UMWELTZERSTÖRUNG IN BRASILIEN
DIE 7 PLAGEN AMAZONIENS
EINE ANALYSE DER ZERSTÖRUNG
WASSER, UNSER KOSTBARSTES GUT
IN AMAZONIEN IST ES FÜNF VOR ZWÖLF!
Wenn es im Rhythmus wie bisher weitergeht, wird die Zerstörung des Regenwaldes den Zyklus des Regens verändern, und dann wird es zu spät sein, um den Amazonas-Regenwald noch zu retten.
Der Amazonas-Regenwald wird auf eine Art und Weise verwüstet, als ob er unendlich wäre oder wieder nachwachsen würde. Es ist einfach unverantwortlich von einer Regierung wie der brasilianischen, dass wir uns nun mit dem verstärkten Rhythmus der Zerstörung einem Punkt nähern, wo es kein Zurück mehr für den Regenwald geben wird! Es ist “FÜNF VOR ZWÖLF IM REGENWALD“ meine Herren Regierungsvertreter! Simulationen im Computer des Meteorologen Carlos Nobre, vom “Instituto Nacional de Pesquisas Espaciais“ in São José dos Campos, weisen darauf hin, dass der Regenwald verschwinden wird, wenn der Verlust zwischen 40% und 60% seiner Pflanzendecke erreicht hat. Und dazu fehlt nicht viel, denn in den letzten 40 Jahren ist der Wald um 17% geschrumpft! Der Grund dafür liegt im sensiblen Gleichgewicht der Regenfälle in dieser Region. Die Hälfte der Niederschläge wird von den feuchten Luftmassen vom Atlantischen Ozean her beeinflusst, eine unversiegbare Feuchtigkeitsquelle. Die andere Hälfte jedoch wird von der Atmung der Pflanzen und von der Verdampfung des Wassers der Flüsse, des Bodens und der Blätter beeinflusst. Dieser Teil wird nun aber zusehends zerstört. Im gegenwärtigen Rhythmus der Zerstörung wird der grösste zusammenhängende Regenwald der Erde ersetzt von einer typischen Cerrado-Vegetation (Buschsteppe) innerhalb von nur fünfzig Jahren. Oder schon in dreissig Jahren – wenn man die pessimistischste Prognose zugrunde legt, die eine Zunahme des Zerstörungsrhythmus angenommen hat!
“Weil die Hälfte des Regens in Amazonien vom Wald selbst erzeugt wird, wird die Zerstörung viel schneller und unwiderruflicher sein als beim Atlantischen Regenwald, wo der Regen noch viel mehr vom Meer abhängt“, sagt der Ingenieur und Agronom Enéas Salati, Direktor der “Fundação Brasileira para o Desenvolvimento Sustentável“ in Rio de Janeiro – Autor einer Studie, welche den hydrologischen Zyklus des Wassers in Amazonien zum Inhalt hatte. Die Verringerung des Volumens der Niederschläge wäre nur eine der Konsequenzen aus einem Eingriff in den Zyklus des Wassers in Amazonien. Die Hitze, welche bisher von der Verdampfung des Wassers aus dem Wald gemildert wurde, würde sich in der Luft konzentrieren und eine Erhöhung der Temperaturen provozieren. Das gesamte Klima der Region würde trockener und heisser, was wiederum das Überleben von den an das feuchte Klima angepassten Pflanzen und Tieren in Frage stellen würde. Eine Computer-Simulation bezüglich der Frage, was dann mit dem Amazonas-Regenwald geschehen würde, hat gezeigt, dass signifikante Veränderungen bereits bei einem Verlust von 20% der Pflanzendecke eintreten würden – also einem Punkt, an dem wir mittlerweile fast angelangt sind!!! “Wenn dieser Rhythmus der Zerstörung nicht aufgehalten wird, ist in wenigen Jahrzehnten diese ganze Biodiversifikation von der Erde einfach verschwunden, ohne dass der Mensch Gelegenheit hatte, sich mit ihr zu befassen und ihre Vielgestaltigkeit kennenzulernen, geschweige denn, einen Nutzen aus diesem Reichtum zu ziehen“, sagt der amerikanische Biologe Thomas Lovejoy, USA.
Aus der Zeitschrift VEJA, von Ruth Costas, 2008
Nachbearbeitung und Übersetzung Klaus D. Günther für BrasilienPortal
Foto Copyright ABr
UMWELTZERSTÖRUNG IN BRASILIEN
- Brasilien hat seit seiner Entdeckung (1500) 36% seiner Grünflächen verloren.
- Die mit Soja bepflanzte Fläche rückt in einem 3-Mal schnelleren Rhythmus voran, wie noch vor 15 Jahren, und verdrängt die native Vegetation.
- 200.000 Flächenbrände werden von Satelliten in Brasilien pro Jahr identifiziert.
- 24,5 Millionen Kubikmeter Bäume wurden in Amazonien im Jahr 2004 gefällt: 60% dieses Holzes liess man im Wald verfaulen!
- 75% der Kohlendioxyd-Emmisionen Brasiliens stammen von den Flächenbränden in Amazonien. Dadurch befindet sich das Land unter den fünf grössten Umweltverschmutzern der Welt.
- Seit 1990 hat die Stückzahl der Rinder in Amazonien um 144% zugenommen – 4-Mal so viel wie im Rest des Landes.
