Rio Carnaval 2008: Gericht verbietet Motivwagen mit Holocaust-Thema

Rio de Janeiro, 31. Januar 2008

Darf man im Carnaval politisch werden? Darf man an den Holocaust und seine schrecklichen Auswirkungen erinnern? Diese Frage steht derzeit in Rio de Janeiro im Raum.  Drei Tage vor ihrer Parade im Sambódromo von Sapucaí ist der Sambaschule Viradouro der Präsentation eines ganzen Themenbereiches samt Motivwagen per einstweiliger Verfügung gerichtlich untersagt worden.

motivwagen-2008Die Richterin Juliana Kalichsztein entsprach dem Eilantrag des Anwaltes der israelitischen Gesellschaft von Rio de Janeiro, Ricardo Brajterman und verbot neben einem Motivwagen auch sämtliche Kostüme, die an die Nazidiktatur und Adolf Hitler erinnern. Gegen die Verfügung sind jedoch noch Rechtsmittel zugelassen.

Die Sambaschule hat einen Motivwagen vorbereitet, auf dem ein als Hitler verkleideter Sambatänzer über einer riesigen Skulptur von dutzenden grauen, toten, nackten, extrem abgemagerten und übereinander gestapelten Menschen trohnt. Allerdings sollten seitliche Beschriftungen sowie ein grosses Schild mit der Aufschrift “Holocausto nuca mais“ – “nie wieder Holocaust“ auf den entsprechenden Kontext hinweisen und somit auch einen bildungspolitischen Anspruch vermitteln.

Für Brajterman ist jedoch der Völkermord der Nationalsozialisten nicht nur ein ungeeignetes Thema an sich für den Carnaval, die Präsentation sei vielmehr respektlos gegenüber allen Juden, Homosexuellen, Zigeunern und anderen Gruppen, die durch die Nazidiktatur verfolgt wurden.

Laut dem richterlichen Entscheid droht der Sambaschule ein Bussgeld von 200.000 R$ (ca. 77.000 Euro), sollte sie den Motivwagen in dieser Form bei der Parade einsetzen. Für jedes von einem Teilnehmer verwendete Kostüm, welches mit Hitler oder den Nationalsozialismus assoziiert werden kann, wird eine weitere Strafe von 50.000 R$ (ca. 19.000 Euro) fällig. Allerdings könnte nach Aussage von Brajterman der Wagen komplett abgedeckt und ohne kostümierte Beteiligte durchaus auf die Strecke gehen.   

In seiner Begründung erklärte der Rechtsanwalt, dass der brasilianische Karneval, und gerade der Karneval in Rio de Janeiro eine weltweit bekannte Veranstaltung ist, die über verschiedene Medien innerhalb und ausserhalb Brasiliens übertragen wird. In seiner Essenz sei es eine fröhliche und entspannende Veranstaltung, die auch auf wichtige Dinge im Laufe des Jahres aufmerksam machen kann, aber ein Event von diesem Ausmass darf nicht dafür benutzt werden, um den Hass oder gleich welche Form des Rassismus zu schüren, und ganz klar auch keine schrecklichen Ereignisse und ungerechten Praktiken gegenüber Minderheiten banalisieren, ganz speziell nicht über die sechs Millionen Juden, die von Adolf Hitler ausgelöscht wurden.

Wie Mitarbeiter der Sambaschule mitteilten, sei man bislang nicht offiziell informiert worden. Die Rechtsabteilung von Viradouro wurde bereits intern benachrichtigt, hat aber bis zum Redaktionsschluss noch keine Stellungnahme abgegeben.

Dietmar Lang für BrasilienPortal
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