Es ist noch nicht lange her, da mischte noch der Drogenhandel die Karten in Rio de Janeiro, und die benachbarten Favelas Vidigal und Rocinha waren Rivalen in der Südzone der Stadt. Jede wurde beherrscht von einer so genannten (Drogen)Fraktion. Dann nisteten sich Einheiten der “Polícia Pacificadora (UPP)“ – eine “Befriedungs-Polizeitruppe“ – bei ihnen beiden ein, und die Situation änderte sich. An diesem Donnerstag (10.07.) fanden sich junge Leute beider Favelas im Yachthafen “Marina da Glória“ ein zum Entscheidungsspiel der “Copa Social“ – einer sozialen WM. Das Fussballspiel war eher eine Integrationsprüfung, als ein Duell von Rivalen.
Das Team der Rocinha, das sich mit den Engländern identifizierte, schoss ein Tor wenige Minuten vor Beendigung der Partie – Rocinha gewann mit 3:2 und präsentierte stolz den Pokal. Es gab keinen Streit, auch keine Drohungen, wie man es sonst in früheren Zeiten gewohnt war – im Gegenteil: Kameradschaft war angesagt. Die traurigen Verlierer, das Team von Vidigal, wurden noch auf dem Spielfeld von ihren Gegnern getröstet.
“Rivalität nur im Spiel. Ausserhalb des Spielfeldes sind wir alle Freunde“, sagte Mike 15 Jahre alt und Sturmspitze der Rocinha, der auch die Tore schoss und anschliessend zum ersten Mal den TV-Kanälen ein Interview geben durfte. Aber die Neuheit machte ihn nicht verlegen. “Unsere Leute haben sehr geschwitzt. Aber der Schweiss bringt uns in Fahrt. Wir haben viel trainiert, bevor wir hierher kamen. Jetzt nehmen wir diesen Pokal mit und werden in der Rocinha feiern. Das hilft uns sogar ein bisschen die Schlappe bei der WM zu vergessen – jetzt ist nur Freude angesagt“!
Die “Copa Social” ist ein Event für junge Leuten des Projekts “Escola Zico 10“, mit dem bereits 90.000 Personen im ganzen Land, seit den sechs Jahren seiner Existenz, Bekanntschaft gemacht haben. Die acht ältesten Kommunen von Rio de Janeiro beteiligten sich an einem Fussball-Turnier, in dem jede eine Weltmeister-Nation repräsentierte. Ausser dem Wettstreit gab es erzieherische Initiativen, Kurse zum Schutz der Umwelt und Erhaltung der Natur und des Friedens in der Welt, sowie Integrations-Aktivitäten innerhalb der Jugend – alle weniger als 15 Jahre alt.
“Es ist schön zu erleben, dass diese Kinder, die an unseren sozialen Projekten teilnehmen, im Verlauf dieser Weltmeisterschaft eine solche Gelegenheit bekommen. Um sich am Projekt beteiligen zu können, müssen sie in die Schule gehen und dort gute Noten bekommen. Wir wissen, dass sie bei den Projekten mitmachen, weil sie Fussballer werden wollen, aber ich sage ihnen immer, dass die Schule mich nie daran gehindert hat, ein guter Spieler zu werden“, erklärt der Ex-Fussballer Zico.
Zico, der heute Fussball-Trainer ist, und der Idealisator des Projekts, war beim Endspiel des Turniers der Kinder anwesend und übergab den Pokal und die Medaillen persönlich. “Diese Kinder nutzen die Chance, die man ihnen gibt. Viele Jugendliche, die dem Projekt beigetreten sind, haben sich zu Studenten verschiedener Fakultäten entwickelt. Das ist unsere grösste Freude. Die Ausbildung zum Fussballspieler überlassen wir dann den Clubs. Unser Ziel ist die Bildung zum Bürger”.
Das Turnier wurde in einer in der Marina da Glória aufgebauten Arena ausgetragen. Das dazu benutzte synthetische Gras wird an die Sieger-Kommune verschenkt und wird dort einen Sportplatz für die Allgemeinheit zieren.