Nachfolgend haben wir die am häufigsten Fragen zusammengestellt und beantwortet:
Welche und wieviele eingeborene Völker hat Brasilien?
Die ISA haben dazu folgende Unterlagen: Die rund 300 gegenwärtigen eingeborenen Völker Brasiliens sind durch zirka 900.000 Personen vertreten, das entspricht annähernd 0,52% der brasilianischen Gesamtbevölkerung. Jedoch wird ihre genaue Zahl unterschiedlich angegeben.
Wieviel vom brasilianischen Territorium ist für die Indianer reserviert?
Brasilien hat eine territoriale Ausdehnung von 851.195.500 Hektar oder 8.547.403,5 km2. Die Indianer-Territorien (ITs) befinden sich insgesamt auf 603 Reservaten, die zusammen eine Fläche von 109.584.146 Hektar (1.095.841 km2) betragen – das bedeutet, dass 13% der gesamten Fläche Brasiliens für seine indianischen Völker reserviert sind!
Die grösste Fläche der ITs konzentriert sich in Amazonien: nämlich 418 Reservate mit einem Gesamt von 108.081.442 Hektar, die 20,27% des Amazonas-Territoriums einnimmt und 98,61% der Fläche aller anderen ITs des Landes präsentiert. Der Rest, 1,39% verteilt sich auf die brasilianische Nordostregion, den Südosten, den Süden und den Bundesstaat Mato Grosso do Sul.
Was ist der Unterschied zwischen “Eingeborenen“, “Indigenen“, “Amerindios“, “Silvicolas“, “Aborigines“?
Die genetische Bezeichnung “indigene Völker“ bezieht sich auf humane Gruppen, die auf die ganze Erde verteilt sind, und die sich aber voneinander wesentlich unterscheiden. Lediglich der jeweilige Sprachgebrauch bringt es mit sich, dass man in unserem und auch anderen Ländern von indigenen Völkern spricht – in Australien, zum Beispiel, wird die genetische Bezeichnung “Aborigines“ gebraucht. Indigener oder Aborigine – so lehrt das Lexikon – ist “jemand der aus einem bestimmten Land, Region oder Ort stammt; ein Eingeborener“. Apropos: “Eingeborener“ und “Autoktone“ sind andere gebräuchliche Bezeichnungen, die man rund um den Erdball anwendet, wenn man von jenen Völkern spricht.
Genetisch werden diese indigenen Völker, welche nicht nur in Brasilien sondern im gesamten amerikanischen Kontinent leben, auch als “Índios“ bezeichnet. Dieses Wort basiert auf einem historischen Irrtum der ersten Eroberer, die, als sie den amerikanischen Kontinent betraten, sich in Indien glaubten. Trotz diesem Irrtum, hielt sich diese Bezeichnung im Sprachgebrauch – auch von Seiten der Indianer selbst – und wurde bis ins moderne Brasilien hinein zum Synonym einer indigenen Person.
Weil es gewisse Ähnlichkeiten zwischen den Indianern Nord-, Mittel- und Südamerikas gibt, ziehen gewisse Leute es vor, sie im Gesamt als “Amerindios“ zu bezeichnen. Die Índios oder Ameríndios sind indigene Völker Amerikas. In vergangenen Jahrhunderten war eine andere Bezeichnung besonders in Brasilien gebräuchlich, mit der man die Índios im Allgemeinen bezeichnete: Man nannte sie “Silvicolas“ (die im Wald (selva) leben oder dort geboren sind). Dieser Terminus ist vollkommen abwegig, denn er bezeichnet keinen bestimmten Ort, an dem jener Eingeborene lebt – auch in Brasilien gibt es Indianer, deren Stamm-Region nicht der Regenwald, sondern z.B. die Savannen, das Feuchtgebiet des Pantanal oder gebirgige Hochebenen sind.
Kann ein Índio einen Personalausweis ausgestellt bekommen?
Ja – ein Índio kann und soll sich einen Personalausweis ausstellen lassen – er ist Ausweis einer generellen Registrierung der brasilianischen Bürger. Jedoch erlaubt die brasilianische Gesetzgebung keine ethnische Identifizierung in diesem Dokument. Auf der anderen Seite hat der Indianer auch das Recht einer Registrierung innerhalb der Kommune, in der er geboren wurde, und auf diese Weise wird auch seine ethnische Zugehörigkeit dokumentiert.
