The Second Mother: leichte Sommerkomödie mit ernsten Untertönen aus Brasilien

second-motherDer Beruf der Haushaltshilfe ist gerade in der brasilianischen Mittel- und Oberschicht noch weit verbreitet. Dabei ist der Tag einer „Faxineira“ oftmals nicht auf die normale Arbeitszeit beschränkt. Sechs Tage die Woche vom frühen Morgen bis späten Abend sind keine Seltenheit, geschlafen wird dann sogar beim Arbeitgeber in einem kleinem Zimmer. Und wer aus dem bitterarmen Nordosten in reichen Städten wie São Paulo oder Rio de Janeiro Arbeit gefunden hat und beim Padrão Kost und Logis frei hat, kommt maximal im Urlaub nach Hause oder schickt selbst dieses Geld noch in die ferne Heimat.

Eine solche Geschichte hat nun die Brasilianerin Anna Muylaert in Szene gesetzt. Sie handelt von der Haushälterin Val, die sich seit 13 Jahren in einer Familie der Oberschicht São Paulos nicht nur um Küche,Bad und Wäsche sondern auch um den mittlerweile 17-jährigen Sohn des Hauses kümmert und dabei in dessen Erziehung durchaus die Rolle der „zweiten Mutter“ übernahm. Ihre eigene Tochter hatte sie seinerzeit bei Verwandten in Pernambuco zurückgelassen und seitdem nie wieder gesehen.

Trotz der langen Zeit im Haushalt und aller Zusicherungen der Arbeitgeber, sie sei doch längst ein Familienmitglied, hält sich Val weiterhin an die strengen Regeln, die sich sich selbst auferlegte und für standesgemäß hält. Nie würde sie sich erdreisten, am Tisch der Familie zu sitzen oder es sich in Abwesenheit ihrer Chefin im riesigen Haus gemütlich zu machen. Auch darum ist es ihr etwas unangenehm, als sich ihre inzwischen erwachsene Tochter Jéssica ankündigt. Diese will in der Millionenmetropole studieren, hat aber keine Bleibe. So zieht sie zwar zunächst brav mit in das kleine Dienstmädchenzimmer, verwirft jedoch schnell Mamas Regeln und wirbelt so im Handumdrehen das Leben im Haus und letztendlich auch das ihrer Mutter komplett durcheinander.

second-mother-2Regisseurin Anna Muylaert hat mit der in Brasilien höchst populären und seit fast vier Jahrzehnten im Fernsehen omnipräsenten Regina Casé die vermutlich beste Wahl getroffen. Der 61-jährigen Schauspielerin, Moderatorin und Komödiantin gelingt es mit Leichtigkeit, sowohl die lustigen Momente nicht zu kitschig und die ersten und leisen Töne nicht zu pathetisch wirken zu lassen. Der Kinobesucher darf ihr auf der Reise hinaus aus dem Käfig der Konventionen folgen, ihr beim Loslassen und Neuentdecken dabei tief in die Seele schauen.

Aber auch Camila Márdila als flippige Tochter spielt sich schnell in die Herzen der Zuschauer. Das Naschen am verbotenen Eis, der unerlaubte Plansch im Pool oder die von ihrer Anwesenheit verursachten Hormonwallungen des Hausherrn sind nur einige Momente, die die Mutter schier verzweifeln und den Zuschauer schmunzeln lassen. Daran ändert dann auch nicht einmal Jessicas Geheimnis etwas, welches letztendlich das Leben aller Beteiligten auf den Kopf stellt und die Mutter zu einer schon viel zu lange aufgeschobenen Entscheidung zwingt.

„Que horas ela volta?“ – so der Originaltitel – ist trotz der Thematisierung der brasilianischen Klassengesellschaft weniger ein Gesellschaftsdrama sondern mehr eine leichte Sommerkomödie mit ernsten Untertönen, voller berührender Momente und Situationskomik, wofür es auf der Berlinale den Publikumspreis und am Sundance Festival den Kritikerpreis als Auszeichnung gab. „The Second Mother“ startet in der Schweiz am 13. August, in Deutschland kommt er unter dem Titel „Der Sommer mit Mama“ am 20. August in die Kinos.

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AutorIn: Dietmar Lang · Bildquelle: Filmcoopi

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