Indigene Geschichte und Kunst steht 2023 im Mittelpunkt des Kunstmuseum MASP

Das Kunstmuseum von São Paulo (MASP) eröffnete am 24.03.2022 drei neue Wechselausstellungen. In allen Ausstellungen geht es um indigene Geschichte, ein Thema, das für das Programm des Museums während des gesamten Jahres 2023 gewählt wurde – es soll die Vielfalt und Komplexität der indigenen Kultur darstellen – und außerdem das Schweigen der offiziellen Kunstgeschichte zu diesem Thema diskutieren.

Indigene Kunst im Kunstmuseum MASP – Foto: Fernando Frazão/AgenciaBrasil

Ich halte dies für einen großen Schritt in Richtung auf die Anerkennung indigener Kunst und indigener Künstler, die in der Vergangenheit ausgeschlossen waren und am Rande der Museen standen – heute werden sie eingeladen, in diesen Einrichtungen mitzuwirken, insbesondere in der MASP“, das sagte Edson Kayapó, Assistenzkurator für indigene Kunst in der MASP, während eines Interviews

Eine der eröffneten Ausstellungen ist “Carmézia Emiliano: Der Baum des Lebens“, mit Gemälden, die das tägliche Leben der Gemeinschaft der indigenen Künstlerin aus dem Volk der Macuxi zeigen. Die zweite und größte der Ausstellungen ist “Mahku: Mirações“, in dem Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen der ethnischen Gruppe “Huni kuin“ präsentiert werden. Im Videosaal des Museums werden Kurzfilme des Kollektivs “Bepunu Mebengokré“ gezeigt.

„Mit diesen Ausstellungen wird das Jahr der indigenen Geschichte (in der MASP) eingeleitet. Sie beschäftigt sich mit verschiedenen Medien, Trägern und Sprachen dieser Produktion und zeigt die Vielfalt, die in der indigenen Geschichte enthalten ist, eine Geschichte, die in Brasilien lange Zeit nicht konsequent aufgearbeitet wurde“, erklärt die Assistenzkuratorin.

Es ist nicht das erste Mal, dass indigene Kultur in den Räumen des Museums zu sehen ist. Im Laufe seiner Geschichte hat das MASP mehrere Ausstellungen mit Objekten und Aufzeichnungen von indigenen Gemeinschaften auf brasilianischem Territorium präsentiert, wie zum Beispiel die Ausstellung indigener Kunst im Jahr 1949. Alguns Indios (1983), Arte Karajá (1984), Índios Yanomami (1985) und Arte Indígena Kaxinawa (1987). Im Jahr 2019 bekam die MASP auch seine erste indigene Kuratorin, Sandra Benites. „In den 1970er Jahren hat das Museum eine Reihe von Ausstellungen mit Indigener Kunst gezeigt.

Aber jetzt ist ein neuer Zeitpunkt gekommen. Dies ist ein Jahr, das ganz der indigenen Geschichte gewidmet ist, aber mit Schwerpunkt auf die zeitgenössische indigene Kunstproduktion. Jetzt geht es um die Akteure, die eine eigene Identität und ihren eigenen Stil haben“, sagte der Kurator von MASP.

Carmézia Emiliano

Unter dem Titel „Carmézia Emiliano: Der Baum des Lebens“ zeigt die Ausstellung 35 von der Künstlerin gemalte Bilder auf Leinwand, acht davon sind neu und wurden speziell für diese Ausstellung entwickelt. Die Gemälde zeigen und reflektieren Landschaften und das tägliche Leben der Gemeinschaft dieser Künstlerin. Die Macuxi sind ein indigenes Volk, das in der “Maloca do Japó, Normandia“ lebt, im Bundesstaat Roraima. Die Ausstellung wird von Amanda Carneiro kuratiert.

„Der Baum des Lebens, auch “Wazaká“ genannt, ist ein bedeutendes Thema in der Produktion von Carmézia, er steht in Verbindung mit “Macunaima“, einem den Brasilianern gut bekannten Roman, und erzählt von einem Mythos, in dem ein belaubter Baum gefällt und sein Stamm in den Berg Roraima verwandelt wurde.

Dies wurde zum Motto dieser Ausstellung, welche die Fähigkeit demonstriert, Wissen und indigene Erfahrungen zu erneuern und zu bewahren“, erklärt die Kuratorin. Die 1960 geborene Autodidaktin Carmézia begann zu malen, weil der Besuch einer Kunstausstellung in Boa Vista (São Paulo) sie besonders beeindruckt hatte.