Kann ein Índio wählen oder gewählt werden?
Jeder brasilianische Bürger kann wählen, wenn er einen entsprechenden Wähler-Ausweis besitzt. Da die Ausübung des Wahlrechts in Brasilien eine gesetzliche Verpflichtung jeden Bürgers ist, müssen auch die Indianer, wenn sie ein Alter von 16 Jahren erreicht haben – und sie bereits die portugiesische Sprache beherrschen – zur Wahl gehen. Sollten sie jedoch innerhalb einer Dorfgemeinschaft leben, die sich ihren eigenen Traditionen widmet und sich im Kollektiv gegen eine Wahl ausspricht, so steht ihre Entscheidung über der Verpflichtung nach dem brasilianischen Gesetz! Dies deshalb, weil man den indigenen Völkern das konstitutionelle Recht eingeräumt hat, frei nach ihrem eigenen Brauchtum, ihren eigenen Traditionen und Regeln zu leben.
Ein Indianer kann sich sehr wohl auch als Kandidat für ein politisches Amt aufstellen lassen, denn er ist ein Bürger mit allen Rechten eines solchen. Allerdings muss er dazu gewisse Vorbedingungen mitbringen: wie zum Beispiel eine perfekte Kenntnis der portugiesischen Sprache. Wir präsentieren Ihnen unter anderem hier auch die “gewählten Índios des Jahres 2008“.
Kann ein Indianer seine landwirtschaftlichen Produkte in gewinnbringender Absicht verkaufen?
Sämtliche Güter der Kommune gehören dieser Gemeinschaft als Ganzes – sie sind kollektive Güter. So wie jeder andere Bürger etwas kauft, um es weiter zu verkaufen, andere in der Industrie oder der Landwirtschaft produzieren um zu einem Preis zu verkaufen, welcher höher liegt als die Investition, so kann auch der Indianer individuell etwas kaufen und es dann teurer wieder verkaufen. Es gibt da keine Einschränkung für den Fall, dass das Geld dafür sein eigenes ist. Er kann persönliches Geld besitzen und individuelle Güter, und er kann sie benutzen, wie es ihm gefällt. Allerdings kann er so mit den Gütern der Kommune nicht verfahren.
Ist die Sprache der Indianer das “TUPI“?
Gegenwärtig werden von den eingeborenen Völkern Brasiliens 274 registrierte Sprachen und Dialekte gesprochen. Sie gehören zu den fast 6.000 benutzten Weltsprachen unserer Zeit. Vor der Zeit der portugiesischen Eroberer dürfte die Anzahl der nur in Brasilien benutzten Sprachen nahezu bei 1.000 gelegen haben.
Im Verlauf der Kolonisation wurde die Tupinambá-Sprache ins Repertoire von Siedlern und Missionaren aufgenommen, weil sie die meist gesprochene an der atlantischen Küste war – sie wurde auch anderen Indianerstämmen gelehrt und als “Língua Geral“ (Allgemeinsprache) anerkannt. Bis in unsere moderne Zeit hinein enthält das Vokabular der Brasilianer viele Worte, welche aus der “Tupi-Sprache“ stammen.
So wie das Tupi von grossem Einfluss auf das in Brasilien gesprochene Portugiesisch gewesen ist, so führte auch der Kontakt zwischen den einzelnen Eingeborenenvölkern zu ständigen Änderungen in ihrer Originalsprache. Ausser diesen gegenseitigen Einflüssen, haben verschiedene Eingeborenensprachen auch gemeinsame Wurzeln – die hat man in “linguistischen Familien“ zusammengefasst – und die gehen wiederum aus einer Reihe von Unterteilungen hervor: den “Sprachstämmen“. Es gibt viele Völker und indigene Individuen, die sprechen und/oder verstehen mehr als eine Sprache – und es ist auch nicht selten, dass man innerhalb desselben Dorfes verschiedene Sprachen benutzt.
Innerhalb dieser multi-linguistischen Situation werden allerdings nur 11 Sprachen von mehr als 5.000 Personen gesprochen:
Baniwa, Guajajara, Kaingang, Kayapó, Makuxi, Sateré-mawé, Terena, Ticuna, Xavante, Yanomami und Guarani – letztere wird von annähernd 30.000 Personen benutzt. Im Gegensatz dazu sind zirka 110 dieser Sprachen von weniger als 400 Personen in Gebrauch.