DIE 7 PLAGEN AMAZONIENS
1.) BRÄNDE
Die Flächenbrände verursachen Schäden von 121 Millionen Dollar pro Jahr. Wenn man den Ausstoss von Kohlendioxyd betrachtet, erreicht der Schaden aber 5 Milliarden Dollar!
2.) SÄGEWERKE
Es gibt dort mehr als 3.000 Unternehmen, die Holz fällen. Für jeden Edelholzbaum, den sie dem Wald entnehmen, verderben die Holzfäller mindestens weitere fünfzehn Bäume.
3.) STRASSEN
Mehr als 80% der Flächenbrände entstehen im Umfeld von Strassen. Die Kolonisation entwickelt sich entlang von 100.000 Kilometern illegal angelegter Schneisen und Pisten.
4.) GOLDSCHÜRFER
Ausser der Verschmutzung von Flüssen und der Verwüstung von Naturreservaten, waren die Goldschürfer auch verantwortlich für die Einschleppung von AIDS in die Indianerdörfer.
5.) WEIDEFLÄCHEN
Die Sojapflanzungen ersetzen antike Weideflächen und kapitalisieren Viehzüchter, die ihrerseits neue Weide-Areale aus dem Wald brennen. Zirka 12% von Amazonien ist bereits Weideland.
6.) KORRUPTION
Allein die Operation “Curupira“, durchgeführt im Juni 2005, verhaftete 47 Funktionäre der IBAMA (Naturschutz-Behörde), die in die illegale Ausbeutung des Regenwaldes verwickelt waren.
7.) BÜROKRATIE
Von den rund 550 Millionen Reais an Strafgeldern, die ca. pro Jahr verhängt werden, sind lediglich 10% bezahlt worden – und lediglich 3 Prozent davon wurden der IBAMA überlassen.
EINE ANALYSE DER ZERSTÖRUNG
In den letzten zwanzig Jahren wurden mehr als 60 Satelliten ins All geschossen, die in der Lage sind, Amazonien zu beobachten. Ausserdem begann das “System zum Schutz Amazoniens“ seine Operationen, der zivile Arm der SIVAM, der Einrichtungen im Orbit, Flugzeuge und 800 Bodenstationen dazu benutzt, die gesamte Region auf Monitoren überwachen zu können – gekostet hat dieses Projekt 1,4 Milliarden Dollar. Weitere 31 Millionen Reais hat man investiert, um wissenschaftliche Zentren zu modernisieren, wie beispielsweise das “Instituto Nacional de Pesquisas da Amazonia“ (INPA) und das “Instituto Nacional de Pesquisas Espaciais“ (INPE) – beide mit einer Struktur zur Analyse von Daten des Regenwaldes. Das Resultat dieser Anstrengungen ist ein Paradox: Niemals zuvor konnte man so deutlich und aus der Nähe die Zerstörung beobachten und niemals zuvor sie mit solcher Präzision messen – jedoch nichts wurde bisher unternommen, um die Verwüstung aufzuhalten. Der Amazonas-Regenwald besitzt heute weniger als 80% seiner ursprünglichen Ausdehnung, und wird in geradezu frenetischem Tempo weiter verwüstet. Nur in diesem Jahr hat man bereits ein Areal von zehnmal der Grösse São Paulos abgeholzt. Im Jahr 2004 war es ein Areal von der Grösse Belgiens. Allein in den letzten 15 Jahren hat man 28,8 Millionen Hektar Regenwald vernichtet – das ist die Hälfte der Fläche, welche seit dem Jahr 1500, also dem Jahr der Entdeckung, der Vernichtung zum Opfer fiel!
Die Satelliten zeigen Fotos, aber sie zeigen nicht die Zerstörung in allen ihren Etappen. Im Gegensatz zur allgemeinen Vorstellung wird der Wald nicht von einem Tag auf den andern von Holzfällerhorden, bewaffnet mit Äxten und Motorsägen und Traktoren, angegriffen, die Lichtungen freilegen, auf denen noch vor Stunden die Bäume standen – ganz im Gegenteil: das Vorspiel des Zerstörungsprozesses ist ganz anders, es ist langsam und unsichtbar für die Technik, welche Amazonien im Visier haben. Die Zerstörung der Natur beginnt auf eine irrtümlicherweise als “selektiv“ bezeichnete Art und Weise: In Anbetracht der breiten Diversifikation der Baumarten – mit bis zu 300 Baum-Spezies pro Hektar – legen die Holzfäller grosse Strecken zwischen dem einen und dem nächsten Edelholzbaum zurück. Eine Pflanze von wirtschaftlichem Nutzen, wie der “Mogno“ zum Beispiel – mit 40 Metern Höhe und 3,5 Metern Stammdurchmesser – kann unter Umständen Hunderte von Metern vom nächsten seiner Art entfernt stehen. Auf dem Weg zum nächsten Baum zerschneiden die Holzfäller den Wald, öffnen Tausende von Kilometern Wege und Pfade inmitten des Waldes. Nur um ein einziges Exemplar zu fällen, zerstören sie viele andere. Die Verwüstung infolge des Falls eines solchen Baumriesen – durch den Traktor, welcher den Baum wegschleppt, und durch die Lastwagen, die ihn dann transportieren, betrifft 40% der Vegetation um seinen ehemaligen Standort herum. Ambiental gesehen, ist die Zerstörung noch viel grösser, weil nämlich auch die neuen Schösslinge eines solchen Baumes, die sich stets in seinem näheren Umfeld befinden, ebenfalls bei diesem Verwüstungsprozess kaputt gehen. 15 Bäume werden dabei durch einen einzigen gefällten Baumriesen eingebüsst!
