Vom König unter den Geiern und warum seine Verwandten schwarz sind

Nein, sie haben keinen guten Ruf, die Geier. Dabei leisten sie uns Menschen wichtige Dienste. In Brasilien gibt es gleich fünf verschiedene Arten dieser großen, schwarzen Vögel mit der zu Unrecht schlechten Reputation. Zu ihnen gehört der Königsgeier, mit einer Spannweite von bis zu beinahe zwei Metern und einem königlichen Gebahren. Genauer betrachtet sind er und seine Verwandten faszinierende Tiere mit etlichen Kuriositäten. Ein paar davon verraten wir Ihnen hier.

Königsgeier – Foto: Michael Osterloh auf Pixabay

Auch wenn die Geier Südamerikas denen Europas auf dem ersten Blick ähnlich sind, sind sie doch nur indirekt mit ihnen verwandt. Stattdessen stehen sie den majestätischen Adlern und Falken näher. Majestätisch verhält sich auch der König unter den Geiern, der Urubu-rei, wie die Brasilianer ihn nennen. Bei der Suche nach Nahrung läßt er erst einmal seine kleineren Verwandten arbeiten, die Rabengeier (Coragyps atratus). Statt selbst zu suchen, wartet er bis die Rabengeier ein vereendetes Tier ausgemacht haben. Haben sie sich neben dem Kadaver niedergelassen, gesellt auch er sich zu ihnen, wobei seine Verwandten einen respektvollen Abstand zu ihm einhalten.

Mit einer Körperlänge von 85 Zentimetern ist der Urubu-rei (Sarcoramphus papa) der größte Geier Brasiliens, und er ist auch der bunteste Geier Südamerikas. Der obere, weiße Teil seines Körpers wirkt, als hätte er sich einen weißen Umhang übergeworfen. Darüber trägt er einen roten Reif um seinen Hals. Seine Augen sind ebenso weiß und rot beringt, während sein Schnabelauswuchs orange gefärbt ist.

Glatze – Ein Mittel für saubere Köpfe

Seine südamerikanischen Verwandten sind hingegen überwiegend schwarz. Gemeinsam haben allerdings alle, dass sie glatzköpfig sind. Die Glatze ist dabei keineswegs ein Zeichen für einen Federausfall und wird von den weiblichen Geiern auch nicht als sexy betrachtet. Die Glatze hat vielmehr ihren Grund, und der liegt in der Sauberkeit. Schließlich schafft es der Geier nicht, mit seinem Schnabel, seinen eigenen Kopf zu putzen. Der kommt aber beim Verspeisen des Aases mit Fleisch und Blut in Kontakt. Die Glatze verhindert deshalb, dass das Blut die Federn verkrustet, wenn sie denn Federn auf dem Kopf hätten.

Saurer Magen gegen Fleischvergiftung

Nur wenige der Geier erjagen auch mal lebende Kleintiere. Die meisten Geierarten ernähren sich exklusiv von Aas. Das zu verdauen, ist für den Magen keine leichte Aufgabe. Zudem können die Kadaver schon mit Bakterien versetzt sein, die bei uns Menschen oder auch anderen Tieren zu einer Lebensmittelvergiftung führen würden. Die Geier sind indes bestens dagegen geschützt. Zum einen zersetzt in ihren Mägen ein unglaublich saurer Magensaft die aufgenommene Nahrung. Der Magensaft ist dabei so sauer, dass er sogar die DNA der verspeisten „Beute“ auflösen kann.

Darüber hinaus haben die Geier einen Pakt mit Bakterien, die eigentlich für andere Tiere äußerst schädlich wären. Für die Aasfressenden Vögel sind sie hingegen harmlos und tragen sogar dazu bei, die Vermehrung anderer Bakterienarten zu verhindern.

Geier-App und Straßenreinigung

In Brasilien gibt es sogar eine eigene Geier-App. Sistema Urubu heißt sie. Mit ihr kann jeder, der ein überfahrenes Tier sieht, dieses fotografieren und auch bestimmen. Der Sinn dieser App geht aber noch weit darüber hinaus. Die mit ihr gewonnenen Daten geben Aufschluss darüber, welche Straßenabschnitte für die Wildtiere am gefährlichsten sind. Sie fließen deshalb auch in Studien mit ein, die etwa den Bau einer Überquerungshilfe zum Ziel haben, um die Zahl der Verkehrsopfer zu verringern.

Die ist enorm. Täglich kommen auf Brasiliens Straßen 1,3 Millionen Tiere ums Leben. Jährlich sind es nach Schätzungen des Centro Brasileiro de Ecologia de Estradas etwa 475 Millionen Tiere, vom Frosch bis hin zum Jaguar. Bei einem Straßennetz, das über 1,7 Millionen Kilometer vereint, relativiert sich die hohe Zahl der dem Verkehr zum Opfer fallenden Wildtiere jedoch ein wenig. An einigen Straßen wurden zudem bereits Tunnel und auch mit Bäumen bepflanzte, grüne Brücken angelegt, um den Wildtieren ein sicheres Überqueren der Straßen zu ermöglichen.

Für die Geier bleibt trotzdem noch genügend Nahrung übrig. Beim Verspeisen der tierischen Überreste sind sie übrigens äußerst effektiv. Nach einer Studie einer argentinischen und amerikanischen Forschergruppe konsumiert allein der in Nord- und Südamerika beheimatete Truthahngeier (Cathartes aura) jährlich knapp 1,5 Millionen Tonnen Aas. Das kommt wiederum uns Menschen zugute. Müsste die Straßenreinigung anrücken, um die toten Tiere vom Asphalt zu entfernen, um Unfälle oder das Ausbreiten von Krankheiten zu vermeiden, würde dies den Steuerzahler geschätzte 760 Millionen US-Dollar im Jahr kosten, wie die Forscher errechnet haben.

