Brasilien trauert um seine größte Rock-Königin: Rita Lee

Die brasilianische Königin des Rocks ist tot. Rita Lee ist am Montag (8. Mai) im Alter von 75 Jahren gestorben, wie am Dienstag bekannt wurde. Seit 2012 lebte die große Dame des Rocks mit ihrer Familie auf ihrem Sítio, ihrem Hof im Großraum von São Paulo. 2021 wurde bei ihr Lungenkrebs diagnostiziert. Im vergangenen Jahr kam dann zwar die Nachricht, dass sie tumorfrei sei, doch Anfang des Jahres musste sie noch einmal interniert werden. Am Montag ist sie nun im Kreise ihrer Familie gestorben.

Rita Lee mit 75 Jahren gestorben – Foto: Screenshot Video

Als Abschiedsworte „Ruhe in Frieden“ zu benutzen, passt nicht wirklich für Rita Lee. Die Musikerin war in ihrem Leben alles andere als ruhig. Nicht, dass sie etwas gegen Frieden und Ruhe gehabt hätte. Sie hat vielmehr unermüdlich Musik, Liedtexte, Hits geschrieben, komponiert, gesungen. Ein Blatt vor den Mund genommen hat sie sich dabei nie.

Ihre kritische und rebellische Haltung packte sie in provokative und gleichzeitig humorvolle Rocklieder. Auch während der Militärdiktatur in Brasilien blieb sie nicht still. Die Folge: etliche ihrer Lieder wurden zensiert. Einige Historiker sagen, sie war die Künstlerin, deren Werke während der Militärdiktatur am meisten von der Zensur betroffen waren.

Sie selbst sagte einmal in einem Interview über sich, dass sie eine „gefährliche Frau“ war für die vorherrschende Moralkultur. Sie sang über Sex, Schwangerschaftsabbruch, die Freigabe von Mariuhana, Menstruation und viele andere mit Vorurteilen behafteten Themen.

In „Banho de Espuma“ beschrieb sie intime Momente mit einer geliebten Person. „Cor de Rosa Choque“ widmete sie der Stärke der Frauen. „Eine Frau ist ein seltsames Tier, jeden Monat blutet sie, ein sechster Sinn stärker als die Vernunft“, sang sie und stellte die vorherrschende Ansicht über das „schwache Geschlecht“ in Frage.

Sie selbst fragte sich indes nie, ob frau etwas darf oder nicht. Sie machte es einfach, zog Hosen an, als das in Brasilien für Frauen noch verpöhnt war, färbte ihre Haare bunt, sprach und sang über Sex und Drogen und trat bei Konzerten provokativ auf.

Als sie 1995 im Maracanã-Stadium in Rio de Janeiro das Konzert der Rolling Stones eröffnete, trat als Marienerscheinung (Nossa Senhora Aparecida) hinter einem blauen Umhang auf und betete ein Ave Maria bevor sie das Lied „Todas as Mulheres do Mundo“ (übersetzt etwa: „Alle Frauen der Welt“) anstimmte.

Die rebellische Musikerin kritisierte ebenso offen Politik und Establishemt. In „Arrombou O Cofre“ (übersetzt etwa: „Den Tresor gebrochen“) prangerte sie die Korruption an und zitierte dabei sogar namentlich einflussreiche Politiker. Auch die Zensurerin der Militärdiktatur bedachte sie im Liedtext mit einem Vers. Der wurde natürlich verboten. Rita Lee, nahm ihn trotzdem auf und sorgte damit für Arbeit. Die entsprechenden wurden nach erscheinen der Platten aus diesen manuell herausgekratzt.

Fans hat Rita Lee auf der ganzen Welt. Wie es heißt, soll auch König Charles dazu gehören. Erobert hat sie den damaligen Prinzen mit ihrem Hit „Lança Perfume”, wie erzählt wird. Mit dem Hit eroberte sie nicht nur Briten. Mit ihm stand sie ebenso zwei Monate lang an der Spitze der Top-Liste Frankreichs.

Offiziell verabschiedete sich die Rockqueen von den Bühnen 2012. Auch dabei sorgte sie noch einmal für einen Aufschrei der Sittenhüter. Beim „Green Move Festival“ 2012 in Brasília zeigte die damals 65-Jährige kurzerhand auf der Bühne ihren nackten Hintern. Später beschrieb dies als einen Akt der Liebe. Ihre Sponsoren aber waren weniger begeistert und drehten den Geldhahn zu. Ihre Fans jubelten. Rita Lee hatte noch einmal ein Tabu gebrochen und die vorherrschende Ansicht über das Alter und was frau im Alter darf auf ihre eigene Art in Frage gestellt.

Bei Interviews begnügte sie sich nicht nur, die Zunge rauszustrecken. Sie leckte auch schon mal die Linse der sie filmenden Kamera. Aber Rita Lee konnte auch sanft. Mehrere Kinderbücher hat sie veröffnelticht. Bei denen ging es unter anderem auch um den Tierschutz. Rita, war Tierschutzaktivistin und Veganerin, setzte sich aktiv für die Rettung von Schlangen und sogar einem Bär ein. Zu sehen ist die Musikerin ebenso in mehreren Filmen und den in Brasilien so beliebten Telenovelas, ganz abgesehen davon, dass zahlreiche Novelas mit ihren Liedern untermalt sind.

Am 31. Dezember 1947 in São Paulo geboren lernte Rita Lee als Kind Klavierspielen. Später kamen noch etliche andere Instrumente hinzu, unter anderem Guitarre, Flöte, Bass, Drums, Harfe. Als Jugendliche gab sie 1963 mit den Teenage Singers ihr Debüt. 1966 stand sie dann schon mit dem Psychadelic-Rock-Trio „Os Mutantes“ auf der Bühne, eine der wichtigsten Rockbands Brasiliens. Bei der wirkte sie bis 1972 mit, bevor sie ihre Solo-Karriere in Anlauf nahm.

Ihre größten Hits erarbeitete sie zusammen mit ihrem zweiten Mann, dem Musiker Roberto de Carvalho (ab 1976), mit dem sie drei Kinder hat. In den sechs Jahrzehnten ihres Wirkens hat die außerordentliche Musikerin für unendliche Hits gesorgt und 55 Millionen Alben verkauft. Ihre Kreativität kannte keine Grenzen. 315 Lieder stammen aus ihrer Feder. Ihr letztes Album „Reza“ veröffentlichte sie 2012. Kein anderes Lied wurde in dem Jahr so oft gespielt, wie der gleichnamige Haupttitel des Albums.

Rita Lee war nicht zu bremsen. Das galt unglücklicherweise auch für den Missbrauch von Alkohol und Drogen. Klinikaufenthalte und mehrere Versuche, sich davon zu lösen, waren notwendig, bis sie es 2006 endlich schaffte, Alkohol- und Drogenproblem in den Griff zu bekommen.

Rita Lee hat Rock- und Frauengeschichte geschrieben. Sie war die erste Musikerin Brasiliens, die auf einr Rockbühne Guitarre gespielt hat, die erste Rockbandleaderin, sie war aber vor allem immer sie selbst und hat damit tausende Brasilianerinnen ermutigt, das „Das-tut-frau-nicht“ zu vergessen. Und Rita Lee hat einen unsagbaren Schatz an musikalischen Werken geschaffen, von Rock bis Pop.


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Die Biografie von Rita Lee finden Sie » hier
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AutorIn: Gabriela Bergmaier Lopes

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