Rio de Janeiro: Großbrand zerstört Museum mit 20 Millionen Sammlungsstücken

Eines der bedeutendsten Museen Brasiliens ist Sonntagnacht (2.) von einem Großbrand völlig zerstört worden: das Nationalmuseum in Rio de Janeiro. In Flammen aufgegangen sind über 20 Millionen Gegenstände, Dokumente und seltene Sammlungsstücke, die sich in dem historischen Gebäude befunden haben.

Brand des Museum National in Rio – Foto: Vitor Abdala/AgenciaBrasil

Das Feuer war gegen 19:30 Uhr ausgebrochen und hat sich rasend schnell ausgebreitet. Die Brandursache ist noch unbekannt. Dass die Flammen innerhalb kürzester Zeit alles zerstört haben hat unter anderem an leicht entzündlichen Materialien gelegen, wie es vom Feuerwehrkommandanten hieß. Hinzu kommt, dass sich auch explosive Materialien in dem Museum befunden haben, wie Sammlungen von in Ethanal und Formol eingelegten Tieren.

Eingeräumt werden aber auch Probleme mit dem Zugang zu Wasser. Die Wassermenge der Hydranten sei nicht ausreichend gewesen und ein angeforderter Tanklaster mit Wassernachschub erst 40 Minuten später eingetroffen.

Unter Kontrolle gebracht haben die Feuerwehrleute den Brand erst vier Stunden nach Ausbruch. Da war von dem Museum und seinen kulturellen und naturwissenschaftlichen Schätzen nicht mehr viel übrig. Geblieben ist lediglich die Fassade. Nach Aussagen des Feuerwehrkommandanten konnten nur wenige Dokumente und Gegenstände gerettet werden. Verletzte hat es indes zum Glück keine gegeben.

Das Museum hatte erst im Juni seinen 200sten Geburtstag gefeiert. Gegründet worden war es von Dom João VI. im Jahr 1818. Die Königs- und Kaiserfamilien waren es auch, welche die Grundsteine der Sammlungen gelegt hatten, wie die erste Sammlung ägyptischer Mumien Lateinamerikas, die von Dom Pedro I. gekauft wurden oder Geschenke aus Afrika an die Kaiserfamilie.

Beherbergt hat das Museum zudem Insekten- und zoologische Sammlungen, botanische Sammlungen, Artefakte verschiedener indigener Völker, archäologische Ausgrabungsstücke sowie ethnologische und anthropologische Schätze. In ihm hat sich der größte Meteorit Brasiliens befunden, ein im 18. Jahrhundert im brasilianischen Bahia entdeckter, fünf Tonnen schwerer Meteorit.

Auch der Schädel der “Luzia“, dem ältesten menschlichen Fund Lateinamerikas, war eins der Ausstellungsstücke. Das größte Walskelett des Landes und der erste entdeckte Großsaurier Brasiliens (Maxakalisaurus topai) waren unter den Museumsstücken, sowie Gegenstände aus der Zeit der Ankunft der ersten Europäer.

Von hohem kulturellen und geschichtlichen Wert war ebenso das Gebäude selbst, der “Palácio de São Cristóvão”. Er war die Residenz der Kaiserfamilie. In ihm hat Prinzessin Leopoldina 1822 die Unabhängigkeit Brasiliens von Portugal unterschrieben. 1890/1891 war er Schauplatz der ersten Verfassungsversammlung der Republik, mit der das Ende der Kaiserzeit besiegelt wurde.

1946 wurde das Museu Nacional der Universidade Federal Rio de Janeiro (UFRJ) eingebunden. Damit wurde es ebenso zur wihtigen Forschungseinrichtung, vor allem auch für die Anthropologie.

Mangelnder Brandschutz in Universitäten und Museen
Allerdings scheint die Universität Rio de Janeiros (UFRJ) von Bränden geplagt zu sein. Im August 2017 brach Feuer in einem Studentenwohnheim auf der Ilha do Governador aus. 2011 hat ein Brand ein unter Dom Pedro II 1842 errichtetes Gebäude der Universität teilweise zerstört, den Palácio Universitário da Praia Vermelha.

Wie mangelnde Brandschutzvorkehrungen die kulturellen Schätze Brasiliens bedrohen zeigt aber auch ein anderes Beispiel, das des Museu da Língua Portuguesa. Das im Zentrum São Paulos an der historischen Estação da Luz gelegene und der portugiesischen Sprache gewidmete Museum ist im Dezember 2015 samt seiner Sammlung ein Opfer der Flammen geworden und teilweise zerstört worden.

Schon damals hat der damalige Kulturminister stärkere Investitionen in Vorkehrmaßnahmen gefordert und den enormen Verlust durch den Brand beklagt. Viel geändert hat sich seitdem nicht. Drei Jahre später beklagt der derzeitige Kulturminister, Sérgio Sá Leitão die nächste Tragödie, den Großbrand im Nationalmuseum in Rio de Janeiro.

Er spricht ebenso davon, dass mehr auf Kulturerbe und Museen geachtet werden sollte und von notwendigen Investitionen, um Ähnliches in anderen Museen zu vermeiden. Eingeräumt wird von ihm zudem ein “Versäumnis“ in der Vergangenheit.

Über all den notwendigen Investitionen hängen hingegen die seit Jahren anhaltende Wirtschaftskrise und das Sparpaket der Regierung Michel Temers wie schwarze Wolken. Mit dem ist es nicht nur zu enormen Haushaltskürzungen gekommen. Vielmehr wurden auch die Budgets in Kultur, Bildung und anderen Bereichen für die nächsten 20 Jahre eingefroren.

Nationalmuseum seit Jahren vernachlässigt
Das jetzt völlig zerstörte Nationalmuseum hat schon seit Langem unter der Finanzkrise des Bundesstaates Rio de Janeiros und unter Geldmangel gelitten. Theoretisch hätte die Universität Rio de Janeiros (UFRJ) jährlich 550.000 Reais (umgerechnet derzeit etwa 118.000 Euro) beisteuern sollen. Seit drei Jahren hat das Museum laut Medienberichten nur 60 Prozent davon erhalten.

Dringend notwendige Restaurierungen wurden immer wieder verschoben. Filmaufnahmen zeigen bröckelnden Putz und auch von Termiten zerstörte Holzgestelle, die eigentlich ein Dinosaurierskelett hätten tragen sollen. Einige der Säle mussten gar wegen der Probleme für Besucher gesperrt werden.

Wie sehr das Museum unter fehlenden Zuschüssen gelitten hat, zeigt auch das Beispiel eines virtuellen Aufrufes. Über das Internet hatte die Einrichtung mit Crowdfunding versucht, das notwendige Geld für die Renovierung von zumindest eines der Säle aufzubringen.

Von staatlicher Seite ist die enorme Wichtigkeit des Museums die vergangenen Jahrzehnte verschlafen worden. Das Blatt schien sich erst im Juni dieses Jahres zu wenden, als die Einrichtung ihr 200stes Jubiläum gefeiert hat.

Zu der Gelegenheit wurde laut Kultusminister Sérgio Sá Leitão ein Projekt zur Revitalisierung des Nationalmuseums unterzeichnet. Der Umsetzung des Planes ist jedoch der Brand von Sonntagnacht zuvorgekommen.

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AutorIn: Gabriela Bergmaier Lopes

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