Indigene Medizin gegen COVID-19

Die sogenannte „westliche Medizin“ hat noch keine nachweislich wirksamen Mittel zur Heilung oder Behandlung des neuen Coronavirus gefunden, außer den nun auch in Brasilien anlaufenden Impfungen – allerdings nur für Indigene, die in den Großstädten und näherer Umgebung ansässig sind. Es gibt zwar auch ONGs, die vorhaben medizinisches Personal in Indio-Dörfer zu schicken, um die Einwohner zu impfen, jedoch sind viele dieser Dörfer so weit abgelegen und schwer zugänglich, dass man kaum auf eine Gesamtimpfung der indigenen Bevölkerung erwarten kann.

Erste geimpfte Ureinwohnerin ist 105 Jahre alt – Foto: Bruno Cecim/AgenciaPara

Mit einem Jahrtausende alten Wissen um die Naturmedizin haben sich die abseits der Städte lebenden Indios an eigene Praktiken zurückbesonnen, um den Auswirkungen von Covid-19 vorzubeugen. Ihr Wissen basiert auf Lehren, die von Generation zu Generation mündlich weitergegeben wurden, und die Behandlungen konzentrieren sich auf das Wohlbefinden von Körper und Geist.

Nach Angaben des brasilianischen Instituts für Geographie und Statistik (IBGE) leben 305 indigene Völker im Land. Jede ethnische Gruppe hat ihre eigene Kultur, was dazu führt, dass die meisten von ihnen unterschiedliche Ansichten über Krankheiten und Heilungsprozesse haben. In diesem Bericht haben wir die Ratschläge der indigenen Völker “Sateré Mawé“ und “Tukano“ festgehalten.

Tees

Die erste, die Tipps zu Rezepten für traditionelle Heilmittel gibt, ist Regina Sateré, indigene Leiterin der “Vereinigung der Sateré Mawé Indigenen Frauen“ mit Sitz in Manaus. Mit verschiedenen Tees, so sagt sie, hat sie die Symptome von Covid-19 bei ihren Verwandten reduziert.

„In der ersten Welle des Coronavirus haben wir uns mit Maulbeerblättertee, Guavenblättertee, Katzenkrallentee und Capeba-Blatt-Tee behandelt. Wir haben es alle mit den Inhaltsstoffen ziemlich konzentriert eingenommen, etwa 20 Tage lang, bis wir uns erholt hatten“, sagt Regina.

Brombeere: (Rubus sect. Rubus)

Kontraindiziert für Schwangere – mit entzündungshemmenden und antioxidativen Eigenschaften. Die Blätter wirken zur Verringerung der Kolik, Durchfall und sogar Infektionen, weil sie auch antibakteriell sind.

Anleitung: einen Teelöffel der Blätter für eine Tasse kochendes Wasser. Abseihen und zweimal täglich trinken.

Guave: (Psidium guajavamit)

Seiner antioxidativen Wirkung wirkt der Tee in Magen und Darm und lindert Schmerzen, Entzündungen und Durchfall. Er wirkt außerdem entspannend, heilend und antihämorrhagisch.

Anleitung: einen Teelöffel getrockneter Blätter auf eine Tasse kochendes Wasser. Abseihen und bis zu dreimal am Tag trinken.

Katzenkralle: (Uncaria tomentosa)

Kontraindiziert für schwangere und stillende Frauen: Verbessert das Immunsystem des Körpers und hilft, Infektionen und Entzündungen zu behandeln. Auch für Asthma, Rhinitis und virale Krankheiten, die ähnliche Symptome aufweisen wie Covid-19.

Anleitung: 20 Gramm der Wurzeln für einen Liter Wasser. 15 Minuten kochen, 10 Minuten ruhen lassen und alle acht Stunden abgeseiht trinken.

Capeba: (Piper peltatum)

Kontraindiziert für schwangere Frauen – wird verwendet, um Anämie, Sodbrennen, Magenschmerzen, Fieber und Erkältungen zu behandeln. Die Blätter der Pflanze haben harntreibende Wirkung, sind fiebersenkend, entzündungshemmend, abführend und schweißtreibend.

Anleitung: 30 Gramm des Blattes auf 750 ml kochendes Wasser. Trinken Sie täglich drei Tassen.

Regina berichtet, dass die Tee-Rezepte ein Erbe ihrer Großmutter Tereza Sateré sind, die früher alle Medikamente zur Behandlung der Krankheiten ihrer Verwandten herstellte.
„Ich erinnerte mich, dass sie all diese Rezepte zur Behandlung der Grippe verwendete, die ähnliche Symptome wie das Coronavirus aufweist. Und da diese neue Krankheit nicht nur die Lunge angreift, sondern auch die Niere, die Leber und sogar das Herz, haben wir diese Tees angewendet. Sie sind wohltuend und helfen der Funktion der Organe“, kommentiert die Präsidentin des Frauenverbandes Sateré Mawé.

Weitere Naturheilmittel

Der von Regina angegebene Caapeba-Blatt-Tee hat unter anderem die Funktion, die Schweißproduktion des Körpers zu erhöhen. Dies ist einer der Hauptgründe, warum die indigene Frau die Behandlung empfiehlt.

„Wenn Sie Fieber haben, eines der Symptome des Coronavirus, müssen Sie schwitzen. Deshalb sollten Sie zusätzlich zum Tee reichlich Kleidung einpacken und die Klimaanlage nicht benutzen. Das haben wir hier im Verein so gemacht“, bekräftigt Regina.