Man schätzt, dass die illegalen Sägewerke im vergangenen Jahr zirka 8 Millionen Kubikmeter Holz verarbeitet haben, mit einem Gewinn von mindestens 1,8 Milliarden Dollar. Die letzte zur Verfügung stehende Aufstellung über die Menge von Maschinen und Gerät, welche in der Holzausbeutung eingesetzt waren, stammt von 1998 und identifizierte die Existenz von zirka 8.478 LKWs und 5.006 Traktoren, eingesetzt von Holzfällern allein in Amazonien. Die Motorsägen-Fabriken, deren Verkäufe wie die von Waffen kontrolliert werden, haben noch nie soviel Umsatz in ihren Geschäften in der Nähe von Regenwald gemacht. Nach einer Aufstellung der IBAMA (Umweltschutz-Behörde) stieg die Zahl der registrierten Motorsägen im Jahr 2004 um 11% an gegenüber dem Vorjahr. Auch der Sektor der Agrotoxika wächst. Entlauber – die man zur Unkrautbekämpfung einsetzt – stehen auf der Einkaufsliste der Holzfäller, die den Wald vorher damit bestäuben, um ihre Arbeit zu vereinfachen. Es gibt sogar einen schwunghaften Handel mit schweren Ankerketten für Schiffe – von den Waldzerstörern zwischen zwei Traktoren gespannt, legen sie ein ganzes Waldstück in wenigen Minuten um!
Das Netz von illegalen Wegen und Pfaden durch den Regenwald ist um die 100.000 km lang, so berichtet eine Studie des “Instituto do Homem e Meio Ambiente da Amazônia“. Diese Verbindungen funktionieren wie Arterien durch die anschliessend immer mehr Eindringlinge ins Innere des Waldes gelangen, um ihn weiter zu zerstören. Die Ersten, die jene Arterien benutzen, sind die so genannten “Posseiros“, Landbesetzer, die den Rest des Holzes verkaufen und dann auf den frei gewordenen Flächen ihre Felder anlegen. Insgesamt gibt es rund 800.000 Familien in Amazonien, die auf diese Weise dort ihr Leben fristen. Ob nun Invasor oder durch die Agrarreform legal an dieser Stelle niedergelassen – jede einzelne dieser Familien zerstört pro Jahr bis zu 3 Hektar zur Verwendung als Ackerland. Das Stückchen, welches jede Familie dem Regenwald abtrennt, ist unbedeutend – die Summe allerdings, welche die 800.000 Familien jährlich vernichten – nämlich 470.000 Hektar – die ist ein Problem. Nach einer Studie des “Instituto Brasileiro de Geografia e Estatística“ sind diese Siedler für 18% der Waldzerstörung verantwortlich.
Aber auch die Goldsucher benutzen jene in den Wald geschlagenen Schneisen und Wege. Und die verwüsten die Gegend erst recht und besonders gründlich: sie setzen an den Ufern von Flüssen ihre “Dragas“ ein, eine Art Schaufelbagger, mit denen sie das Flussbett aufwühlen und nach Gold und Edelsteinen durchkämmen. Hinter sich lassen sie das von Kratern aufgerissene Flussufer und das Wasser vom Quecksilber (wird zum Abscheiden von Goldstaub eingesetzt) verseucht. Einer der typischsten Fälle von Umweltverschmutzung durch Goldsucher ist der vom Rio Crepori, im Westen des Bundesstaates Pará. Der Abwasserstrom, der sich in die kristallklaren Wasser des Rio Tapajós ergiesst, kann noch 30 Kilometer weiter stromabwärts beobachtet werden. Man schätzt, dass hier pro Jahr ins Flussbett des Tapajós rund 4 Tonnen Quecksilber einfliessen! Das Schwermetall verseucht die Fische, deren Fleisch dann nach Konsum durch die Menschen neurologische Krankheiten auslöst. In Indianergebieten pflegen sich die Goldschürfer mit den Eingeborenen zu arrangieren, wie zum Beispiel im Fall der Diamantenmine im Gebiet der Cintas-Largas, im Bundesstaat Rondônia. Aber es gibt auch Fälle, in denen sie das Indianerreservat invadieren und mit Gewalt ihren Aufenthalt erzwingen. Von diesem Modell der Besetzung wird regelmässig aus dem Gebiet der Yanomamis berichtet.