„Carmézia Emiliano ist eine Macuxi-Künstlerin, die in den 1990er Jahren mit ihrer Produktion begann und vor allem stets Themen des Gemeinschaftslebens und diese zutiefst respektvolle Beziehung zwischen den Macuxi und der Natur darstellte“ erklärt die Kuratorin. Ihre Malerei bringt leuchtende Farben, viel Bewegung und Elemente der Mythen der Macuxi auf die Leinwand.

Die Ausstellung beginnt mit einem Selbstporträt der Künstlerin, auf dem sie den Berg Roraima darstellt. Dieses Gemälde bildet das erste der sieben Bilder, mit denen die Werke Carmézias in der Ausstellung präsentiert werden. Es gibt auch Darstellungen, die den Tänzen, den spielerischen Manifesten, der Kollektivität, den Darstellungen von Fauna und Flora, den Flüssen und der Übertragung von Wissen gewidmet sind.

„Die Gemälde wurden in Themen unterteilt, die von der Künstlerin eine detailliertere Ausarbeitung wiedergeben, wie zum Beispiel die Figuration des Berges Roraima, der Tanz zum “Parixara“, einem Fest, das zur Feier der Maniokernte stattfindet; die Spiele, die mit dem Anbau verbunden sind, die Formen der Wissensweitergabe und die Beziehung des Gemeinschaftslebens – unter anderem“, so der Kurator. MASP wird auch einen Katalog mit Reproduktionen von Werken der Künstler herausgeben, sowie entwickelte Essays speziell über diese Ausstellung, die bis zum 11. Juni zu sehen sein wird.

Bepunu-Mebengokré Kollektiv

Die Herstellung von Graphiken in den Ritualen der Körperbemalung wird in zwei Kurzfilmen dargestellt, die im Videoraum des MASP gezeigt werden. Die vom “Kollektiv Bepunu-Mebengokré“ produzierten Filme zeigen die Gewinnung der Pigmente bis hin zu ihren symbolischen und überlieferten Bedeutungen.

Indigene Kunst im Kunstmuseum MASP – Foto: Fernando Frazão/AgenciaBrasil

Das Kollektiv wird von dem jungen Filmemacher Bepunu Kayapó geleitet, die eine führende Rolle bei der Präsentation der Geschichte und Vorfahren des Mebengokré-Volkes übernommen hat und neue Filmemacher ausbildet. Bepunu ist der Sohn des Häuptlings Bepkaeti und lebt in dem Dorf Moikarakô, in der Gemeinde São Félix do Xingu, im Süden des Bundesstaates Pará.

„Das Kollektiv entstand aus der Bewegung, indigene Filmemacher auszubilden, die aus dem Mebengokré-Volk stammen“, so der Kurator, der selbst ein Mebengokré ist.“Unsere Kunst hat viel vom Ziel, zu zeigen, wer wir sind, was wir tun, welche Sprachen wir sprechen, wie viele wir sind und wie wir leben“, sagte er.

Der erste Kurzfilm, “Menire djê“sind Grafiken von Mebengokré-Kayapó Frauen (2019)“, er schildert den Herstellungsprozess der Jenipapo-Tinte – von der Ernte bis zur Mischung mit gemahlener Holzkohle – um ihr die richtige Pigmentierung und Konsistenz für das Auftragen auf den Körper zu verleihen.

Der zweite Kurzfilm, “Mê’ok – unsere Farben (2014)“, zeigt eine Reihe von Interviews und Kinder, die mit der Bemalung von Jenipapo und Urucum durch ihre Mütter aufwachsen. „Frauen sind die Produzentinnen der Jenipapo- und Urucum-Farben schlechthin, und sie sind jene, welche auch die Körperbemalung herstellen“, erklärt die Kuratorin.

Einer der gezeigten Filme ist kürzer und konzentriert sich auf die Rolle der Frauen in dieser Bewegung der Farbstoff- und Malereiherstellung. Der andere Film bringt mehr Elemente, die mit Traditionen, Abstammung und Kosmologien verbunden sind.

Bis zum 4.Juni ist im zweiten Untergeschoss des Museums die größte Ausstellung zu sehen, die den Namen “Mahku“ trägt. Eine ethnische Gruppe der “Huni-kuin“, die im Bundesstaat Acre, an der Grenze zu Peru, lebt. Die Kuratoren sind Adriano Pedrosa, Guilherme Giufrida und Ibã Huni-kuin. „Dies ist die erste große individuelle Retrospektive dieses Kollektivs“, sagte der Kurator.