Wenn ein Indianer ein Auto fährt und Fernsehen guckt – ist er dann kein Indianer mehr?
Seit dem Erstkontakt mit unserer Gesellschaft hat sich die Lebensweise der eingeborenen Völker auf vielerlei Weise verändert. Hinsichtlich dieses Themas sollte man zwei bedeutende Aspekte nicht vergessen:
Erstens – sind die verschiedenen Kulturen der eingeborenen Völker nicht statisch. Wie alle anderen verändern sie sich im Lauf der Zeit – auch wenn dies nicht unter dem Einfluss von Ausländern geschieht. Auf der anderen Seite ist es unbestritten, dass solche Veränderungen, die aus dem Kontakt mit unserer Gesellschaft stammen, sehr oft Besorgnis erregende Folgen hatten und noch haben. Das betrifft zum Beispiel Völker, die ihre Muttersprache verloren haben und heute nur Portugiesisch benutzen. Unsere Rolle, als Alliierte der Indianer, besteht darin, sie in ihren gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Rechten zu unterstützen und zu verteidigen – ihnen beim der Absorption von Neuheiten durch diesen Kontakt beizustehen, in einer Art und Weise, welche ihnen (den Indianern) am angenehmsten erscheint.
Zweitens – im Hintergrund dieser Veränderungen, im Rhythmus und von Natur aus unterschiedlich von Fall zu Fall, steht eine fundamentale Tatsache: Selbst im Falle regelmässiger Verbindungen mit Nicht-Indianern behalten die indigenen Völker ihre Identität und treten als unterschiedliche ethnische Gruppen auf, Träger eigener Traditionen. Die ethnische Identität, oder anders ausgedrückt, das Bewusstsein der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Volk, ist das Ergebnis eines komplexen Spiels zwischen dem “traditionellen“ und dem “neuen“, dem “eigenen“ und dem “ausländischen“ – und das findet immer dann statt, wenn unterschiedliche Völker im Kontakt miteinander leben. Daran sollte man denken, bevor man jemanden mit “nicht mehr Indianer“ bezeichnet, weil er vielleicht Kleidung trägt, zur Messe geht, Fernsehen guckt, Computer benutzt, Fussball spielt oder ein Auto fährt.
Gibt es Ìndios, die abseits von den “Weissen“ leben?
Im Brasilien von heute gibt es mindestens 46 Referenzen bezüglich “isolierten Indianern“. So nennt man jene, die noch keinen Kontakt mit dem offiziellen Indianerschutz-Organ (Fundação Nacional do Índiuo – FUNAI) unterhalten. Man weiss nicht genau, wer sie sind, wo sie leben, wieviele es sind und welche Sprache sie sprechen. Das Bisschen, was man weiss, ist folgendes: Zirka 26 jener Referenzen befinden sich innerhalb von schon demarkierten ITs oder in Gebieten, welche der Regierung bekannt sind. Und 12 von diesen 46 Völkern sind bereits von der FUNAI bestätigt.
Die Idee, dass es Indianer gibt, die sich seit der Ankunft der Portugiesen vor 500 Jahren in der Isolation gehalten haben – oder, dass es Gesellschaften gibt, die man von allen Veränderungen ferngehalten hat, welche inzwischen in der Welt geschehen sind – ist irreführend. Die als “isoliert“ bezeichnete Gruppen unterhalten, in vielen Fällen, schon seit langer Zeit Verbindung mit gewissen Segmenten der nationalen Gesellschaft.
Die Isolation ist in vielen Fällen eine Option der Gruppe, und die kann verursacht worden sein durch ihre Verbindungen mit anderen Gruppen, durch die Geschichte eines Erstkontakts mit offiziellen Attraktions-Fronten in ihrer Region und auch durch geografische Bedingungen, welche eine solche Situation geschaffen haben.
Seit 1987 gibt es innerhalb der FUNAI eine Einheit, welche sich mit der Ortung und der Protektion jener Indianer beschäftigt – das “Departamento de Índios Isolados“. Inzwischen agieren deren Beamte innerhalb verschiedener Teams, die sich “Frentes de Proteção Etno-Ambiental“ (Ethno-Ambientale Fronten) nennen. Das sind sie: Cuminapanema (Pará), Envira (Acre), Rio Guaporé (Rondônia), Madeirinha (Rondônia/Mato Grosso), Vale do Javari und Purus (Amazonas).
