Gesellschaft Brasiliens verändert sich: Mehr Menschen leben alleine

Die Altersstruktur der Bevölkerung Brasiliens gleicht sich mehr und mehr der von Industrieländern an. Während der Anteil der Menschen mit 60 und mehr Jahren zunimmt, sinkt der von Jugendlichen und unter 30-Jährigen. Nach dem jüngsten Bericht des brasilianischen Statistikamtes IBGE ist mit 56,1 Prozent mittlerweile mehr als die Hälfte der Brasilianer über 30 Jahre alt. Beinahe 15 Prozent der Bevölkerung zählen dabei zu den über 60-Jährigen.

Wohnungen – Foto: Thomas Schroeder auf Pixabay

Nach Schätzungen des IBGE sind von den 212,7 Millionen Brasilianern 31,2 Millionen über 60 Jahre alt. Im Vergleich zu 2012 hat ihr Anteil um 39,8 Prozent zugenommen, während die Gesamtzahl der Bevölkerung nur um 7,6 Prozent gestiegen ist. Erklärt wird der Anstieg der älteren Menschen bei der Alterspyramide von den Statistikern vor allem mit Abnahmen bei der Geburtenrate.

Auch wenn die Zahl der älteren Menschen gestiegen ist, sind dennoch 98,7 Millionen Brasilianer, und damit knapp 44 Prozent der Bevölkerung, zwischen Null und 30 Jahre alt. Der Anteil der 14- bis 17-Jährigen hat im vergangenen Jahrzehnt dabei allerdings um 12,7 Prozent abgenommen.

Zahl der Single-Haushalte steigt

Geändert hat sich nach der am 22. Juli 2022 veröffentlichten Pesquisa Nacional por Amostra de Domiçílios Contínua (PNAD Contínua) ebenso die Zusammensetzung der Haushalte. Immer mehr Brasilianer leben alleine in einem Haushalt. Nach den Daten des Statistikamtes hat es 2021 in Brasilien 72,3 Millionen Haushalte gegeben. 2012 waren es noch 61,5 Millionen. Die Zahl der Single-Haushalte ist dabei von 7,5 Millionen im Jahr 2012 auf jetzt 10,8 Millionen gestiegen.

Vor allem die Männer sind es, die alleine wohnen. Sie stellen 56,6 Prozent der Singlehaushalte. Im Norden und Nordosten des Landes beträgt ihr Anteil sogar 60 Prozent. Auch bei den Single-Haushalten scheint die Alterspyramide eine Rolle zu spielen. So sind 60 Prozent der allein lebendenen Frauen über 60 Jahre alt.

Das Herzstück der Haushalte sind indes Familien. In 68,2 Prozent aller brasilianischen Haushalte leben Paare mit oder ohne Kinder. In vielen Haushalten Brasiliens beschränkt sich die Zusammensetzung der Bewohner aber nicht nur auf das Herzstück einer Familie. In 15,9 Prozent der Haushalte lebt vielmehr auch noch mindestens ein Verwandter mit der Familie, wie Geschwister, Großeltern oder Enkelkinder.

Im Norden Brasiliens leben mehr Männer als Frauen

Die Mehrheit der Bevölkerung wird mit 51,1 Prozent von Frauen gestellt. Lediglich im Norden des Landes ist der Anteil der Männer größer als der der Frauen. Dort kommen auf einhundert Frauen 102,3 Männer. Die Statistiker vermuten, dass dies unter anderem mit dem Arbeitsangebot zusammenhängen könnte. Landwirtschaft und Bergbau der Region könnten mehr männliche Arbeitskräfte anziehen, so IBGE-Analyst Gustavo Fontes.

Während es in Brasilien insgesamt mehr Frauen als Männer gibt, ist das Geschlechtsverhältnis bei den Geburten umgekehrt. Laut Fontes kommen mehr Jungen als Mädchen zur Welt. Mit zunehmenden Alter nimmt ihr Anteil an der Bevölkerung allerdings ab. Das trifft vor allem auf die Altersgruppen ab 30 zu. Noch größer ist der Unterschied bei den über 60-Jährigen. In dieser Altersgruppe kommen auf einhundert Frauen nur 78,8 Männer.

Immer weniger Brasilianer stufen sich als “Weiße“ ein

Mehr als die Hälfte der Brasilianer gibt an, afrikanische Wurzeln zu haben. Zwischen 2012 und 2021 ist ihr Anteil auf 56 Prozent gestiegen. In der Statistik wird dabei zwischen Personen „pretas“ (schwarz) und „pardas“ (braun) unterschieden. Als Pardas werden in Brasilien Nachfahren von Afrikanern und Europäern bezeichnet.

Während sich 2012 noch 7,4 Prozent der Brasilianer als Schwarze deklariert haben, waren es im vergangenen Jahr 9,1 Prozent. Ihr Anteil ist von 45,6 Prozent auf 47 Prozent gestiegen. Die Zahl der Weißen hat indes abgenommen. Nur noch 43 Prozent der Bevölkerung stuft sich selbst als Weiße ein, 2012 waren es 45,6 Prozent.

Am stärksten gestiegen ist dabei der Anteil der Menschen, die sich als Schwarze bezeichnen. Ihre Zahl hat um 32,4 Prozent zugenommen. Der höchste Anteil von Schwarzen an der Bevölkerung wird mit 11,4 Prozent im Nordosten Brasiliens verzeichnet, gefolgt vom Südosten, zu dem der Wirtschaftsmotor São Paulo gehört, mit 9,6 Prozent. Im Norden, der vor allem die Amazonas-Region umfasst, überwiegen hingegen Pardas. Sie stellen dort 73,4 Prozent der Bevölkerung. Im Süden des Landes hat sich hingegen nur jeder vierte Brasilianer als Nicht-Weiß deklariert.

Dass die Zahl der Afrobrasilianer gestiegen ist, hängt unter anderem mit einer veränderten Einstellung zur Abstammung oder Hautfarbe zusammen. Immer mehr Brasilianer stehen zu ihren afrikanischen Wurzeln, so die Vermutung der Experten.

Volksbefragung soll genauere Daten bringen

Die vom IBGE vorgelegten Daten der Pesquisa Nacional por Amostra de Domiçílios Contínua (PNAS Contínua) beruhen auf einer exemplarischen Befragung. Genauere Aussagen werden indes von einer noch für dieses Jahr geplanten allgemeinen Volkszählung erwartet.

Dann wird auch die durch die Coronavirus-Pandemie verursachte höhere Todeszahl unter der Bevölkerung mit einfließen. Erste Erhebungen über die Standesämter zeigen zudem eine niedrigere Geburtenzahl im Zusammenhang mit der Pandemie.

Genauere Aussagen erwarten sich die Experten von der geplanten Volkszählung auch zur Frage der Abstammung. Nach anderen Studien des IBGE haben Afrobrasilianerinnen im Durchschnitt mehr Kinder als europäischstämmige Frauen. Die Statistiker verweisen im Zusammenhang bei der Deklarierung der Hautfarbe oder Abstammung aber auch auf ein gestiegenes Bewusstsein der Brasilianer mit afrikanischen Wurzeln.

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AutorIn: Gabriela Bergmaier Lopes

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