Die Ausstellung feiert das zehnjährige Bestehen der Gruppe, die offiziell im Jahr 2013 gegründet wurde, obwohl sie schon viel früher, in den frühen 2000er Jahren, im Rahmen der indigenen Studiengänge an der Bundesuniversität von Acre zu arbeiten begann. „Damals wurden in der Universität Workshops begonnen, die viele der mündlichen Praktiken des Volkes der Huni-kuin auf Papier und in Zeichnungen zu übertragen, so als wären es Musiknoten“, erklärt die Kuratorin.

Die Ausstellung “Mahku- Mirações“ präsentiert rund 110 Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen, die Übersetzungen darstellen von Gesängen und, Mythen, welche die Geschichte der Vorfahren und Visionen der Gruppe zum Ausdruck bringen. „Das Rohmaterial für Bepunus Arbeit sind die “Mirações“ (Wunder) – wie sie es nennen, und die sie in den Ayahuasca-Ritualen erleben und visualisieren, genannt “Nixi pae“, fügt die Kuratorin hinzu.

“Nixi pae“ sind die heiligen Getränke, die aus dem Mythos der Boa constrictor stammen, einem Tier, das in den Bildern der Gruppe häufig präsent ist und als Wesen der Transformation gilt. Der Mythos erzählt von der Begegnung Yube Inu‘s, einem indigenen Mann, mit Yube Shanu, der Boa-Constrictor-Frau. Der indigene Mann verliebt sich in sie und beginnt, mit dem Volk der Boa Constrictor zu leben.

Dort nimmt er das heilige Getränk zu sich und erlebt Wunder. Wegen eines Moments der Eifersucht seitens seines Schwiegervaters wurde Yube Inu von der Boa Constrictor gebissen und erkrankte, doch bevor er starb, kehrte er zu seinen menschlichen Gefährten zurück und brachte ihnen das Rezept für das Getränk bei. Dies war der Moment, in dem der Mensch in das Universum der Boa Constrictor übergetreten war und ihre Welt kennenlernte, das Rezept für das Getränk lernte und die Welt von diesem Paradigma aus betrachtete“, so die Kuratorin.

Die in dieser Ausstellung präsentierten Werke haben große Dimensionen und satte Farben, immer in leuchtenden und intensiven Tönen. Die Farben verweisen auf das psychedelische Universum, das die Künstler während der Rituale mit dem Ayahuasca-Getränk erlebten. Die Bilder sind reichlich aufgeladen mit Boas und Alligatoren, die ständig auf jeder Leinwand auftauchen.

Es gibt auch Werke, die speziell für die MASP angefertigt wurden, um die Avenida Paulista darzustellen – von oben gesehen, mit Gebäuden und Autos, die offensichtlich auf dem Boden liegen. Ein Blick der indigenen auf die urbane Welt.

Indigene Kunst im Kunstmuseum MASP – Foto: Fernando Frazão/AgenciaBrasil

Ein weiteres Highlight dieser Ausstellung ist ein Wandgemälde in leuchtenden Farben, an den Seiten der roten Rampe des Museums, die das erste und zweite Untergeschoss miteinander verbindet. „Es ist üblich, dass sie auch Wandmalereien präsentieren, die speziell für die Architektur des Kunstmuseums gedacht sind, das wird natürlich später wieder von uns gelöscht“, sagt der Kurator.

“Wir hatten die Idee, sie einzuladen, die Rampe selbst zu bemalen. Die Genehmigungen wurden bei “Iphan“ (dem Institut für historisches und künstlerisches Erbe) und dem “Condephaat (Rat für den Schutz historisches, künstlerisches und touristisches Erbe) und dieser provisorische Eingriff wurde für ein Jahr genehmigt“ – es handelt sich um ein Wandgemälde von 200 Quadratmetern. Die ganze Gruppe ist extra aus dem Acre angereist, um dieses Bild zu erschaffen. Es war eine sehr harte Arbeit, und ich denke, dass es die Besucher beeindrucken wird“.

Neben den Gemälden, Skulpturen, Zeichnungen und dem Wandgemälde auf der Rampe wird die Ausstellung auch einige Huni-khuin-Lieder präsentieren, die aufgenommen und ins Portugiesische und Englische übersetzt wurden.

Weitere Informationen zu den Ausstellungen sind auf der Website des Museums zu finden. Dienstags ist der Eintritt zur MASP frei

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