Auch speziell für Nicht-Indios empfiehlt die Ureinwohnerin einen der bekannteren Tees, nämlich Knoblauchtee mit Zitrone und Ingwer. Dieses Mittel hilft, körperliche und geistige Müdigkeit zu reduzieren, zusätzlich beseitigt es Giftstoffe aus dem Körper. Es hat auch antibakterielle und entzündungshemmende Wirkung, und reduziert Kopfschmerzen.

Anleitung: Lassen Sie den Ingwer zehn Minuten lang in einem Topf mit kochendem Wasser (Menge für eine Tasse) stehen. Nach der Hälfte der Zeit fügen Sie drei zerdrückte Knoblauchzehen hinzu. Zum Schluss pressen Sie eine halbe Zitrone aus. Trinken Sie ihn abgeseiht und warm.

Sirup

Zusätzlich zu den oben genannten Behandlungen wurden auch hausgemachte Sirupe zur Bekämpfung von Covid-19 eingesetzt. So erklärt Clarice Tukano, Präsidentin der “Vereinigung der indigenen Frauen vom Oberen Rio Negro.

„Eines der häufigsten Heilmittel, welches meine Kollegen hier im Verein anwenden, ist der selbstgemachte Sirup. Selbst als einige von ihnen vom Land nach Manaus kamen, brachten sie die Mischung mit“, kommentiert die indigene Anführerin.

Anleitung: Um den Sirup herzustellen, schaben Sie eine Zwiebel oder schlagen Sie sie in einem Mixer und entfernen Sie nur den Saft, der von der Zwiebel übrigbleibt. Geben Sie für jede Menge Saft die gleiche Menge Honig hinzu. Dann eine halbe Zitrone auspressen und zwei Stunden lang stehen lassen. Achtung: Honig ist für Kinder unter einem Jahr nicht geeignet.

„Dieser Sirup hilft bei der Bekämpfung von Lungenentzündungen, erhöht die Immunität und vermindert Husten und Schleimbildung. Und das Beste ist, wenn man keinen Honig hat, kann man auch mit karamellisiertem Zucker verwenden“, sagt Clarice Tukano.

Herkunft der indigenen Medizin

Ritualtanz – Foto: Marcelo Camargo/ AgenciaBrasil

Jenseits von traditionellen Zutaten und Rezepten gibt es aber eine traurige Tatsache betreffs indigener Medizin: Die fehlende Anerkennung der Erfahrung von Völkern, die sich seit Urzeiten mit dem beschäftigen, was die Natur ihnen bietet.

„Die indigenen Völker sind nach archäologischen Funden seit 14.000 Jahren auf dieser Erde präsent. Das bedeutet, dass wir in all dieser Zeit den Wald und den Fluss bewirtschaftet und Technologien für Ernährung und Gesundheit entwickelt haben“, sagt João Paulo Barreto Tukano, Gründer des „Zentrums für indigene Medizin“ im Amazonasgebiet, mit Sitz in Manaus

Er ist Doktorand der Anthropologie an der Bundesuniversität von Amazonas (Ufam) und erklärt, wie während der 521 Jahre andauernden Kolonialisierung Brasiliens die indigene Bevölkerung systematisch durch Krankheiten, die von anderen Kontinenten eingeschleppt wurden, getötet werden.

„Als Epidemie ist das Coronavirus für indigene Völker nichts Neues. Früher hatten wir Masern, Grippe, Keuchhusten und andere Krankheiten, die uns umgebracht haben“, sagt João.

In diesem Prozess haben sich die traditionellen Völker mit zwei Möglichkeiten der Gesundheitsvorsorge gestärkt, so der Indigene. Die erste beinhaltet die Praxis der „Bahsese“ [Segnung], die nur von Schamanen durchgeführt wird, und die zweite nutzt Heilpflanzen, die vom Regenwald angeboten werden.

„Diese Behandlungen reduzierten in der Vergangenheit oft die durch Ansteckungen verursachten Todesfälle. Und ich kann sagen, dass das Gleiche während der Covid-19-Pandemie passiert ist. An den entlegensten Orten, wo die westliche Medizin nicht hinkommt, behandeln sich die Ureinwohner mit ihrem eigenen Wissen“, sagt der Tukano.

Krankheiten als Ergebnis menschlicher Schlechtigkeit

Der Ursprung des neuen Coronavirus ist noch unbekannt, obwohl zu Beginn der Pandemie verbreitet wurde, dass der Erreger von Fledermäusen stammen könnte. Für João Paulo haben die indigenen Völker jedoch bereits die Antwort.

„Unsere Vorstellung ist, dass der Mensch aus verschiedenen Elementen besteht, die über den physischen Körper hinausgehen. Jedes dieser Wesen, die unsere Umgebung bewohnen, wird angreifen, wenn Sie sich mit ihnen anlegen. Und in diesem Zusammenhang sehen wir die Ausbeutung von Holz, das Aussterben von Tieren und andere Degradierungen. Mit anderen Worten, für uns, die Ureinwohner, ist dies der Ursprung dieser Krankheiten. Das Schlimmste ist, dass sie immer noch Fledermäuse, Schweine und andere Wesen für das Auftreten des Virus verantwortlich machen. Für uns ist es offensichtlich, dass, wenn man eine Beziehung des Ungleichgewichts mit der Natur aufbaut, dann ist dies ihre Reaktion: sie schlägt zurück“, kommentiert der Tukano-Indio.

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