschen nur sehr schwer zugänglich sind. Die Riesenotter suchten an diesen Stellen Zuflucht. Möglicherweise hat ihre Population in diesen versteckten Gegenden zugenommen, und sie kommen zurück“, meint sie.

Riesenotter im Vergleich zum Fischotter

Der Riesenotter gilt nach den Kriterien der IUCN (International Union for Conservation of Nature) immer noch als bedrohte Art, in der Kategorie „Endangered“.
Experten prognostizieren den Verlust der Hälfte der gegenwärtigen Population in den nächsten 25 Jahren, hauptsächlich aufgrund von Bedrohungen durch ihre Umwelt, wie Abholzung, Kontamination durch Giftstoffe und Krankheiten, die von wilden Tieren übertragen werden – und durch ihre Konkurrenz zu Fischern. Der Fischotter dagegen ist aufgrund seines geringeren Populationsrückgangs nur „fast bedroht“.

Obwohl Riesenotter und Fischotter verwandt sind – wenn man die Geschichte ihrer Evolution betrachtet, sind sie sehr unterschiedliche Arten, die zu verschiedenen Gattungen gehören. Der Riesenotter, oft auch nur Otter genannt, ist größer als sein Vetter, er kann bis zu 2 Meter lang werden und ist tagaktiv. Im Amazonas lebt neben dem Riesenotter jedoch auch der kleinere, nachtaktive Fischotter.

Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist der typische weiße Fleck des Riesenotters zwischen Hals und Brust – er ist bei jedem Exemplar unterschiedlich geformt und dient den Wissenschaftlern als unverwechselbares Kennzeichen – wie der Daumenabdruck beim Menschen.

Die Vorliebe der Jäger für männliche Exemplare, die einen größeren Körper haben, erklärt, zusammen mit dem unterschiedlichen Verhalten der beiden Arten, die größere Widerstandsfähigkeit der Riesenotter im Vergleich zu den Fischottern. Während Fischotter polygam sind und im Laufe ihres Lebens mehrere Partner haben können, leben Riesenotter ein Leben lang in Paaren. Somit hat der Tod eines Riesenotter-Männchens einen viel größeren Einfluss auf den Fortpflanzungszyklus als bei Fischottern, wo ein anderes Männchen den Platz des toten Männchens einnehmen kann.

Der “Ariranha“ in der Mythologie der Indios

Obwohl sie in der Zeit, als die Jagd im Land verboten war, auch von den Indianern gejagt wurden, haben Riesenotter einen wichtigen Platz in der Vorstellungswelt der Ureinwohner des oberen Rio Negro. Sie werden vom Volk der “Baniwas“ als einer von fünf Urschamanen betrachtet, wie Natália erklärt.

„Als die Welt erschaffen wurde, hat Gott fünf Tiere ausgewählt, die sich um den Wald kümmern sollten“, erzählt die Forscherin. „Der Riesenotter war einer von ihnen. Er ist für die Gesundheit der Fische verantwortlich, daher ist der Riesenotter eine sehr wichtige Figur für die aquatische Umwelt.

Die anderen Urschamanen sind die Fledermaus, für fliegende Tiere und Vögel; der Jaguar, für den Wald; der Boto und der Fischotter, die sich den Lebensraum Wasser mit dem Riesenotter teilen. „Sie alle sind Raubtiere, die eine wichtige Rolle in der Nahrungskette spielen“, betont Natália.

Die Indios haben laut Natália auch eine Zunahme von Fischen in diesen Regionen beobachtet. Für die Indios folgen die Fische den „Schamanen des Wassers“, so Natália. Aber die Forscherin erinnert auch an die Existenz von Theorien, die diese Zunahme der Fische durch die Rückkehr eines Raubtiers erklären können.

Die Riesenotter, so die Theorie, würden die größeren Fische kontrollieren und so dazu beitragen, die Artenvielfalt in den Gewässern zu erhöhen.

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