Greenpeace bemängelt Mega-Projekt zur Stromerzeugung im Amazonas-Regenwald

Das im brasilianischen Amazonas-Regenwald geplante Wasserkraftwerk São Luiz do Tapajós bekommt durch eine Greenpeace-Studie starken Gegenwind. Aufs Heftigste kritisiert wird dabei die für das umstrittene Projekt durchgeführte Umweltstudie. Sie diene lediglich zur Rechtfertigung des politisch beschlossenen Vorhabens und weise erhebliche Mängel auf, heißt es in dem am Dienstag (29.) vorgelegten Dokument, das von neun unabhängigen Wissenschaftlern erstellt worden ist.

Durchgeführt wurde die Studie im Auftrag von Greenpeace von Wissenschaftlern renommierter Einrichtungen, wie dem Forschungsinstitut Amazoniens (Inpa), dem Museu Paraense Emílio Goeldi und der Universität Pernambucos. Sie bemängeln an der Umweltstudie für das Genehmigungsverfahren des Wasserkraftwerkes São Luiz do Tapajós Verfahrensfehler und Fehler bei der Bestandsaufnahme. Eine Verschönung der Daten, ein Herunterspielen der Auswirkungen durch das gigantische Bau- und Stauprojekt und nur allgemeine oder unzureichende Aussagen über Ausgleichsmaßnahmen für die enormen Eingriffe in Natur und Umwelt sind weitere Kritikpunkte.

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Die gesetzlich vorgeschriebene Umweltstudie wurde vom zuständigen Energieunternehmen bereits im August 2014 an die brasilianische Umweltbehörde Ibama übergeben. Das Organ hat jedoch „Widersprüchlichkeiten“ ausgemacht und weitere Erläuterung verlangt. Auch wenn das Projekt von offizieller Seite mittlerweile verschoben wurde, wird trotz aller Kritik dennoch daran festgehalten. Präsidentin Dilma Rousseff räumte bei einer Pressekonferenz zwar Fehler ein, stellte jedoch klar, dass dies kein Grund sei, das gigantische Wasserkraftwerk nicht zu bauen. Vielmehr müsse an Verbesserungen gearbeitet werden.

Kritisiert wird in der Greenpeace-Studie unter anderem, dass die betroffenen indigenen Völker und Ribeirinhos (Flußanlieger) vorab nicht gehört wurden, wie dies laut der Konstitution Brasiliens vorgeschrieben ist. In der ersten Fassung der Studie wurden die Indio-Völker nicht einmal erwähnt. Ihr Betreff wurde erst später in einem Anhang nachgereicht. Die dort lebenden Ribeirinhos wurden zudem nicht als traditionelle Völker anerkannt und bleiben somit außen vor.

Darüber hinaus werden die Auswirkungen des Megaprojektes auf die in der Region lebenden über 12.000 Indios Mundurukus heruntergespielt, wie von den Wissenschaftlern konstatiert wird. Gleichzeitig wurde der Prozess zur endgültigen Anerkennung der Terra Indígena Sayré Muybu seitens der Regierung jedoch schon vor Jahren auf Eis gelegt. Von dieser würden sieben Prozent der Fläche unter Wasser gesetzt. Laut Philip Fearnside von Greenpeace entspricht dies 11,7 Millionen Hektar Indiogebiet, darunter auch Plätze die beim Volk der Mundurukus als heilig gelten.

Insgesamt gibt es in der Region 19 Indio-Territorien, von denen bisher jedoch lediglich vier rechtskräftig anerkannt sind. Betroffen sind ebenso acht der zehn dort eingerichteten Naturschutzgebiete und Nationalparks, in denen Tiere und Pflanzen leben, die weltweit nur dort vorkommen. Sieben der Schutzgebiete wurden dennoch bereits 2012 per provisorischen Erlass um 150.000 Hektar ihrer Flächen beschnitten. Zerstört würden durch den Bau der Stau- und Stromanlage ebenso Bereiche des Nationalparks Amazônia.

Der 800 Kilometer lange Tapajós ist einer der letzten barrierefreien, großen Flüsse im Amazonas-Regenwald. Das Wasserkraftwerk São Luiz do Tapajós gehört zu einem Komplex von mehreren Stauseen und Kraftwerken. Bewertet wurde in der Umweltstudie jedoch nur die Anlage São Luiz do Tapajós. Dort wo der Komplex entstehen soll, galt der Amazonas-Regenwald bis vor Kurzem noch als extrem naturnah. Durch die bloße Ankündigung des Projektes wurde allerdings schon eine Goldgräberstimmung in der Region ausgelöst.

Wie enorm die Auswirkungen der Mega-Anlagen für Bevölkerung und Natur sind, zeigt sich am Staukomplex des Wasserkraftwerkes Belo Monte. Nach einer Studie des Instituto Socioambiental hat sich dort die Zahl der Bevölkerung im Nahe gelegenen Altamira um 50 Prozent erhöht, die Zahl der Morde um 79 Prozent, Verkehrsunfälle um 144 Prozent und die Unterernährungsrate bei Indio-Kindern um 127 Prozent. Andere Studien zeigen eine Zunahme von illegalen Kahlschlägen in der Umgebung des Kraftwerkes, sowie die gesetzwidrige Inbesitznahme von öffentlichem Land.

Das Wasserkraftwerk São Luiz do Tapajós ist indes nur eins der insgesamt 40 geplanten oder im Bau befindlichen Megaprojekte in der Amazonas-Region, mit denen die Stromversorgung des Landes gewährt werden soll. Wie gigantisch die Anlage São Luiz do Tapajós ist, zeigen die Angaben für den Bau. Danach sollen dort in der Bauzeit 13.000 Arbeiter beschäftigt werden. Geplant ist ein sieben Kilometer langer Staudamm. Die Zahl der zu installierenden Turbinen wird mit 38 angegeben.

Der von Greenpeace vorgelegte Bericht soll nun an das Staatsministerium, die Organisation der Staaten Amerikas und andere brasilianische und internationale Einrichtungen übergeben werden.

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AutorIn: Gabriela Bergmaier Lopes · Bildquelle: Handout Greenpeace

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