Brasilien wählt ultrarechten Bolsonaro zum Präsidenten

Die Mehrheit der brasilianischen Wähler hat sich bei den Präsidentschaftswahlen für den ultrarechten Populisten Jair Messias Bolsonaro entschieden. Der 63-jährige Ex-Militär wird ab Januar 2019 neuer Präsident Brasiliens sein.

Wahlen 2018 – Foto: Fabio Rodrigues Pozzebom/AgenciaBrasil

Bei der Stichwahl am Sonntag (28.) haben knapp 57,8 Millionen der 147 Millionen Wähler Brasiliens für Jair Bolsonaro gestimmt. Damit sind auf den umstrittenen Politiker 55,13 Prozent der gültigen Stimmen entfallen. Sein Gegenpart, Fernando Haddad von der Arbeiterpartei PT hat mit mit gut 47 Millionen Stimmen lediglich 44,87 Prozent erzielt.

Vorausgegangen ist dem die turbulenteste Wahlperiode, die das südamerikanische Land bisher in seiner jungen Demokratie erlebt hat. Geprägt war sie von Fake News, populistischen Phrasen und auch von Demonstrationen und Gewalt.

Noch zu Beginn des Wahlkampfes war die Arbeiterpartei PT mit den wegen Korruption und Geldwäsche verurteilten und inhaftierten Ex-Präsidenten Luiz Inácio da Silva ins Rennen gegangen. Nachdem dessen Kandidatur Ende August vom Wahlgericht TSE blockiert worden ist, wurde Fernando Haddad erst am 11. September offiziell als Präsidentschaftskandidat der PT aufgestellt. Er schaffte es allerdings nicht, die Beliebtheit Lulas auf sich zu ziehen.

Beim ersten Urnengang erreichte er gerade einmal 29,28 Prozent, während Bolsonaro am 7. Oktober trotz seiner Auszeit 46,03 Prozent erzielte.

Bolsonaro war selbst zu einem der Opfer der starken Polarisierung des Wahlkampfes geworden. Am 6. September ist er bei einer Wahlveranstaltung von einem politisch Andersdenkenden mit einem Messer schwer verletzt worden. Seine Wahlkampagne hat er von da an vom Krankenbett aus und über die sozialen Netzwerke geführt.

Die sind ebenso von Fake News und Halbwahrheiten überschwemmt worden, die sich vor allem gegen die PT und Haddad gerichtet haben.

An öffentlichen Debatten hat Bolsonaro nicht teilgenommen. Er verstand es aber geschickt, die sozialen Netzwerke einzusetzen. Über 17 Millionen Folger soll er haben. Bestückt wurden die aber nicht nur mit Tweets, Videos und Mitteilungen von Bolsonaro selbst.

Nach einer Reportage der angesehenen Tageszeitung Folha de São Paulo sind ihm ebenso Unternehmer zur Hilfe gekommen. Die sollen die massenhafte Versendung von News über WhatsApp beauftragt haben. Die Rede ist von Verträgen in Millionenhöhe.

Unterstützung erhielt Bolsonaro zudem von den evangelikalen Freikirchen, die in Brasilien eigene Radio- und Fernsehsender betreiben und sich einem großen Zuspruch erfreuen. Auch über diese ist der Wahlkampf in ausgestrahlten Predigten zu Gunsten des Militärs betrieben worden.

Zur Polarisierung beigetragen haben auch die Kandidaten selbst. Noch wenige Tage vor der Stichwahl hatte Bolsonaro über ein live ausgestrahltes Video für Brasilien eine nie dagewesene Säuberung versprochen. Befreien wolle er das Land von den „roten Banditen“, Kommunisten, Linke, Populisten und allen voran der PT.

Kurz später kursierte in den sozialen Netzwerken ein Video seines Sohnes Eduardo Bolsonaro. Der war am 7. Oktober mit der höchsten erreichten Stimmenzahl zum Abgeordneten gewählt worden. In dem im Juli aufgenommenen Video drohte er an, dass das Oberste Gericht STF schnell geschlossen werden könnte, sollte es ein Verfahren gegen seinen Vater geben.

Ein solches ist von Haddad beantragt worden, mit dem Vorwurf von illegaler Wahlkampffinanzierung. Bezogen hat sich Haddad dabei unter anderem auf den Artikel der Tageszeitung Folha de São Paulo zu den erkauften WhatsApp-News. Eingeleitet wurde Ermittlungen zu den Fake News hingegen sowohl gegen Bolsonaro als auch Haddad.

