Capoeira – Fusskampf

Zuletzt bearbeitet: 29. Oktober 2013

Pair of Strong Capoeria FightersHeute ist der Capoeira – Fusskampf eine Mischung aus Tanz und Kampfsport, seine Wurzeln liegen in Afrika, nach Brasilien kam er mit den Sklaven als eine Form der Selbstverteidigung. Zum rhythmischen Klang des “Berimbau de barriga, Caxixi, Atabaque, Pandeiro“ und “Reco-reco“ trainieren zwei “Capoeiristas“ eine synchronisierte Choreographie – die Beherrschung der Beine, Arme, Hände, Füsse, des Kopfes und der Schultern.

Ihr Repertoire enthält Tritte und Pirouetten voll scheinbarer Hinterlist und Bosheit, präsentiert in einem rhythmischen Gegeneinander von geradezu graziler Anmut. Die “Malícia“ ist das zentrale Element des Capoeira – man mag sie als Bosheit oder Hinterlist deuten, doch ist sie in diesem Fall eher als “Schlauheit“ oder “Kriegslist“ zu bezeichnen. Es geht nämlich im Capoeira darum, beim Gegner eine “falschen Eindruck“ zu machen – sich eher als “schwächlich“ und ungeschickt darzustellen, um den Gegner aus der Reserve zu locken – diese List kann bei einem Kampf entscheidend sein. Dabei wird diese “Malícia“ nicht direkt gelehrt, sondern die Schüler probieren sie spielerisch aus – auf diese Weise ist der Ausgang eines Kampfes durchaus ungewiss. Nicht die Kondition oder die Technik sind ausschlaggebend, sondern die “maliziöse Taktik“.

Es gibt zwei Spielarten: Der “Capoeira de Angola“ und der “Capoeira Regional“. “Mestre Pastinha“ ist der grosse Nachfolger der ersten, afrikanischen Version – “Mestre Bimba“ vertritt die zweite, die sich durch die Einführung von so genannten “Golpes ligados“ und “Golpes cinturados“ (Schlagabtausch-Arten) unterscheidet. Die so genannte “Roda de Capoeira“ (Capoeira-Runde) unterteilt sich in Kämpfer und Instrumentalisten, letztere verantwortlich für den Sound und den Rhythmus der “Capoeiristas“. Der “Berimbau-Bogen“ ist die Seele dieser Begleitinstrumente.

Diese populärste folkloristische Darbietung Bahias findet ein Echo in der ganzen Welt. Inzwischen gibt es überall Capoeira-Clubs und Kurse – attraktiv für die “Gringos“ und meisterhaft beherrscht von den “Baianos“. Besonders gepflegt wird diese Tradition in “Salvador, Cachoeira, Mata de São João, Santo Amaro, São Félix, Feira de Santana, Maragojipe” und “Nazaré”.

Geschichte und Tradition des “Capoeira”

Ganz anders als manche Leute glauben, haben die Afrikaner ihre Gefangenschaft nicht einfach friedlich und wehrlos akzeptiert. Die Geschichte ist voll von Beispielen ihrer Wehrhaftigkeit, wie zum Beispiel die Revolte der “Malês“ und verschiedener Rebellionen, die während des 19. Jahrhunderts registriert wurden – ganz besonders in Bahia. Capoeira ist eins der Symbole afrikanischen Widerstandes. Man nimmt an, dass dieser kuriose Fusskampf in den Sitten und Gebräuchen der “Bantu“ verwurzelt war und mit den Sklaven dieses Volkes nach Brasilien eingeführt wurde. Die “Bantu“ bewohnten die Region von “Austral-Afrika“, heute Angola. In den “Quilombos“ – den von geflohenen Sklaven organisierten Kommunen in schwer zugänglichen Gebieten – wurde Capoeira als Verteidigungsform weiterentwickelt und verbessert, und jene, die wieder eingefangen wurden, brachten den Fazenda-Arbeitern diese Selbstverteidigung bei.

Weil ihre Herren ihnen jedoch jedwede Kampfsportbetätigung streng verboten, kamen sie auf die Idee, den “Capoeira“ mit afrikanische Gesängen und Instrumenten zu begleiten, beziehungsweise seinen eigentlichen Zweck dahinter zu verstecken – “Capoeira“ war nichts weiter als ein Tanzvergnügen, und das war den Sklaven erlaubt. Wie die “Candomblé-Zeremonie“, die für die Sklavenhalter nichts weiter war als ein primitiver Nonsens, so bewies sich auch der “Capoeira“ als ein Mittel des kulturellen und physischen Widerstands der afrikanischen Sklaven in Brasilien. Praktiziert wurde der “Capoeira“ auf Terrains im Umfeld der “Senzalas“ (Sklavenquartiere) – motiviert von dem allgemeinen Interesse, die afrikanische Kultur sowie die körperliche Gesundheit zu pflegen – und sich vom Stress der harten Tagesarbeit zu erholen. Oft verlegte man die Kämpfe etwas weiter weg auf mit Buschwerk gesäumte Weideflächen, die zu jener Zeit “Capoeiras“ genannt wurden – so erhielt der Fusskampf diesen Namen.