Wald-Geier verlegt sich auf vereendete Rinder

Aber nicht nur auf den Straßen ist die Beseitigung von toten Tieren von großer Bedeutung. Während die meisten Geierarten auf offener Flur, in Savannen oder Feldgehölzen den Bestattungsdienst übernehmen, hat sich der Urubu-da-mata (Cathartes melambrotus), der Wald-Gelbkopfgeier, auf die Reinhaltung der Wälder spezialisiert. Er kommt ausschließlich in der Amazonas-Region vor und ernährt sich dort von toten Faultieren, Gürteltieren, Affen und anderen verendeten Tieren.

Mittlerweile gilt das jedoch nicht mehr für alle der Wald-Geier Amazoniens. Die Abholzung der Regenwälder scheint beim Speiseplan des Wald-Geiers für Veränderungen gesorgt zu haben. Viele der gerodeten einstigen Waldflächen werden in Rinderweiden verwandelt. Der Urubu-da-mata hat sich da angepasst. Laut Ornithologen haben sich im brasilianischen Bundesstaat Tocantins Waldgeier bereits auf Rinderkadaver spezialisiert.

Tocantins gehört zu den zehn Bundesstaaten Brasiliens mit der höchsten Rinderzahl. Allein in Tocantins grasen über 250.000 Rinder. Ihre Haltung erfolgt zum Großteil nicht in Ställen, sondern extensiv und auf Weiden. Stirbt ein Kalb oder eine Kuh ist für das Bankett der Geier gesorgt. Das haben diese längst herausgefunden und sich entsprechend darauf eingestellt.

Schwarzer Geier erzeugt Düsenflugzeug-Geräusch

Wenig wählerisch ist hingegen der Urubu-preto (Coragyps atratus), der Rabengeier. Seinen lateinischen Beinamen „atratus“ hat er wegen seines völlig schwarzen Federkleides erhalten. Übersetzt bedeutet atratus etwa so viel wie „in Trauerbekleidung“. Wirklich in Trauer ist der Urubu-preto nicht. Er ist der am häufigsten vorkommende Geier Brasiliens.

Urubu – Foto: sabiá brasilinfo

Auch er wartet mit einer Besonderheit auf. Der Rabengeier ist bei seiner Suche nach toter Beute nicht nur kreisend am Himmel zu sehen, sondern auch zu hören. Macht er eine Mahlzeit aus, klappt er die Flügel zusammen und begibt sich im Sturzflug Richtung Boden. Dabei ist dann ein Geräusch zu hören. Mit etwas Phantasie erinnert das an ein Düsenflugzeug. Erzeugt wird das Geräusch durch die Luft, die beim Sturzflug des Geiers an seinen Flügelfedern vorbeiströmt.

Warum aber sind die Geier überwiegend schwarz?

In Brasilien weist schon der Name der Geier, „Urubu“, auf das dunkle Federkleid hin. Das Wort Urubu hat seinen Ursprung in einer der Tupi-Sprachen der indigenen Völker des Landes. Es bedeutet soviel wie „schwarzer Vogel“.

Dass sie schwarz sind, ist dabei kein Zufall. Hervorgerufen wird die Farbe durch die Einlagerung von Melanin. Das färbt nicht nur, sondern sorgt auch für resistentere Federn und einen Schutz gegen die UV-Strahlen. Denen ist der Geier besonders ausgesetzt. Nicht nur, dass er in luftigen Höhen unter der strahlenden Sonne der Tropen kreist. Vielmehr legt er bei seiner Suche nach Nahrung ebenso enorme Strecken zurück. Die können schon mal 300 Kilometer an einem einzigen Tag überschreiten. Ohne sein durch das Melanin eingebaute Sonnenschutzmittel hätte er da große Probleme.

Das Melanin schützt den schwarzen Vogel aber nicht nur vor der Sonne, es bietet ebenso eine Resistenz gegen bestimmte Bakterien im Gefieder. Eine von amerikanischen Forschern in Guyana durchgeführte Studie zeigt, dass im Gefieder der Geier wesentlich mehr Bakterien zu finden sind, die hohe Temperaturen aushalten, als Bakterien die keine hohen Temperaturen vertragen. Gerade zu den letzteren gehören aber auch die Bakterien, die Federn degradieren.

Ganz nebenbei hilft die schwarze Farbe auch beim Trocknen des Federkleides. Nicht selten können Geier dabei beobachtet werden, wie sie mit abgespreizten Flügeln ein Sonnenbad nehmen. Angesichts der jüngsten Forschungsergebnisse, kann dieses Verhalten aber nicht nur zum Trocknen des Gefieders dienen, sondern ebenso zum „rösten“ der für die Federn schädlichen Bakterien.

Ausgerechnet der Königsgeier mit seinem weißen Umhang würde bei der Erklärung jedoch den kürzeren ziehen. In Wirklichkeit tut er das nicht. Er lässt ja seine Verwandten für sich Beute aufspüren. Zudem sind die wichtigsten Bereiche seiner Flügel, die bei einem Flugzeug die Steuerungen der Flügel wären, schwarz und somit geschützt.


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Mehr vom Rabengeier – Urubu – finden Sie » hier
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AutorIn: Gabriela Bergmaier Lopes

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