Löwenäffchen, Ameisenbär und Ozelot nutzen Naturapotheke des Atlantischen Regenwaldes

In Brasilien greifen nicht nur die Menschen auf die Naturapotheke zurück. Videoaufnahmen zeigen, dass auch Löwnäffchen, Ameisenbär, Ozelot und die Marderart Tayra medizinische Pflanzen der Regenwälder nutzen. Beobachtet wurden sie dabei, wie sie sich an der Rinde des Cabreúva reiben und diese ablecken. Das Harz des in Brasilien beheimateten Baumes ist als Perubalsam bekannt. Indigene und traditionelle Völker des Landes schätzen seine heilenden und prophylaktischen Eigenschaften. Zum Einsatz kommt es aber auch weltweit in der Pharma- und Kosmetikindustrie.

Ameisenbär – Foto: TheOtherKev auf Pixabay

Dem Balsam des zu den Schmetterlingsblütlern gehörenden Cabreúva-Baumes (Myroxylon peruiferum) wird zugeschrieben keimhemmend, wundheilend und pilzabtötend zu sein. Darüber hinaus soll er als Schutz gegen diverse Parasiten wirken. Das scheinen auch die Tiere zu wissen und ebenso zu nutzen.

Auf die Funktion der natürlichen Tierapotheke des Cabreúva-Baumes sind die Forscher zufällig gestoßen. Laurence Culot vom Insitut der Biowissenschaften der Universidade Estadual Paulista (Unesp) hat eigentlich an einem Projekt gearbeitet, das Auskunft über die Überlebenschancen von Rotsteißlöwenäffchen in von Menschen veränderten Fregmenten des Atlantischen Regenwaldes geben soll. Bei einer ihrer Exkursionen in den Regenwald haben Culot und ihre Kollegen dann allerdings ein seltsames Verhalten der kleinen Primaten beobachtet.

Eine Gruppe der Löwenäffchen hat sich an einem Baum gerieben. Das alleine ist eigentlich noch nicht ungewöhnlich. Die Primaten tun dies unter anderem, um ihr Revier zu markieren oder ihre Fortpflanzungsbreitschaft anzuzeigen. Die beobachtete Gruppe hat jedoch wesentlich mehr Zeit als üblich damit verbracht, sich an einem Baum zu reiben. Etwa 50 Minuten lang waren sie damit beschäftigt. Außerdem hat sich das Verhalten nicht auf einzelne Tiere beschränkt. Vielmehr haben sich alle Äffchen der Gruppe genüßlich am Baumstamm gewetzt.

Unter anderem haben sie ihre Brust-, Bauch- und Leistengegend vor allem an dem Bereich des Stammes gerieben, an dem der Balsam über der Rinde zu sehen war. Beobachtet wurden Löwenäffchen auch dabei, die Rinde zu manipulieren und den Balsam mit den Häden auf Körper und Schwanz zu verteilen, heißt es in einem durch die Universitäts-Agentur FAPESP veröffentlichten Studienbericht.

Die Beobachtung hat die Neugier der Forscher entdeckt. Weil sie mehr über dieses bisher noch nicht dokumentierte Verhalten der Rotsteißlöwenäffchen herausfinden wollten, haben sie schließlich an drei verschiedenen Orten im Atlantischen Regenwald des Bundesstaates São Paulos selbstauslösende Kameras aufgestellt. Die damit gemachten Videos überraschten die Forscher dann aber noch mehr. Nicht nur die Rotsteißlöwenäffchen besuchten die Cabreúva-Bäume, sondern ebenso Halsbandpekaris, Ringschwanz-Nasenbären, Buschhirsch, Ozelot, Kleiner Ameisenbär, Tayra und Fledermäuse.

Erstaunt hat die Forscher nicht nur die hohe Zahl der verschiedenen Tierarten, die die Cabreúva-Bäume aufgesucht haben. Auch die Frequenz der Besuche hat für Überraschungen gesorgt. Teilweise sind die Tiere von den Kameras alle zwei Tage dabei ertappt worden, wie sie sich wiederholt am Baumstamm reiben oder diesen lecken.

Dass Tiere Pflanzen mit heilender Wirkung benutzen, ist bekannt. Die Selbstmedikation der Tiere hat sogar einen eigenen Namen: Zoopharmakognosie. In der wissenschaftlichen Literatur existieren bisher vor allem für Schimpansen und Gorillas Nachweise der pharmakologischen Nutzung von Heilpflanzen. Für viele andere Tierarten fehlen diese indes noch.

Die Beobachtungsergebnisse Culots und ihrer Kollegen sorgen aber auch deshalb für Aufsehen, weil sie den Nachweis erbracht haben, dass sich eine große Anzahl völlig verschiedener Tierarten den gleichen „Heilbaum“ zu teilen scheint. Beobachtet haben die Unesp-Forscher mit Hilfe der Kameras gleich zehn verschiedene Säugetierarten, die sich an der Cabreúva-Rinde gerieben, den Balsam geleckt oder in diesen hinein gebissen haben.

Darüber hinaus ist für vier der von den Unesp-Forschern beobachteten Säugetierarten ein solches Verhalten bisher noch nicht registriert worden. Als Novum gilt dies für die Marderart Tayra, Kleiner Ameisenbär, Pecari-Wildschwein und ebenso für Fledermäuse.

Um zu bestätigen, dass die Tiere tatsächlich die heilende und parasitenabweisende Wirkung des Perubalsams suchen, sind allerdings noch weitere Studien notwendig, wie Culot betont. Wissenschaftlich belegt werden muss ebenso noch der therapeutische oder präventive Nutzen des Balsams des Cabreúva-Baumes für die Tiere. Dazu wären beispielsweise Tests notwendig, die zeigen, ob der Perubalsam tatsächlich eine gewisse Wirkung gegen Mücken, Parasiten oder andere Krankeitserreger hat.

Doch die Forscher sind animiert, auch wenn es noch viele Fragen zu klären gibt. Eine dieser Fragen Culots lautet beispielsweise: „Wäre es möglich, dass in den Bereichen mit einer größeren Anzahl von Cabreúva-Bäumen die Tiere weniger von Parasiten befallen sind?“ Eine Antwort auf diese Frage könnten laut Culot lediglich komplexere Forschungen geben.

Die bisherigen Erkenntnisse haben die Forscher der Unesp jedoch bereits in der Wiley Online Library in dem Artikel „A universal pharmacy: Possible self-medication using tree balsam by multiple Atlantic Forest mammals“ veröffentlicht.

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AutorIn: Gabriela Bergmaier Lopes

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