Etwa zwei Millionen Menschen haben sich am Sonntag in São Paulo nach Angaben der Organisatoren zur 20. Gay-Parade auf der Avenida Paulista getroffen. Mit 17 Trios Elétricos, Musik und Plakaten haben sie nicht nur gefeiert, sondern ebenso politische und gesellschaftliche Veränderungen gefordert.
Dieses Jahr sind die Transgender im Mittelpunkt der Parade gestanden. Angeführt wurde sie deshalb auch von der Drag Queen Tchaka, die auf dem ersten Trio Elétrico eine Fahne mit dem Buchstaben “T“ mit sich führte, als Ehrung der transsexuellen Männer und Frauen sowie der Transvestiten.
“Mütter für die Vielalt“ lautete der Titel des dritten Wagens, mit dem sich Mütter für die Akzeptanz der LGBT-Gemeinschaft in der Gesellschaft einsetzen. Auch sie haben ein Ende der Homophobie gefordert, gleiche Rechte für ihre Söhne und Töchter und für die Abwehr des Vorhabens im Kongress, per Gesetz den Begriff Familie lediglich Gemeinschaften von Frau und Mann zuzugestehen.
Der Marsch wurde jedoch nicht nur als Aufruf gegen die Intoleranz gegen die LGBT-Kommune (Lesben, Gays, Bisexuelle und Transgender) verstanden. Vielmehr gab es auch Proteste gegen den Aufsehen erregenden Vorfall in Rio de Janeiro, bei dem ein ein 16-jähriges Mädchen von über 30 Männern vergewaltigt worden war.
Begleitet war die Parade ebenso von Protesten gegen Interimspräsident Michel Temer. Unter anderem wird befürchtet, dass bereits errungene Rechte unter seiner Regierung wieder aufgehoben werden könnten. So soll bereits ein Projekt Vorliegen, mit dem das von der suspendierten Präsidentin Dilma Rousseff im April per Dekret erlassene Recht zur Verwendung des “sozialen“ Namens wieder zurückgenommen wird.
Erste Zeichen für einen Konservativismus hat Temer schon mit der Wahl von ausschließlich männlichen Ministern und der Streichung des Ministeriums für Frauen, Rassengleichheit und Menschenrechte gesetzt.
Das Thema der “Parada do Orgulho LGBT“ hat dieses Jahr “Gesetz der Genderidentität sofort – Alle gemeinsam gegen die Transphobie“ gelautet. Mit ihm sollte stärker auf ein Segment der LGBT-Szene aufmerksam gemacht werden, das besonders von Anfeindungen und Problemen betroffen ist.
Brasilien ist das Land, in dem am meisten Transvestiten und Transsexuelle umgebracht werden, wie es in einer Studie der Nichtregierungsorganisation Transgender Europe (TGEU) heißt. Danach sind zwischen Januar 2008 und März 2014 in dem südamerikanischen Land 604 gewaltsame Todesfälle registriert worden.
Laut dem 2012 veröffentlichten Bericht “Homophobische Gewalt in Brasilien“ vom Sekretariat für Menschenrechte sind damals beim Notruf 100 3.084 Anzeigen eingegangen mit 4.851 Opfern unter Lesben, Gays, Bisexuellen, Transvestiten und Transgender. Berichtet wird von 27,34 Verletzungen der Menschenrechte mit homophobischen Charakter pro Tag. An erster Stelle standen mit beinahe 60 Prozent gewaltsame Übergriffe.