Vom Land in die Stadt gebracht, wurde der “Capoeira“ durch die “Malícia“ so genannter “Negros de ganho“ entwürdigt, die sich in der Hafenzone Fusskämpfe gegen hohen Wetteinsatz lieferten. In Banden organisierte “Capoeiristas“ provozierten Unruhen bei Volksfesten und verstärkten die Ängste der damaligen Autoritäten. Bis 1930 war das Praktizieren von Capoeira in Brasilien verboten. Die Polizei hatte bis dato Anweisung, jeden ertappten “Capoeirista“ zu verhaften. In diesem Jahr präsentierte dann einer der bedeutendsten Capoeiristas, Mestre Bimba, dem damaligen Präsidenten Getúlho Vargas eine etwas “entschärftere“ Form des Fusskampfes. Der Präsident war begeistert und erklärte “Capoeira“ zum brasilianischen Nationalsport. Von da an perfektionierte sich der “Capoeira d’Angola“ in Bahia, getreu seiner afrikanischen Tradition, dank vor allem dem Mestre Pastinha, der noch im Alter von 79 Jahren aktiv war und Generationen von “Capoeiristas d’Angola“ ausgebildet hat.

Capoeira ist ein Dialog zweier Körper. Gewinner ist der, dem vom Partner keine “Antwort“ mehr zuteil wurde. In seiner freundschaftlichen Form – das heisst innerhalb einer “Roda de Capoeira“ – ist dieser Sport ein eleganter, physischer Dialog. Zwei Capoeiristas begegnen sich unter dem Takt des Berimbau und beginnen ein langsames Ballett der körperlicher Fragen und Antworten – bis ein Dritter den Kreis erweitert, und nacheinander die Nächsten – bis schliesslich alle an der “Roda“ teilnehmen.

Ein basisches Element des “Capoeira d’Angola“, die “Malícia“ – auch “Mandinga“ genannt – kann den Fusskampf allerdings sehr gefährlich gestalten. Diese “Hinterlist” besteht aus scheinbar harmlosen und schwachen Tritten, langsam und sachte, um den Gegner zu täuschen – gewissermassen ein kämpferisches Understatement, dem dann plötzlich eine schnelle, harte Sequenz der Tritte folgt, die oft den Kampf entscheiden können. Dies ist eine Eigenschaft, die man nicht nur im Training lernt.

Der moderne Capoeira präsentiert sogar drei Stilarten, die sich in den Bewegungen und dem musikalischen Begleitrhythmus deutlich unterscheiden. Ausser dem schon beschriebenen “Capoeira d’Angola“ und dem “Capoeira Regional“ nennt man die dritte Stilart “Capoeira contemporâneo“ (zeitgenössischer Capoeira) – mit einer Mischung aus den beiden anderen Stilarten.

Die Gewalt der Tritte beim Capoeira lässt keinen Spielraum für “halbe Sachen“ – entweder praktiziert man den richtigen Capoeira, oder man simuliert nur einen Kampf. Die “Puristen“ sind gegen die Möglichkeit, ihn in sportliche Regeln zu integrieren, denn für sie ist Capoeira kein Sport. Für andere jedoch sollte sich diese Möglichkeit entwickeln, wie bei anderen Kampfsportarten (Judo, Karate etc.) Zur “Capoeira d’Angola“, mit der ältesten Tradition, gehört nur eine geringe Anzahl Tritte. Jedoch können die eine harmonische Komplexität durch ihre Variationen erreichen. So wie die entsprechende Begleitmusik, die nur aus sieben Noten besteht, gibt es bei dem “Capoeira d’Angola“ nur sieben Tritte, die entsprechend variiert werden: “Cabeçada, Rasteira, Rabo de Arraia, Chapa de Frente, Chapa de Costas, Meia Lua“ und “Cutilada de Mão“.