Immer wieder ist es während der Wahlperiode zu Demonstrationen gegen und für Bolsonaro gekommen. Gegeben hat es ebenso etliche Skandale. Nach dem ersten Wahlgang am 7. Oktober ist die Polarisierung im Tod von Moa do Katendê gegipfelt. Er hatte in einer Kneipe seine Stimme für die PT kundgetan und ist wenig später von einem Anhänger Bolsonaros erstochen worden.

Ein weiterer Skandal hat die Universitäten betroffen. In neun Bundesstaaten sind diese wegen angeblicher Wahlhilfe Haddads kontrolliert worden. Beschlagnahmt wurden indes Transparente mit der Aufschrift “Mehr Bücher, weniger Waffen“ oder „Marielle Franco anwesend“. Unterbunden worden ist ebenso eine Vorlesung über Faschismus. Auch dazu laufen mittlerweile Ermittungen.

Die Mehrheit der Wähler hat sich dennoch für den ultrarechten Kandidaten ausgesprochen. Die Hauptmotive sind einer Umfrage zu Folge der Wunsch nach Veränderungen, die Abneigung gegenüber der Arbeiterpartei PT und der Wunsch nach mehr öffentlicher Sicherheit.

Dass diese mit mehr Polizeigewalt erreicht werden soll, hat Bolsonaro während der vergangenen Wochen deutlich gemacht. Als erste Maßnahme will er zudem das Waffengesetz ändern und den Zugang zu Schußwaffen erleichtern, wie er sagte.

Seit beinahe drei Jahrzehnten ist Bolsonaro Abgeordneter. Achtmal hat er die Partei gewechselt. Die Miitärdiktatur wird von ihm als fruchtbare Periode bezeichnet und verherrlicht. Seine Stimme zum Impeachment gegen Ex-Präsidentin Dilma Rousseff hat Bolsonaro 2016 zudem Oberst Carlos Ustra gewidmet. Der gilt als Befehlshaber über Folterugen während der Militärdiktatur (1964 – 1985).

Als Alliierte weiß der ehemaige Angehörige der Fallschirmspringerstaffel die Abgeordneten des konservativen Flügels “Bala, Boi e Bíblia“ (Kugel, Vieh und Bibel) hinter sich. Aus seiner Nähe zur mächtigen Agrarlobby macht er keinen Hehl. Die Umweltbehörden verurteilt er indes als Behörden mit „schiitischen“ Methoden, die den Fortschritt aufhalten.

Bolsonaros Wahlsieg wird selbst in Brasilien mit gemischten Gefühlen betrachtet. Bei seiner offiziellen Gratulation zur Wahl zum Präsidenten hat STF-Präsident Dias Toffoli die Treue zur Konstitution angemahnt und an alle appelliert, Hass und Radikalismus zu vermeiden und stattdessen das Land zu vereinen.

Betont hat Toffoli ebenso, dass der gewählte Präsident nicht nur für seine Anhänger, sondern für die gesamte Bevölkerung Regierungsentscheidungen zu treffen hat.

Kurz nach dem sich abzeichnenden Sieg hat sich Bolsonaro indessen mit einem Video zuerst an seine Anhänger gewandt. Einen Protokollbruch gab es ebenso bei seiner ersten öffentlich, übertragenen Ansprache. Bei der wurde zunächst Hand in Hand gebetet, bevor der gewählte Präsident seine Ansprache verlesen hat.

Beendet hat er diese, wie auch schon die meisten seiner Videos, mit “Brasilien über alles und Gott über jeden“.

Entgegen seines Wahlkampftons ist Bolsonaros erste Rede als gewähter Präsident sanfter ausgefallen. Betont hat er, dass er die Freiheit garantieren und für alle Brasilianer regieren wolle. Etliche Brasilianer haben den Wahlausgang mit Kundgebungen und Feuerwerken gefeiert.

Auch vor Bolsonaros Wohnsitz im Nobelviertel Barra da Tijuca in Rio de Janeiro haben sich Hunderte zur Feier versammelt.

Gebrochen worden ist das Protokoll ebenso von Haddad. Der hat seinem Gegner nicht zu dessen Sieg gratuliert, sondern zur Wachsamkeit und Mut aufgerufen.

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AutorIn: Gabriela Bergmaier Lopes

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