Das Pantanal von Mato Grosso bedroht von einer Umweltkatastrophe

Die sonntägliche TV-Reportage “Fantástico“ hat die Aufmerksamkeit ihres Publikums auf eine ambientale Katastrophe gelenkt, die ein Paradies Brasiliens bedroht: das Pantanal von Mato Grosso. Vierzig Jahre der Aggression auf die Umwelt führten zu einer gigantischen Überschwemmung, die ein Gebiet betrifft, welches zehnmal so gross ist, wie die Fläche der Stadt Rio de Janeiro – die Wasser des Rio Taquari haben Fazendas überschwemmt und den Eigentümern der Region grosse Verluste beschert. Die Natur schlägt zurück!

Das Pantanal, grösste überschwemmbare Ebene des Planeten und einzigartiges Refugium wild lebender Tiere beider Amerikas, entzückt die Naturliebhaber aus aller Welt. Das Pantanal, das nur wenige kennen, ist ein Friedhof der Bäume. “Hier haben wir vorher Rinder gezüchtet – jetzt ist hier nur Wasser“, sagt ein Fazendeiro.

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Die Flut kommt lautlos. Die Ursache ist auf der höher gelegenen Umgebung zu suchen, weit weg vom Pantanal. Schon vor dreissig Jahren hat man die native Vegetation in Weideland und Plantagen verwandelt, auf Böden, aus denen die Quellen der Flüsse entspringen, die das Becken des Rio Taquari bilden. Zu jener Zeit hatte man keine Ahnung von den Auswirkungen, welche die Abholzung auf den Fluss haben würde. Ohne die Verankerung der Erde durch die Wurzeln der Bäume konnte die Degradierung des Bodens ihren Lauf nehmen.

Der Regen schwemmte im Lauf der Jahre Tausende von Tonnen Sand in den Fluss und füllte sein Bett. Die Macht der Strömung suchte sich neue Abflusswege, sie formte neue Flussarme und leitete mehr als die Hälfte des Wassers auf Umwegen durch das flache Land. Zwischen Dezember 2011 und März 2012, während der Regenzeit in Mato Grosso, wurde eine Fläche von 11.000 Quadratkilometern überflutet. Eine Fazenda mit 16.000 Rindern, die auf dem nativen Weideland grasten, wurde vom Rio Taquari überflutet – jetzt sieht es hier aus, wie in einem Garten unter Wasser.

“Ganz sicher das grösste ambientale Problem des Pantanal. Der Kern jener kleinen Besitztümer des Pantanal existiert heute nicht mehr wegen jener Katastrophe. Und der wirtschaftliche Verlust daraus, sowohl der Viehzucht wie der Fischerei, ist beträchtlich“, sagt der Direktor des Umweltinstituts von Mato Grosso.

Die Herausforderung der Equipe des TV-Fantástico waren die durch das Wasser isolierten Örtlichkeiten, wo die Bewohner wie auf Inseln leben. Die Reporter fuhren den Rio Paraguai per Boot hinunter, bis zu einem einmündenden Fluss, der sie in die überschwemmte Region brachte. Das Wasser ist kristallklar, man kann den Boden sehen. Es gibt kleinere Wäldchen-Gruppen, die das Wasser noch überragen.

Nur wer in der Taquari-Region wohnt, kennt die Wasserwege. Eingeborene Fischer führten die Reporter durch die wuchernde Vegetation. Es gibt keine Karten von diesen Gebieten, weil sich die Wege des Wassers Jahr für Jahr ändern. Nach zirka vier Stunden Bootsfahrt erreichten sie schliesslich festes Land. Zum ersten Mal wurden die isolierten Bewohner von einem TV-Team besucht.

Seu ist der Sohn eines reichen Fazendeiros. Er hat in Rio und São Paulo studiert, musste aber ins Pantanal zurück, als das Wasser begann, den Besitz seiner Familie zu überfluten. “Mein Vater hatte mehr als eintausend Köpfe Vieh. Heute haben wir noch 120 – 150. Und damit müssen wir leben. Das Pantanal stirbt mit zunehmender Schnelligkeit”, sagt er. “Es gab mal eine Fazenda mit Namen “Corixão“, die gehörte meinem Onkel – er musste sie verlassen. Ich schätze, dass es in dieser Region etwa dreissig Fazendas oder mehr gibt. Verschiedene Nachbarn sind schon weggezogen”.

Während man über der Wasserfläche Zeichen davon entdeckt, dass die Vegetation so viel Wasser nicht verkraftet, demonstriert die Natur im kontinuierlichen Überschwemmungsgebiet des Rio Taquari ihre Widerstandskraft. Bei einem Tauchgang in den offenen Kanälen zwischen der Vegetation entdeckt man unter Wasser ein anderes Pantanal – ein Naturaquarium. Bunte Pflanzen und verschiedene Rottöne – ein Garten unter Wasser. Geschützt durch die Vegetation, halten sich hier Schwärme von Fischen auf. Wurzeln bilden verschlungene Labyrinthe. Piranhas nutzen die Wurzeln der Wasserpflanzen, um ihre Eier an ihnen abzulegen – und sie verteidigen ihre Gelege. “Die Piranhas nähern sich auf bis zu fünf Zentimeter und beissen niemanden“, bestätigt ein Dokumentarist.

Am nächsten Tag lernt die TV-Equipe ein anderes Rückzugsgebiet kennen. Armando ist ein traditioneller Fazendeiro der Region, aber auch seine Zeit der Überflusses ist vorbei. “Das Problem dieser Region ist nicht die Überschwemmung. Die gab es schon früher, und noch viel grössere. Jedes Jahr gibt es eine Überschwemmung – die gehört zum Pantanal, und die braucht die angepasste Tierwelt des Pantanal – sie bringt neue Nährstoffe für die Mikrofauna und von der ernähren sich die grösseren Tiere. Damals, nach einer grossen Flut, kam auch regelmässig eine grosse Trockenheit – das ist heute nicht mehr so, das Wasser läuft nicht mehr so schnell ab“, beschreibt er die Situation.

Weiter per Boot auf dem Rio Mata Cachorro, hält die Equipe zwischen den dichten Wasserpflanzen an. Man gleitet ins Wasser, ohne den Untergrund zu berühren, sonst wirbelt man die organische Materie vom Grund auf und trübt das kristallklare Wasser. “Plötzlich, inmitten einer ambientalen Katastrophe, tut sich das Labyrinth eines der phantastischsten Süsswasser-Tauchgebiete vor uns auf“, schwärmt der Dokumentarist.

Ein Zeichen für die Anpassungsfähigkeit der Natur. Aber das Problem ist damit nicht gelöst. Schon beginnt die native Vegetation rund um die Quellen sich zu erholen, um die Wälder wieder aufzuforsten und damit zu verhindern, dass noch mehr Erde und Sand zum Fluss hinunter gleitet. Aber das Ergebnis kann Jahrzehnte auf sich warten lassen. Seu kann nicht mehr abwarten, dass sich die Flut verläuft.

“Meine Kinder verdienen es nicht, dass ich ihnen ein Erbe hinterlasse, das keine Zukunft hat. Wegen der Erziehung meiner Kinder muss ich weggehen. In der heutigen Situation, in der ich mich befinde, kann ich meinen Kindern hier nichts mehr bieten“, lamentiert er.

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