Mehr als 250 Millionen Dollar wurden bereits vom Pilotprogramm für den Schutz der Tropenwälder Brasiliens investiert – in Massnahmen gegen die Flächenbrände und in solche zur Stimulation der so genannten “Entwicklung zur Selbsterhaltung der Waldbewohner“ – die eine Nutzung des Waldes ohne Beeinflussung des ökologischen Umfeldes vorsieht. Allein das Programm zur Incentivierung der Waldnutzung, angeführt vom Umweltministerium, erhielt von der deutschen Regierung eine Spende von 45 Millionen Reais. Eine andere internationale Vereinbarung betraf die Regierung des Bundesstaates Acre, die von der Banco Interamericano do Desenvolvimento (BID) eine Finanzierung von 240 Millionen Dollar für selbsterhaltende Projekte zur Verfügung gestellt bekam. Andere Riesenbeträge investierte man in die unterschiedlichsten Projekte zur Bekämpfung der Zerstörung des Regenwaldes. Trotz alledem, die Industrie der Waldzerstörung blüht wie nie zuvor – teilweise auch deshalb, weil solche Projekte, wenn sie denn greifen, gleichzeitig auch immer mehr Menschen in die Waldgebiete locken – es gibt inzwischen 20 Millionen Brasilianer, die in Amazonien leben!
Verloren inmitten des Dschungels, mit einer unzureichenden Produktion für sich selbst, lebt ein grosser Teil dieser Waldbewohner in miserablen Konditionen und werden zum Ziel von Grundstücksspekulanten, die sich die Abwesenheit der staatlichen Kontrollen in diesen Gebieten zunutze machen. Gegen das Gesetz agieren so genannte “Bandoleiros“, die von Grundstücksspekulanten gesponsert werden, um durch Überfälle grosse Grundstücke an sich zu bringen. Diese “Gatos“ genannten Verbrecher rekrutieren – oft unter den Vertriebenen selbst – die Handlanger für die Grundstückspiraterie. Grenzstreitigkeiten werden mit dem Revolver ausgetragen. Dies ist das gegenwärtige Panorama in diversen Regionen der Invasion des Regenwaldes, wie im Fall von São Felix do Xingu – einem Munizip mit einer Fläche, die 55 mal so gross ist, wie die von São Paulo – und dem von “Castelo dos Sonhos“, im Bundesstaat Pará. Diese beiden Orte stehen nun schon zum zweiten Mal, in zwei aufeinander folgenden Jahren, an der Spitze der Liste der Gegenden, in denen der Regenwald Amazoniens am schnellsten verschwindet und der Regionen, in denen die meisten Gewaltakte in Verbindung mit Streitereien um Landbesitz registriert worden sind. Häufig und produktiv sind Stichproben der mobilen Kontrollbehörde des Arbeitsministeriums in diesem Gebiet, die immer wieder Kolonien von versklavten Arbeitern entdecken, die in Baracken aus Zeltstoff ihr Leben fristen und den Wald für Grossgrundbesitzer gegen ein Salär abholzen, das nicht einmal reicht, um Essen und Werkzeuge bezahlen zu können, die sie von demselben “Fazendeiro“ kaufen müssen – und so geraten sie immer tiefer in die Abhängigkeit. Erst ab einem nicht mehr aufhaltbaren Zustand der Verwüstung wird der Abholzungsprozess für den Satelliten sichtbar, und erst dann wird er auch von der offiziellen Statistik erfasst. Und diese Daten informieren, dass 70% des Waldes für die Gewinnung von Weideflächen abgeholzt werden. Ein grosser Teil der grossen Städte Amazoniens hat auf diese Weise angefangen.
Eine andere Technik der unsichtbaren Ausholzung profitiert von der Dichte des Urwaldes. In der Regel führt in diesem Fall ein einziger Spekulant sämtliche Etappen der Waldzerstörung an. Das System sieht eine ganz bestimmte Reihenfolge von Baumfällungen vor, in deren Verlauf zuerst jene Bäume entfernt werden, die nicht hoch genug gewachsen sind, um sich mit den Baumkronen der höheren Nachbarn zu verzweigen. Im Schatten der hohen Baumkronen entfernen Traktoren die niedere Vegetation und beginnen mit der Grasbepflanzung. Ein Jahr später werden die Rinder auf die bereits gewachsene Weide gestellt – und grasen dort ein weiteres Jahr im Schatten der hohen Bäume, deren in sich verschlungene Baumkronen vom Satelliten aus ein Bild des Friedens und der Unberührtheit simulieren. Gegen Ende des zweiten Jahres brennt man das Gras ab, dessen Wurzeln vom Feuer nicht beeinträchtigt werden. Im Gegenteil, das Abbrennen revitalisiert das Wachstum der Weide, während die Hitze des Feuers nun auch die mittelhohen Bäume zerstört. Die Rinder kommen zurück und bleiben ein weiteres Jahr auf dieser Weide. Erst beim zweiten Abbrennen wird dann die Zerstörung vom Satelliten-System entdeckt. Die Viehzüchter, die sich dieses hinterhältigen Systems bedienen, agieren in mehr als einer Region und halten jede von ihnen in einem anderen Stadium der Entwicklung. Dadurch sind ihre Rinder nie in einem Gebiet zu anzutreffen, das gerade von Kontrollbeamten entdeckt wurde – immer sind diese dafür zu spät vor Ort.
