Drama und Rätsel über Öl-Katastrophe an Küste Nordostens Brasiliens hält an

Brasilien erlebt seit beinahe zwei Monaten seine bisher größte Öl-Katastrophe. An über 230 Stränden des brasilianischen Nordostens sind bereits Flecken mit schwerem Öl aufgetaucht. Über die Austrittsquelle wird nach wie vor gerätselt. Die Regierung Brasiliens fordert dennoch Erklärungen von Venezuela und will dazu die Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS) anrufen.

Oelteppich im Bundesstaat Sergipe – Foto: SECOM Sergipe

Laut dem brasilianischen Öl-Konzern Petrobras und der Marine des Landes stammt das Rohöl nicht aus Brasilien. Seiner Zusammensetzung nach sei es eine Mixtur aus Venezuela, heißt es offiziell. Wie es an die Küste Brasilien gelangt ist, ist indes unbekannt. Die Spekulationen reichen von einem untergegangenen Schiff bis hin zu einer absichtlichen Einleitung. Möglich wäre auch, dass es von einem Schmuggelschiff stammt.

Während die Ermittlungen laufen, versammeln sich an den betroffenen Stränden Professionelle und Freiwillige, um das Öl einzusammeln und die Strände zu säubern. Seit dem 30. August tauchen an verschiedenen Stellen der Küste des Nordostens über 2.000 Kilometer hinweg immer wieder teerähnliche Ölflecken auf. Betroffen sind touristische Traumstrände, Mangrovenwälder und Schutzgebiete.

Zögerliches Einschreiten der Regierung

Politiker und Gouverneure der neun betroffenen Bundesstaaten sowie Umweltschützer werfen der Regierung des Präsidenten Jair Bolsonaro Unterlassung und ein zu langsames Reagieren vor. Zum Teil musste das Gericht einschreiten, um die Ausbringung von Barrieren zum Schutz von Flussmündungen auszubringen.

Gemeinden, Bevölkerung und Bundesstaaten waren zunächst sich selbst überlassen. In ihrer Hilflosigkeit besetzten Fischer Niederlassungen der Umweltbehörde Ibama und Helfer schrieben SOS-Hilfrufe in den Sand.

Das Militär wurde trotzdem erst vor wenigen Tagen zur Säuberung der Strände zugelassen, nachdem 50 Tage seit dem Bekanntwerden der Katastrophe vergangen waren. Präsident Jair Bolsonaro, der sich derzeit auf einer Asienreise befindet, hat sich bisher vor Ort nicht sehen lassen. Umweltminister Ricardo Salles reiste erst nach Wochen an und auch die Hilfe durch den Staat ist ähnlich wie bei den Bränden in der Amazonas-Region nur schleppend angelaufen.

55 Tage seit dem Auftauchen der ersten Ölflecken hat es gedauert bis Salles in einer bundesweiten Ansprache offiziell zur Katastrophe Stellung genommen hat. Er bestreitet die Kritiken und sagt, dass alles unternommen werde, um Schäden einzudämmen. Ein Problem sei aber, dass die Quelle unbekannt ist. Darüber hinaus sind die Flecken auf See nicht mit Hilfe von Satelliten oder Überflügen auszumachen, da das Öl etwa 1,5 Meter under Meeresoberfläche treibt, wie er konstatiert.

Die einzige Hilfe sei deshalb das Einsammeln des Teers am Strand, sagen Salles und andere Regierungsmitglieder. Vermieden werden soll damit nicht nur ein Kontakt der Badegäste, sondern ebenso eine Rückspülung ins Meer. Mittlerweile wird trotz allem auch versucht, mit Schiffen Flecken auf See aufzuspüren und diese herauszufischen bevor sie die Küste erreichen. Im Einsatz sind laut Umweltminister Salles sieben Schiffe.

Umweltminister kritisiert Umweltschützer

Die Umweltorganisation Greenpeace beschimpfte Salles als “Öko-Terroristen“, die nicht helfen würden. Greenpeace hat am Mittwoch (23.) vor dem Planalto in Brasília als Protest gegen das zögerliche Einschreiten der Regierung Fässer mit Tinte ausgeschüttet. 30 Aktivisten wurden vorübergehend festgenommen. Einige von ihnen müssen mit einer Anzeige wegen Verschmutzung öffentlicher Plätze mit Müll rechnen.

Tatsächlich haben die Umweltbehörden seit dem Amtsantritt Jair Bolsonaros Einbußen hinnehmen müssen. Die Abteilung für Umweltnotfälle war über Monate hinweg ohne Direktor. Erst am 4. Oktober wurde die Stelle besetzt. Aufgelöst wurden ebenso Ratsgremien, darunter eins, das für einen Aktionsplan bei Unfällen mit Öl zuständig war.

Unabsehbare Folgen

Noch ist unbekannt, wie lange die Katastrophe andauern wird. Forscher befürchten, dass sich Teile des schweren Öls am Meeresboden absetzen und bei künftigen Stürmen wieder an Strände gespült werden könnten. Auch die tatsächlichen Auswirkungen auf Mensch und Natur werden sich erst in der Zunkunft zeigen.

Befürchtet wird, dass das hochgiftige Öl den marinen Nationalpark Abrolhos erreichen könnte oder das Rückzugsgebiet der Manatees. Wichtige Brutstätten in Mangrovenwäldern könnten unter dem Öleintrag leiden und letztlich über die Nahrungskette ebenso der Mensch. Vom Gesundheitsministerium wurde bereits ein Monitoringprogramm angekündigt. In Pernambuco mussten zudem 17 Helfer wegen Kontaktallergien und dem Einatmen von Öldämpfen behandelt werden.

An verschiedenen Stellen wurde ein Fischverbot ausgesprochen. Die Folgen werden aber auch dort zu spüren sein, wo die Katastrophe keine Schäden verursacht hat. Fischer beklagen schon jetzt einen Rückgang der Nachfrage, weil Konsumenten aus Angst einer möglichen Kontaminierung auf einen Fischkauf verzichten.

Ebenso in Warnstellung ist die Tourismusbranche. Nicht alle der Strände des Nordostens sind betroffen. Dort wo Teerflecken auftauchen, werden diese umgehend gesäubert. Trotzdem könnten die Zahl der Touristen in der Region schrumpfen.

Eine weitere Unbekannte ist die Entsorgung des Öls. Etwa tausend Tonnen sind nach Regierungsangaben bereits eingesammelt worden. Das meiste davon wird an verschiedenen Stellen in Säcken und Fässern gelagert. Genutzt werden könnte es von der Zementindustrie.

Die hat Interesse angemeldet. Zu einer tatsächlichen Vereinbarung über eine Verbrennung in den Öfen der Zementindustrie ist es bisher jedoch nicht gekommen. Diskutiert wird auch die Entsorgung über Sondermüllgruben. Bis die Frage gelöst wird, stapelt sich der Öl-Abfall zum Teil auch in provisorischen Lagern.

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AutorIn: Gabriela Bergmaier Lopes

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