Von Samba keine Spur: WM-Abschied im Pfeifkonzert

RS12660_w_24-scrGellende Pfiffe begleiteten die ehemaligen Stars der Seleção in die Kabine. Und das Pfeifkonzert war mehr als berechtigt. Nach der demütigenden 1:7 – Halbfinalniederlage gegen Deutschland hat Brasilien auch das Spiel um Platz 3 klar verloren. 0:3 (0:2) hieß es am Ende aus Sicht der Kanariengelben, zehnmal musste Brasiliens Keeper Julio Cesar damit in den letzten 180 Minuten Spielzeit hinter sich greifen.

Wie gegen die Löw-Elf gelang dem fünffachen Weltmeister auch gegen die Oranje einfach gar nichts. Dabei sollte doch gerade das Spiel gegen die Elftal keine Fortsetzung des verpatzten Halbfinals werden. Es ging mehr um die Ehre als um den undankbaren dritten Platz. Selbst Superstar Neymar hatte sich vom Krankenlager erhoben und war bereits am Donnerstag wieder zur Seleção gestoßen. In Brasília feuerte er seinen Mannschaftskameraden von der Ersatzbank aus an. Doch auch das half wenig.

Nationaltrainer Luis Felipe Scolari hatte nach der höchsten Niederlage in der brasilianischen WM-Geschichte die Mannschaft gleich mehrfach umgestellt. Für den mehr als schwachen Fred rückte Jô in die Startelf, Maicon sollte die Arbeit von Bernard übernehmen. Auch Bayern-Star Dante musste zusehen, auf seiner Position spielte wieder der gegen Deutschland gelbgesperrte Thiago Silva. Zudem standen Maxwell und Willian im Aufgebot, sie sollten anstelle von Marcelo und Hulk für entsprechende Offensivkraft sorgen.

Doch gleich zu Beginn bekamen die Zuschauer einmal mehr einen fliegenden Arjen Robben zu sehen. Der Angreifer von Bayern München legte sich vor der Strafraumgrenze theatralisch flach, nachdem Thiago Silva ihn gehalten hatte. Der algerische Unparteiische Djamel Haimoudi sah es allerdings anders und entschied auf Strafstoß und bedachte den Seleção-Kapitän mit Gelb. Van Persie verwandelte sicher sich und nach drei Minuten Spielzeit geriet Brasilien erneut in Rückstand.

Nach diesem turbulenten Auftakt hatte die Gastgeber große Mühe, überhaupt ins Spiel zu finden. Die mehr als verunsicherten Akteure auf dem Platz überzeugten in ihren kanariengelben Trikots eigentlich nur durch zahlreiche Fehlpässe und Abstimmungsprobleme. Holland nutzte das interne Chaos eiskalt aus und erhöhte durch Blind in der 17. Minute zum 2:0. Die Vorlage, eigentlich ein Befreiungsversuch, kam vom das ganze Spiel über neben sich stehenden David Luiz per Kopf. Allerdings hatte de Guzman bei seiner Flanke vor im Abseits gestanden.

Bis zum Halbzeitpfiff passierte dann nicht mehr viel, von den vorzeitig abziehenden Zuschauern im Stadion oder auf den FIFA-Fanfesten mal abgesehen. Holland lauerte lässig in der Abwehr auf Konter, Brasilien war weit davon entfernt, überhaupt torgefährlich zu werden. Zum Seitenwechsel gab es dann auch schon Pfiffe und einen ersten Vorgeschmack auf das Spielende.

Zu Beginn der zweiten Halbzeit brachte Scolari zunächst Fernandinho für Luiz Gustavo, wenig später kam Hernanes für Paulinho. Am brasilianischen Spiel änderte sich dadurch wenig. Die Seleção rannte weiter gegen eine abwehrstarke Elftal an, die das Ergebnis einfach nur noch über die Zeit retten wollte. So flachte die Partie immer weiter ab und die Pfiffe von den Rängen wurden immer lauter.

Als aufregendste Situation vor dem Abpfiff darf noch das Foul an Oscar in der 68. Minute Erwähnung finden. Nach den eigentlich zwei irregulären Treffern machte der Referee aus Nordafrika weiter mit Fehlentscheidungen auf sich Aufmerksam. Er wertete den Kniefall von Oscar als Schwalbe und zeigte dem Mittelfelder vom FC Chelsea kurzerhand die Gelbe Karte. Die Demütigung des Gastgebers war nun fast abgeschlossen.

Doch es sollte noch schlimmer kommen: in der Nachspielzeit zementierte Wijnaldum den holländischen Sieg durch ein gnadenloses 3:0 und raubt der bereits leblos am Boden liegenden Seleção das letzte bisschen Selbstvertrauen. Und während sich das Team von Coach Louis van Gaal noch feiern liess, waren die Kanariengelben schon längst in den Katakomben verschwunden. Unversöhnt mit den Fans und in der Gewissheit, dass man das letzte bisschen „Jogo bonito“ bei der Heim-WM endgültig zu Grabe getragen hatte.

Die Zukunft von Trainer Luiz Felipe Scolari und zahlreichen Protagonisten auf dem Platz ist damit mehr als vakant. Felipão legte in der anschließenden Pressekonferenz seine Zukunft in die Hände von CBF-Präsident José Maria Marin. Dieser hatte erst am Vortag dem Coach sämtliche Schuld am Debakel gegen Deutschland zugesprochen. Brasiliens Nationalmannschaft steht damit vermutlich ein erneuter Trainerwechsel und ein weiterer Neuanfang bevor.

Matchdaten:
BRASILIEN 0 x 3 HOLLAND
Julio Cesar, Thiago Silva, David Luiz, Paulinho (Hernanes), Oscar, Maxwell, Ramires (Hulk), Luiz Gustavo (Fernandinho), Willian, Jô, Maicon. Cillessen (Vorm), Vlaar, De Vrij, Martins Indi, Blind (Janmaat), Van Persie, Sneijder, Robben, Kuyt, Clasie (Veltman), Wijnaldum
Trainer: Luis Felipe Scolari Trainer: Louis van Gaaal
Tore: 0:1 van Persie (3.); 0:2 Blind (17.), 0:3 Wijnaldum (90.+1)
gelbe Karten: Thiago Silva, Fernandinho, Oscar (Brasilien); Robben, De Guzman (Holland)
rote Karten: keine
Stadion: Estádio Nacional Mané Garrincha, Brasília
Schiedsrichter: Djamel Haimoudi (Algerien)
Zuschauer: 69.349
Datum: 12.07.2014
© 2003-2024 BrasilienPortal by sabiá brasilinfo
Reproduktion der Inhalte strengstens untersagt.
AutorIn: Dietmar Lang · Bildquelle: Bruno Domingos / Mowa Press

Letzte News