Nach Aussage des Senior-Wirtschaftsexperten der Weltbank, Sérgio Margulis, Autor einer der Aufsehen erregendsten Untersuchungen über die Beteiligung der Viehzüchter am Waldzerstörungsprozess, werden 12% Amazoniens oder 60 Millionen Hektar für die Landwirtschaft genutzt. Dreiviertel davon sind Viehweide – was den Viehzüchtern die traurige Prämie zugesteht, die Champions der Regenwaldzerstörung Amazoniens zu sein! Weil der Boden in dieser Region den zehnten Teil von dem im Interior São Paulos, zum Beispiel, kostet, und sämtliche andere Kosten ebenfalls niedrig sind, liegt der Gewinn eines Viehzüchters in Amazonien gut beim Doppelten wie der seines Landsmannes im Südosten. Dazu kommt noch die willkommene Hilfe der heftigen Regenfälle und des warmen Klimas, die das Wachstum der Weiden das ganze Jahr über favorisieren. Das Problem ist: während der Viehzüchter Gewinne macht, schädigt er das Land. Man schätzt, dass für jeden Hektar zerstörten Wald dem Land jährlich 100 Dollar in ambientalen und sozialen Kosten verloren gehen. Dieser Indikator wird berechnet aus der Summe von Naturressourcen berechnet, welche der Gesellschaft verloren gehen und dem Gewinn, den die Region aus dem rationalen Verkauf des Holzes hätte ziehen können – weiterhin aber auch aus Naturessenzen und nicht zuletzt aus dem Ökotourismus.
Der Überfall der Rinderherden auf den Regenwald macht sich bereits bemerkbar in den besonderen Heiligtümern der Verteidiger der so genannten selbsterhaltenden Entwicklung. Nachdem die als Umweltschützer bekannten Gummizapfer der “Reserva Extravista Chico Mendes“ (Bundesstaat Acre) festgestellt haben, dass sie mit der Extraktion des Latex nicht mehr überleben können, haben sie sich für die Viehzucht entschieden. Und haben sich damit, wie auch in Xapuri und allen anderen Reservaten der Gummizapfer des Acre, der Lukrativität der Viehzucht ergeben. “Das Rind ist ein Sparbuch für den, der vom Latexzapfen lebt“, sagt dazu Francisco Vicente de Melo, der Vieh im Reservat “Santa Quitéria“ züchtet. “Wenn jemand krank wird und dann nicht arbeiten kann, ist es das Vieh, was ihn am Leben hält“. Sogar die Witwe von Chico Mendes, Ilzamar Gadelha Bezerra Mendes, hat bereits ihre Herde angelegt. Die Viehzucht ist im Verlauf von zehn Jahren im Acre um 370% gestiegen und hat den Bundesstaat selbst zum besten Beispiel der Waldzerstörung gemacht. Verglichen mit dem Expansionsrhythmus der Viehzucht in anderen Gebieten, ist der von Amazonien überaus besorgniserregend! Die Stückzahl der Rinder sprang von 1990 bis 2008 auf mehr das 3-fache im Jahr.
Theoretisch könnten die Weiden, welche den Regenwald säumen, der Vermehrung der Herden Rechnung tragen, aber es gibt da ein wirtschaftliches Phänomen – die Sojabohne – die das Vieh in den Wald abdrängt. In den letzten vier Jahren sind 5 Millionen Hektar Weideland in Brasilien in Sojafelder verwandelt worden, das hat das Instituto de “Pesquisa Econômica Aplicada“ (IPEA) festgestellt. Mit anderen Worten: 70% der Expansion von Sojaplantagen geschah in von der Originalvegetation “befreiten“ Arealen, die in Weiden verwandelt worden waren. In Amazonien ist dieser Prozess nicht anders. Die Schwankungen in den Fleischpreisen haben viele Produzenten in den Konkurs getrieben. Aufgegebene Weiden können aber mit entsprechenden chemischen Düngern zu wertvollem Boden für den Soja-Anbau umfunktioniert werden – dann wird gepflügt und der Boden produziert fortan Soja. Dies war noch vor zehn Jahren undenkbar, als man nämlich noch der Meinung war, das in dieser Region eine extensive Landwirtschaft unmöglich wäre.
Aus diesem Sichtwinkel gesehen sind, die Soja-Bauern Helden der Wirtschaft und der Rückgewinnung dekadenter Böden. Aber da gibt es die andere Seite der Medaille, und die wird von der Mehrheit der Umweltschützer vertreten, die in Amazonien tätig sind. Gerade weil die Sojakulturen die Cerrado-Region Brasiliens nun überschritten haben und sich den Grenzgebieten des Regenwaldes nähern, sind sie ebenfalls zu einer ernst zu nehmenden Bedrohung geworden. Indem sie Ländereien von Viehzüchtern an sich brachten, deren Geschäfte stagnierten oder in die Dekadenz verfallen waren, kapitalisierten die Soja-Pflanzer einen Sektor, dessen Interesse darin besteht, Regenwald in Weide zu verwandeln. Mit Geld in der Tasche verlegten sich die Viehzüchter auf Investitionen in preislich niedrigeren Grund und Boden – weiter weg und, zum grössten Teil, noch mit viel Regenwaldbestand zum Abholzen!
