In der Region Vale do Jamari im brasililiansichen Bundesstaat Rondônia, nehmen die Landkonflikte erschreckende Ausmaße an. Laut der Comissão Pastoral da Terra (CPT) sind 2015 in dem Bundesstaat der Amazonasregion 21 Landarbeiter umgebracht worden. Allein in den ersten Wochen dieses Jahres wurden weitere vier Morde und drei Vermisste auf Seiten der Landarbeiter registriert.
Die meisten Konflikte gibt es zwischen Fazendeiros und Mitgliedern der “Movimento dos Trabalhadores Rurais sem Terra“ (MST), der Bewegung der Landarbeiter ohne Bodenbesitz. Aber auch Immobilienspekulationen führen zum Kampf um Land, bei dem oft skrupellos vorgegangen wird.
Während die katholische Landpastorale von einer einseitigen Kriminalisierung der Landlosenbewegung durch die öffentlichen Sicherheitsbehörden spricht, heißt es von der Regierung Rondônias, dass die Polizei gegen das organisierte Verbrechen vorgeht, das in der Landlosenbewegung infiltriert sei. Dass Polizei und öffentliche Stellen zu Ungunsten der Landlosen vorgehen, wird ebenso von der nationalen Agrar-Anhörungsstelle abgestritten. Mit den Polizeieinsätzen werde versucht, die Sicherheit der Eigentümer, deren Mitarbeiter und ebenso der Landarbeiter zu garantieren, heißt es.
Die katholische Landpastorale hat nach eigenen Aussagen hingegen eine “gewalttätige Reaktion der Fazendeiros“ beobachtet, die sich öffentliches Land angeeignet hätten. Berichtet wird unter anderem von “Pistoleiros“, die Ende Januar fünf Jugendliche attackiert haben, nachdem diese nach einer Zwangsräumung eines provisorischen Lagers der Landlosen auf dem Gebiet einer Fazenda zurückgekommen waren, um zurück gelassene Besitzgegenstände zu holen.
Zwei von ihnen gelten seitdem als vermisst, einer wurde getötet. Getötet wurde auch eine Frau, die sich für die Rechte der vom Wasserkraftwerk Jirau betroffenen Fischer eingesetzt hat. Ihr Körper wurde allerdings nicht gefunden. In Jaru wurden drei Sprecher eines provisorischen Lagers der Landarbeiter ermordet.
Medien berichten davon, dass bei einer Festnahme von “Pistoleiros“ (bewaffneten Männern, die oft im Auftrag handeln) Waffen sichergestellt wurden, die eigentlich auf das Militär beschränkt sind. Die Pistoleiros sollen einen Polzeiwagen beschossen haben, der im Einsatz bei Ermittlungen zu einem Vermissten der Landlosenbewegung war. Unter den Pistoleiros soll sich auch ein Sergeant der Polizei befunden haben. Er gilt als flüchtig.
Einen Toten gibt es ebenso auf Seiten der Fazendeiros zu beklagen. Eine schwer bewaffnete Bande hat vor wenigen Tagen im Vale do Jamari einen Großgrundbesitzer erschossen. Berichtet wird zudem von anderen Gewaltfällen, Zerstörung von Eigentum, Diebstahl der Tiere und Morddrohungen.
Offiziell wird von einem Auftragsmord und einer “kriminellen Vereinigung“ gesprochen, die in der Region Angst sähen soll. Nach Angaben der Militärpolizei sind allein in der Region Vale do Jamari 36 Fazendas in Landkonflikte verwickelt.
In keinem anderen Bundesstaat gehen soviele Morde auf das Konto der Landkonflikte wie in Rondônia. Allerdings ist es dennoch ein brasilienweites Problem, das seine Wurzeln in der Geschichte des Landes hat.
Während wenige Fazendeiros knapp 50 Prozent der als für die Landwirtschaft eingetragenen Flächen ihr Eigen nennen, sind Millionen von Landbewohnern nach wie vor landlos oder auf wenige Hektar angewiesen. Nach dem brasilianischen Amt für Statistik (IBGE) sind 144 Millionen Hektar, was in etwa zusammengenommenen Fläche Deutschlands, Frankreichs, Englands und Italiens entspricht, in der Hand von nur 46.000 Fazendeiros.
Etwa die Hälfte der großen Landbesitze wurde 2010 zudem als unproduktiv eingestuft, womit sie der sozialen Funktion des Bodens nicht nachkommen und eigentlich über die Agrarreform neu verteilt werden müssten. Die liegt indes weitgehend auf Eis. Hinzu kommt, dass sich viele der Großgrundbesitzer öffentliches Land einfach angeeignet haben.