Helfen die eingeborenen Völker die Natur zu schützen?
Obwohl sie von Natur aus keine “Ökologen“ sind, sind sich die Indianer ihrer Abhängigkeit von der sie umgebenden Natur bewusst – nicht nur physisch, sondern vor allem kosmologisch. Aus diesem Grund haben sie besondere Formen der Handhabung von Naturprodukten entwickelt, die eine fundamentale Rolle beim Schutz bewaldeter Flächen in Brasilien spielen.
Diese Tatsache kann man in jenen Regionen Brasiliens beobachten, in denen die Waldrodung besonders fortgeschritten ist – wie zum Beispiel in den Bundesstaaten Mato Grosso, Rondônia und dem Süden von Pará. Auf den Luftaufnahmen der INPE (Instituto Nacional de Pesquisas Espaciais), zum Beispiel, erscheinen die ITs (Indianer-Territorien) wie dicht bewaldete Oasen.
Es ist eine Tatsache, dass viele Indianerstämme, wie zum Beispiel die Suruí, Cinta-Larga und die Kayapó, sich aktiv der Ausbeutung von natürlichen Ressourcen angeschlossen haben – so wie sie heute in Amazonien illegal praktiziert wird – indem sie sich mit Unternehmen zusammengetan haben, die Edelhölzer im Gebiet ihrer ITs fällen. Trotzdem muss man berücksichtigen, dass sie sich dazu entschlossen haben, nachdem von Seiten jener Gangster konkreter und andauernder illegaler Druck auf die Indianer ausgeübt worden ist, und dass sie von diesen Geschäften nur einen geringen Anteil erhalten.
Die Anschauungen der Natur sind gewiss recht unterschiedlich je nach dem eingeborenen Volk, das man betrachtet. Jedoch, wenn es etwas gibt, das allen eingeborenen Völkern gemeinsam ist, dann ist es die Tatsache, dass die Natur sich stets in Interaktion mit den Aktionen der Menschen befindet – aber niemals unberührt ist.
Wie schreibt man es richtig: “die YANOMAMI“ oder “die IANOMÂMIS“?
Weil sie selbst keine Schriftsprache besitzen, wurden (und werden immer noch) die eingeborenen Völker zu Zeiten ihrer “Attraktion und Pazifisierung“ von den “Weissen“ schriftlich “getauft“, in einem Prozess, der Anlass gab (und immer noch gibt) zu vielerlei Irrtümern.
Grundsätzlich existiert eine breite Vielfalt in der Schreibweise der Namen jener eingeborenen Völker. Einige geschaffen von Beamten der FUNAI, andere von Anthropologen und Ethnologen, und, noch nicht solange her, sogar von Redaktionen grosser Organe der brasilianischen Presse.
Da die Indianersprachen Töne besitzen, für die sich keine direkten Vertreter in den Buchstaben des brasilianischen Alfabeths finden lassen, sind die Anthropologen gezwungen, sich auf andere Buchstaben und deren Kombinationen zu stützen. Sie suchen also nach Buchstaben, deren sonore Interpretation sich dem internationalen, phonetischen Alfabeth annähert, das von Linguistikern der ganzen Welt benutzt wird, und nicht das brasilianische Alphabeth.
Jene orthografischen Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Namen der eingeborenen Völker pflegen Anthropologen in der Regel gegen die Redaktionen grosser Zeitungen aufzubringen. Aber zu diesem Thema gibt es keine Übereinstimmung, nicht einmal zwischen den Anthropologen selbst! Und die grösste Polemik hat sich am Gebrauch (oder Nichtgebrauch) von grossen Anfangsbuchstaben und einer pluralen Schreibweise der ethnischen Namen entzündet.
Wie kann man mit Indianern in Kontakt treten?
Die einfachste Art, mit eingeborenen Völkern in Kontakt zu kommen ist, ihre “Sites“ anzuklicken und direkt mit ihren Repräsentanten zu korrespondieren. Unter dem Link “Eingeborene Initiativen“ (Iniciativas Indigenas) sehen interessierte eine Liste mit Sites von einigen in Brasilien beheimateten eingeborenen Völkern.