Um diese Tragödie sozusagen “von den besten Plätzen aus“ beobachten zu können, steht Brasilien modernste, satellitengesteuerte Technologie zur Verfügung. Im “Instituto Nacional de Pesquisas Espaciais“ (INPE), in der Stadt São Bernardo do Campo (São Paulo), produzieren die Wissenschaftler tägliche Bulletins mit den Zahlen der im Land registrierten Flächenbrände und geben alle 15 Tage Relatorien heraus über die neuesten Waldzerstörungen – und dabei geben sie die genauen Orte der Zerstörung mit äusserster Präzision an. Weniger als acht Stunden sind notwendig, um eines der SIVAM-Flugzeuge von seiner Basis in Anápolis (Goiás) in die Luft zu bringen, um Fotos in hoher Auflösung von jedwedem Punkt des Regenwaldes zu machen. In Hunderten anderer wissenschaftlicher Zentren in Universitäten, die über ganz Brasilien und auch im Ausland verteilt sind, werden weitere Informationen ausgewertet, die aus Daten von Satelliten stammen.
Ein Erfolg in der Luft – eine Blamage auf der Erde! Kontrollaktionen und Investitionen zur Unterdrückung und Verfolgung von Umweltverbrechen hinken der Technologie, die jedes Detail im Wald zu erkennen vermag, weit hinterher. Von den 36 Millionen Reais, die vorgesehen waren, die Arbeit der Kontrollbeamten in diesem Jahr zu unterstützen, wurden 25% erst einmal eingefroren. Die freigegebene Summe genügte dann gerade mal, um bis in die erste Hälfte des Monats August zu arbeiten – und genau dann fängt die Zeit der Waldbrände erst an! Um die 5 Millionen Quadratkilometer Amazonas-Regenwald zu kontrollieren, stehen 695 Beamte zur Verfügung – 575 fest Angestellte und 120 ausgeliehene aus anderen Regionen. Wenn man die Waldfläche gleichmässig unter ihnen aufteilen würde, dann müsste jeder von ihnen ein Territorium von der fünffachen Grösse der Stadt São Paulo kontrollieren! “Das fehlende Geld ab Mitte des Jahres zeigt deutlich, dass unser Präsident Lula der Frage des Umweltschutzes keine Priorität einräumt“, sagt die GREENPEACE in einer Note, welche das Fehlen der Mittel für die Arbeit der Kontrolleure beklagt.
Auch die verhängten hohen Busgelder könnten dazu beitragen, die Aktivitäten der Kontrollorgane zu finanzieren. Aber die werden in der Regel von den Umweltsündern wie Anekdoten behandelt. Vom Gesamt der von den Beamten verhängten Strafen werden allein 12% gestrichen wegen Fehlern beim Ausfüllen der Formulare. Vom Rest werden 80% einfach nicht bezahlt. Und von denen, die tatsächlich bezahlt werden, schöpft die Regierung 95% ab für andere Zwecke. Nach den Daten der IBAMA haben sich die Busgelder im vergangenen Jahr auf 539 Millionen Reais summiert, von denen lediglich 63 Millionen auch bezahlt worden sind. Von dieser Summe sind ganze 3 Millionen für die Arbeit der IBAMA-Beamten genehmigt worden. Und um noch eins drauf zu setzen: Eine Geldstrafe, wenn sie denn bezahlt wird, verschwindet erst einmal über drei Jahre in den bürokratischen Instanzen der Regierung. Nach Auskunft des Direktors für Umweltschutz der IBAMA, Flávio Montiel, versucht seine Institution einen Vorschlag für ein Gesetz einzubringen, das die Aufteilung dieser Gelder zwischen IBAMA und der Regierung formuliert und verbessert. “Aber das wird ein harter Brocken werden“, gibt Montiel zu.
An anderer Stelle unterminiert die Korruption den Prozess der Überwachung und Kontrolle noch mehr. Im vergangenen Jahr hat man in Pará eine Gang auffliegen lassen, die sich auf die Annullierung und Schrumpfung von Geldbussen spezialisiert hatte. Sie bestand aus Funktionären und sogar einem Leiter mit Procura der lokalen IBAMA – die Gruppe wurde für einen Diebstahl von insgesamt 4 Millionen Reais verantwortlich gemacht. Die Untersuchungen sind noch im Gange und der Chef der Bande sitzt in Untersuchungshaft. Seit 2003 sind mehr als 60 Beamte wegen des Verbrechens der Korruption eingesperrt worden. Allein im letzten Fall, der “Operation Curupira“ im Juni, wurden 47 Beamte festgenommen. “Das heisst nicht, dass die Korruption zugenommen hat, sondern dass man noch nie so intensiv nach ihr geforscht hat, wie heute“, stellt Montiel richtig. Obwohl die ehrlichen Überwachungsbeamten seit vergangenem Jahr mehr als 375.000 Kubikmeter Holz beschlagnahmt haben und 460 illegale Sägewerke dicht gemacht haben, sind immer noch 80% des in der Region verkauften Holzes aus illegalem Bestand. Darin enthalten ist auch jenes Holz, dass auf mysteriöse Art und Weise aus den von der IBAMA beschlagnahmten Lagern verschwand.
Aus der Zeitschrift VEJA, von Leonardo Coutinho – November 2008
Nachbearbeitung und Übersetzung Klaus D. Günther für BrasilienPortal
Fotos Copyright ABr
WASSER, UNSER KOSTBARSTES GUT
Siebzig Prozent der Oberfläche unseres Planeten sind bedeckt mit Wasser – aber nur 1% dieses gigantischen Reservoirs ist für den Konsum des Menschen geeignet. Die Herausforderung besteht darin, seine Verschmutzung und Verschwendung zu verhindern und seine Verteilung auf die gesamte Menschheit zu verbessern.