Capoeira ist der einzige Kampfsport, der von Musikinstrumenten begleitet wird. Zu Beginn bestand diese Begleitung lediglich aus Händeklatschen und einer Trommel. Später nahm man den Berimbau in die Szene auf, bestehend aus einem mit einer Drahtsaite bespannten Holzbogen und einer daran befestigten “Cabaça“ (Kürbisgehäuse) als Resonanzkörper. Einen Ton erreicht man durch Anschlagen des gespannten Drahtes mit einem Holz- oder Metallstab. Den Ton kann man variieren, indem man den Resonanzkörper (Cabaça) abwechselnd mit der Hand zuhält und öffnet und (oder) eine Kupfermünze an den Draht hält, was ihn vibrieren lässt. Das Instrument kann mit einem “Caxixi“ ergänzt werden – ein Körbchen aus Weidenrute mit trockenen Samen in seinem Innern, die ein rhythmisches Rasseln erzeugen.

berimbausDer “Berimbau“ (Bogen mit Drahtbespannung) war ehemals ein Instrument, mit dem ambulante Verkäufer ihre Kundschaft anzulocken pflegten. Die “Capoeiristas“ entdeckten das Instrument als Symbol ihrer Kunst, um den Fusskampf mit seinem besonderen Timbre anzuführen. Die Rhythmen sind im Zweivierteltakt und die Tempi – langsam, moderat und schnell – werden vom Berimbau vorgegeben. Unter den bekanntesten sind “São Bento Grande (langsam), São Bento Pequeno (schneller), Angola, Santa Maria“ der „Toque de Cavaleria“(Rhythmus der Kavallerie – der, wenn er erklang, die anrückende Polizei ankündigte), der “Amazonas“ und der “Luna“. In einer Runde von “Angoleiros“ besteht eine komplette Rhythmusgruppe aus drei Berimbaus (einem tiefen Ton, einem mittleren und einem hohen), zwei “Pandeiros“ (Tamburine), einem “Reco-reco” (Ratsche), einem “Agogô“ (Glockenspiel) und einer “Atabaque“ (Trommel). Der musikalische Teil enthält ausserdem so genannte “Ladainhas“ (Verse) die von allen in der Runde gesungen und im Chor wiederholt werden. Ein guter “Capoeirista“ muss die Themen des “Capoeira“ sowohl spielen als auch singen können.

Der Samba de Roda

Dies war eine ausdrucksstarke Form der versklavten Afrikaner zur Erhaltung ihrer Kultur in Brasilien. Der Einfluss Portugals wird mit der Einführung der “Viola“ (Bratsche) und des “Pandeiro“ (Tamburin) erkennbar.

Begleitet von “Atabaques” (Trommeln), “Ganzá” (Rassel), “Reco-reco” (Ratsche), “Viola (Bratsche) und “Violão“ (Gitarre), intoniert der Solist eine Melodie, gefolgt von der tanzenden Gruppe. Der “Samba de Roda“ trat zum ersten Mal um 1860 öffentlich in Erscheinung, verbunden mit dem Kult zu Ehren der “Orixas“ (afrikanische Gottheiten), mit dem “Capoeira“ und Festessen auf Dendê-Basis (ein Palmöl). Der portugiesische Einfluss zeigt sich, ausser den Instrumenten “Viola“ und “Pandeiro“, auch in der portugiesischen Sprache der Texte.

Im “Reconcavo Baiano“ geht die Tradition des “Samba de Roda“ bis auf die Anlandung der ersten afrikanischen Sklaven zurück – das folkloristische Manifest ist inzwischen für den Titel einer “Obra-prima“ des oralen und immateriellen Erbes der Menschheit nominiert worden und präsent in den Werken renommierter bahianischer Komponisten – Dorival Caymmi, João Gilberto, Caetano Veloso. Diese Mischung aus Musik, Tanz, Poesie und Festivität präsentiert sich in zwei charakteristischen Stilarten: dem “Samba chula“ und dem “Samba corrido“. Der “chula“, eine Art Poesie, wird vom Solisten vorgetragen, während die Gruppe aufmerksam zuhört und sich erst nach dieser Proklamation dem Vergnügen des Tanzes zuwendet – einer nach dem andern begeben sie sich dann, unter dem Rhythmus der Trommel, begleitet von Händeklatschen, in die Mitte der “Roda“ (Kreis). Beim “corrido“ findet das Sambatanzen im Kreis gleichzeitig mit dem Textvortrag zweier Solisten statt, die sich mit dem Chor abwechseln.

Der Tanz ist auch bekannt unter dem Spitznamen “Umbigada“ (Nabeltanz), weil jeder Teilnehmer beim Verlassen des Kreises einen anderen einlädt ihn zu ersetzen, indem er ihn mit seinem Bauch anstösst (ihm eine “Umbigada“ versetzt). Dieser typische Tanz des “Reconcavo“ ist besonders ausgeprägt in den Orten “Cipó, Candeias“ und “Cachoeira“ während der Juni-Festlichkeiten und des Festes “Boa Morte“. In “São Félix, Muritiba, Conceição do Almeida” und “Santo Amaro” ist der “Samba de Roda” Mittelpunkt beim Fest der “Nossa Senhora da Purificação”. São Francisco do Conde, Feira de Santana, Itacaré und ebenfalls “Conceição do Almeida” zelebrieren den Tanz auch bei ihrem Fest am 2. Juli.

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