Eine der spektakulärsten Visionen des vergangenen Jahrhunderts war die erste Fotografie der Erde, die aus dem Weltraum aufgenommen wurde, in den 60er Jahren: eine gigantische blaue Masse, davon 70% bedeckt mit Wasser. Am Anfang dieses Jahrhunderts dann eine immer wieder auftauchende Sorge – und zwar eine berechtigte – ist die, dass das Wasser, scheinbar im Überfluss vorhanden, paradoxerweise für den Gebrauch des Menschen immer weniger wird. Im März dieses Jahres hat der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, die kommenden Jahre zwischen 2005 und 2015 als “Jahrzehnt des Wassers“ dekretiert. Ziel ist es, in diesem Zeitraum die Zahl der Personen ohne Zugang zu installiertem, fliessendem Wasser auf die Hälfte zu reduzieren, eine Zahl, die 2 Milliarden Menschen übersteigt.
Wenn wir den derzeitigen Wasserverbrauch beibehalten, so schätzt man, dass im Jahr 2050 die Hälfte der Menschheit in Gebieten leben muss, die unter chronischem Wassermangel entsprechender Qualität leiden werden. Dies ist besonders deshalb eine erschreckende Nachricht, als 60% aller bekannten Krankheiten in irgendeiner Form auf den Wassermangel zurückzuführen sind. Wie ist das möglich, auf einem Planeten mit soviel hydrischem Überfluss? Das Problem hat zwei Seiten: schlechte Verteilung und schlechte Nutzung. Erstere ist der Natur selbst zuzuschreiben – die zweite ist Schuld der Menschen. Wasser ist tatsächlich die häufigste Substanz auf unserer Erde. Jedoch – 97% davon befinden sich im Meer, und sind deshalb ungeeignet für den landwirtschaftlichen und den industriellen Verbrauch, sowie für den menschlichen Konsum. Weitere 2% befinden sich gebunden im Eis oder Schnee der Polkappen. Und so bleiben lediglich 1% des Süsswassers – in den Flüssen, Seen und unterirdischen Wasseradern – zur Verfügung des Menschen. Und dieses Wasser ist ausgesprochen schlecht verteilt. Länder wie Kanada und Finnland haben viel mehr davon, als sie brauchen, während der Orient fast nichts davon besitzt.
Brasilien, „Verwalter“ über das grösste hydrische Reservoir der Welt – 3,7% der auf unserem Planeten zur Verfügung stehenden Süsswassermenge – veranschaulicht bereits intern das oben genannte Paradox: Zwei Drittel des Wassers konzentrieren sich innerhalb der Region mit der geringsten Bevölkerungsdichte – in Amazonien. Das bedeutet, das zum Beispiel ein Brasilianer aus Roraima 1000-Mal mehr Wasser zu seiner Verfügung hat, als zum Beispiel sein Landsmann, der im Interior des Bundesstaates Pernambuco lebt. Wasser ist schwer und schwierig zu transportieren. Es von einer Stelle zur andern zu transportieren, war eine grosse Herausforderung der Menschen seit der Römerzeit, ein Volk, welches innerhalb ihres Reiches die ersten Aquadukte anlegte. Das zweite Problem hinsichtlich des Wassers ist die schlechte Nutzung – und da gibt es ein anderes Paradox:
Obwohl für die Wirtschaft unentbehrlich, wurde Wasser immer umsonst an den Verbraucher gegeben. Bis man das kurzer Zeit bezahlten weder Industrielle, noch Landwirte und auch nicht die Verbraucher im Haushalt Geld für das Wasser – nur für seine Verteilung! Es ist richtig, dass im Grunde die Gesellschaft auch dann schon mitbezahlt, wenn eine Regierung staatliche Unternehmen einsetzt, welche das Wasser behandeln, das ein Unternehmer in seinem Fabrikationsprozess benutzt, oder wenn dieselbe Regierung einen Staudamm bauen lässt, damit ein Fluss den Landwirten zur Bewässerung zur Verfügung steht. Wenn für etwas, das man konsumiert nichts bezahlen muss, ist die Verschwendung bereits vorprogrammiert. Und deshalb sollte man, wenn man von der weltweiten Wasserverschwendung spricht, ein Wort wie eine Art Mantra bereithalten: Preisgestaltung. Das heisst, dass eine Regierung, die nach letzter Analyse schliesslich Besitzerin der Wasservorräte ihres Landes ist, für die von ihren Bürgern konsumierten Wasseranteile Bezahlung verlangen muss, um dann dieses Geld für die Behandlung des Wassers und die Erhaltung der Ökosysteme einsetzen zu können, denen die Bürger ihr Wasser verdanken.
Das geschieht bereits in Ländern wie Frankreich und Deutschland, die in der Wasserfrage beispielgebend sind. In dem meist angewendeten System bezahlt der Unternehmer oder Landwirt sogar zweimal: für die Nutzung des Wassers an sich und für die Erlaubnis, die Abwässer in die Flüsse leiten zu dürfen. Damit wird er angeregt, wenig Wasser zu verbrauchen und die Abwässer selbst einer Klärung zu unterziehen, bevor er sie an die Natur zurückgibt. “Für das Wasser eine Bezahlung zu verlangen, ist wesentlich effektiver als Tausende von Gesetzen zu seinem Schutz zu erlassen, wenn man weiss, dass der Staat sowieso über kein Personal verfügt, die Einhaltung der Gesetze zu kontrollieren und Strafen zu verhängen“, sagt Benedito Braga, Direktor der “Agencia Nacional de Águas“, gegründet 1997. Diese Agentur begann erst kürzlich mit dem Pilotprojekt einer Zahlungserhebung für Wasser am Rio Paraíba do Sul, getragen von den Bundesstaaten São Paulo, Rio de Janeiro und Minas Gerais. Im vergangenen Jahr wurden dadurch in diesem Gebiet 6 Millionen Reais eingenommen, die nun wieder in Kläranlagen für 12 Städte investiert werden können.
In Zukunft werden auch Verbraucher im Haushalt die Wasserrechnung mit Unternehmern und Landwirten teilen müssen, obwohl sie nur für etwa 10% des weltweiten Verbrauchs von Süsswasser verantwortlich sind. Letztendlich sind es die nicht behandelten Abwässer, denen wir die Verschmutzung der Flüsse zu verdanken haben, besonders jene der grossen Metropolen. Das Problem wird nur zu lösen sein, wenn man anfängt, für das Wasser an und für sich eine Bezahlung zu verlangen – nicht nur für seine Verteilung. Obwohl man sich in der Frage einer notwendigen Preisveranschlagung praktisch einig ist, gibt es doch Gegenstimmen, welche anführen, dass der Preis für jene dann besonders teuer würde, die das Wasser am meisten brauchen: die Ärmsten des Volkes. Aber es gibt verschiedene Methoden, welche verhindern können, dass dies geschieht. In Südafrika hat man zum Beispiel ein Konsum-Maximum pro Person eingeführt – erst wer mehr als dieses Maximum verbraucht, der muss dafür zahlen. Denn die Wahrheit ist doch: Was für die Armen wirklich teuer wird, ist, kein Wasser zu haben! In den Ländern, in denen der Wassermangel dramatische Formen angenommen hat, sind es die Frauen, denen die Aufgabe zufällt, bis zum nächsten Fluss mit einem Krug auf dem Kopf zu marschieren – und, weil der Fluss oft kilometerweit entfernt ist, verlieren sie manchmal den ganzen Tag mit dieser Aufgabe.
Es gibt wenigstens drei falsche Behauptungen hinsichtlich der Wasserfrage, besonders dramatisiert von radikalen Umweltschützern, die nicht auf Tatsachen beruhen: Die erste behauptet, dass die Wasservorräte unseres Planeten zu Ende gehen – das ist nicht wahr! Wasser ist ein unendlich erneuerbares Element – in seinem Zyklus fällt es aus den Wolken vom Himmel als Regen, befruchtet die Erde, fliesst in die Flüsse und Meere, verdunstet und kommt als Süsswasser wieder zurück aus den Wolken. Die zweite Behauptung stellt fest, das der unkontrollierte Verbrauch von Wasser im Haushalt zum Verschwinden des Wassers auf unserem Planeten führen wird – eine weitere Übertreibung. Lediglich ein Zehntel des zur Verfügung stehenden Trinkwassers wird für die Küche, die Waschmaschine und die persönliche Hygiene von den Menschen verbraucht, während 70% in der Landwirtschaft verbraucht werden – dort liegt die Verschwendung! Die dritte Behauptung – sie entstand aus dieser – besagt, dass die Wasserreserven zu Ende gehen, weil je mehr sich die Erde entwickelt, sie mehr Lebensmittel brauche und folglich auch mehr Wasser. Ist auch nicht ganz richtig. Die Modernisierung der Landwirtschaft hat zur Folge, dass der Wasserverbrauch sogar sinken könnte. Nach einer Schätzung des “Pacific Institute“, weltweit einem der renommiertesten Zentren für Studien in dieser Frage, lag der Gesamtkonsum von Wasser in den USA der 80er Jahre bei 600 Kubikkilometern pro Jahr – heute ist er auf weniger als 500 gesunken! Diesen Rückgang verdankt man unter anderem auch der Einsparung in der Industrie und in den Haushalten. In den Fabriken der 30er Jahre verbrauchte man durchschnittlich 200 Tonnen Wasser für eine Tonne Stahl zu erzeugen. Heute, mit modernen Methoden, ist dieser Verbrauch auf 3 Tonnen gefallen. In den Haushalten, zum Beispiel, ist der Verbrauch von Wasser in den Toilettenspülungen auf ein Viertel gegenüber dem zurückgegangen, was man noch vor zwanzig Jahren dort verbrauchte. Das wirkliche Dilemma besteht darin, es zu schaffen, dass man die Wasservorräte auf die weiter wachsende Weltbevölkerung besser verteilt und die Wasserqualität erhält! Die Geschichte lehrt uns, dass der Mensch jene Güter besser behandelt, die er als Wirtschaftsgüter betrachtet. Das Wasser, das ein wichtiger Bestandteil aller Produktionsprozesse darstellt, verdient eine solche Behandlung.
Aus der Zeitschrift VEJA, von João Gabriel de Lima – November 2008
Bearbeitung/Übersetzung Klaus D. Günther für BrasilienPortal